Steuerverkürzung

Darüber hinaus habe ich auch noch eine weitere Worst-case-Prüfung vorgenommen, und zwar habe ich unter Annahme, dass sie vielleicht doch das Geld in Deutschland ab 1995 zinsbringend angelegt hatte, eine Steuerverkürzungsberechnung vorgenommen. Das heißt, ich habe ausgerechnet, was für eine Steuer verkürzt worden wäre, wenn die Frau aus dem Taunus wider Erwarten doch Zinsen hatte und diese Zinsen verschwiegen hat. Meine Steuerverkürzungsberechnung ergab, dass sich, basierend auf dieser Annahme, maximal eine Steuerverkürzung von 1.100 DM pro Jahr ergeben hätte.

Bei Zugrundelegung all dieser Prüfungen kam ich dann im Rahmen meiner Vorbereitung zu folgendem Schluss: Für den Fall, dass das Geld, das aus der Schweiz im Jahr 1990 gekommen ist, 1995 schon längst ausgegeben war, hat es keine Zinserträge in den Jahren ab 1995 nach sich gezogen. Folglich bestand kein Anfangsverdacht, weil keine falschen Angaben gemacht worden sind und weil damit auch keine Verkürzung angefallen ist. Für den Fall, dass die Frau tatsächlich dieses Geld angelegt hatte über das Jahr 1995 hinaus, kam ich zu dem Ergebnis, dass die Steuerverkürzung bei maximal 1.100 DM liegt. Mithin wäre es so gewesen: Wenn kein Anfangsverdacht vorliegt, muss eine Einleitung unterbleiben. Bei einer Verkürzung von 1.100 DM konnte eine Einleitung unterbleiben wegen Geringfügigkeit, denn ein eingeleitetes Verfahren wäre bei dieser Größenordnung ohnehin wieder wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Diese Prüfung habe ich in einem Aktenvermerk ausführlich festgehalten. Dieser Aktenvermerk ist fast zwei Seiten stark. Diesen Aktenvermerk habe ich meiner Sachgebietsleiterin zur Prüfung meiner Bearbeitung vorgelegt. Ich habe ihr auch vorgelegt meine Entscheidung, dass in meinen Augen eine Einleitung unterbleiben kann. Sie hat geprüft als Volljuristin und hat letztendlich die Entscheidung getroffen, dass hier eine Verfahrenseinleitung unterbleiben kann.

Der Vorgang wurde dann dem anzeigenden Steuerfahnder zurückgegeben unter Mitteilung der Entscheidung der Bußgeld- und Strafsachenstelle, und er wurde gebeten, den Sachverhalt im Rahmen des Anschreibeverfahrens im Besteuerungsverfahren zu erledigen. Wie ich im Rahmen der Akteneinsicht am letzten Dienstag im Zusammenhang mit meiner heutigen Aussage sehen konnte, war es tatsächlich so, dass dieses Geld aus der Schweiz aus einem Kreditvertrag stammte, nämlich die Frau aus dem Taunus hatte einen Kredit in der Schweiz aufgenommen, um das Haus zu kaufen, das sie in Deutschland erworben hatte. Folglich lag gar kein Anfangsverdacht vor, und folglich hat sich, wie ich jetzt im Rahmen der Akteneinsicht am 14.06. sehen konnte, die Bearbeitung der BuStra als vollkommen richtig herausgestellt.

Es zeigt sich, dass in diesem (wie auch in einem weiteren) Fall die zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle eine ausführliche Prüfung des Sachverhalts vorgenommen hatte und dies jeweils in einem umfassenden Aktenvermerk dargelegt hatte. Das jeweilige Rücksendeschreiben an die Veranlagungsfinanzämter war dann knapp gefasst und enthielt, wie das Schreiben vom 05.06.2002, die Standardformulierung „die Überprüfung ihrer zuvor bezeichneten Anzeigen führte unter Berücksichtigung der in der Amtsverfügung 2001/18 vom 30.08.2001 festgehaltenen Kriterien zu einer Verneinung des strafrechtlichen Anfangsverdachts". Angesichts der vollständigen Prüfung, die in dem beigefügten Aktenvermerken der jeweiligen Steuerakte beigefügt waren, war aber offensichtlich, dass sich das Schreiben nicht so verstehen ließe, dass aufgrund der Amtsverfügung irgendeine Prüfung nicht stattgefunden hätte oder aber nach einer Prüfung zunächst ein Anfangsverdacht bejaht worden wäre und dann wegen der Amtsverfügung doch abgelehnt worden wäre.

Entsprechend fiel auch das Ergebnis im zweiten Fall aus. „Der Spiegel" schrieb dazu: Ungeschoren kam Dank der Verfügung 2001/18 auch ein Mitarbeiter der... Bank davon, der ausländische Wertpapiere für 175.000 DM auf ein Konto der Züricher Filiale der... Bank (Schweiz) transferiert hatte. Obwohl die Steuerfahnder einen hinreichenden Anfangsverdacht in einem Aktenvermerk festhielten, stoppte die Finanzverwaltung auch dieses Mal die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen.

Auch hier konnte der Fall ermittelt werden. Ebenso wurde auch in diesem Fall Kontrollmaterial über einen Wertpapiertransfer mit einem Transfervolumen von rund 175.000 DM Ende 2001 von der Steuerfahndung an die Kopfstelle im Wohnsitz Finanzamt abgegeben. Auch hier hat die Steufa in einem Aktenvermerk vom 14.01.2002 Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Anfangsverdachts festgehalten und den Vorgang dann mit Schreiben vom 29.05.2002 der Bußgeld- und Strafsachenstelle zur Entscheidung vorgelegt. Diese verneinte mit Schreiben vom 05.06.2002 die Annahme eines Anfangsverdachts und veranlasste wiederum die Kopfstelle im Wohnsitzfinanzamt, den Steuerpflichtigen im Steuermittlungsverfahren anzuschreiben.

Der sachverständige Zeuge Falk Gerke hatte auch diesen Fall begutachtet und in seiner Vernehmung in der 11. Sitzung am 25.05.2005 dazu wie folgt ausgeführt: Fall 2, im „Spiegel" bezeichnet als „Mitarbeiter der... Bank": Es liegen vier Belege über Wertpapiertransfers vor: drei Belege jeweils vom 11.03.1993, ein Beleg vom 17.03.1993, in einer Gesamthöhe von 173.250 DM. Am 14.01.2002 werden von der Steuerfahndung im Veranlagungsfinanzamt die Steuerakten eingesehen in der Kopfstelle und Erkenntnisse tabellarisch in einem Aktenvermerk zusammen- und dargestellt. Am 14.01.2002 ergeht ein Verdachtsvermerk des Steuerfahnders mit der Zustimmung des Sachgebietsleiters, und der Vorgang geht mit Anschreiben und Akten am 29.05.2002 an die Bußgeld- und Strafsachenstelle.

Am 05.06.2002 geht der Vorgang von der Bußgeld- und Strafsachenstelle zurück an die Steuerfahndung mit dem Hinweis, dass kein Verdacht auf eine Steuerstraftat vorliegt, mit der Bitte, den Fall im Anschreibewege zu erledigen in der Kopfstelle des Finanzamts. Als Anlage ist beigefügt ein umfangreicher Aktenvermerk zur Einzelfallprüfung Anfangsverdacht. Dort heißt es:

Der Steuerfahndungsbeamte beim Finanzamt..., (zugleich Angehöriger der Kopfstelle beim Finanzamt...), hatte der Bußgeld- und Strafsachenstelle beim Finanzamt... in seiner Anzeige gegen... mitgeteilt, dass die Steuerpflichtigen im Kalenderjahr 1993 Wertpapiere zu einem Nominalwert in Höhe 175.000 DM zur... transferiert und in der Folgezeit in ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen keine Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen angegeben haben.

Die Bußgeld- und Strafsachenstelle verneint die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens wegen dieser Anzeige, weil neben den Unwägbarkeiten hinsichtlich der Dauer der Anlage dieser Wertpapiere bei der... (eventuell wieder vor dem ersten überhaupt verfolgbaren Kalenderjahr 1996 zurückgeholt und verwendet) und der damit einhergehenden Frage nach dem grundsätzlichen Anfall von ausländischen Kapitalerträgen ab 1996 auch bei Zugrundelegung eines für die Strafverfolgungsbehörde günstigen Lebenssachverhalts (Kapitalanlage ununterbrochen seit 1993, Zinssatz 5 %, bereits durch inländische Kapitalerträge ausgeschöpfte Freibeträge, nachträglich noch gegenzurechnende Werbungskosten aus der Auslandsanlage in Höhe von jährlich 2.500 DM) lediglich Steuerverkürzungen in Höhe von jährlich 1.600 DM feststellbar sind, die im Rahmen eines eingeleiteten Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit zu einer Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO führen würden.

Auf das Anschreiben des Wohnsitzfinanzamts reagierten die Steuerpflichtigen mit einer Selbstanzeige. Die Veranlagungen der Jahre 1997 bis 2000 wurden daraufhin geändert. Es kam zu Steuernachzahlungen in Höhe von insgesamt 9.800 DM, vgl. Blatt 177 der staatsanwaltschaftlichen Akte.

Bei eingeleitetem Verfahren ­ so bereits die Einschätzung der Bußgeld- und Strafsachenstelle ­ wäre wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Wie bereits dargestellt, hat der Untersuchungsausschuss in seiner 12. Sitzung am 20.06.2005 auch den zuständigen Sachbearbeiter der Bußgeld- und Strafsachenstelle, den Zeugen Harald Wiegand, vernommen.

Dieser gab auch über diesen zweiten Fall Auskunft:

Dann komme ich zu dem zweiten Fall. Es geht um den Mann, der 175.000 DM auf ein Konto bei der... Bank in der Schweiz transferiert hatte. Auch dieser Vorgang wurde dem Sachgebiet meiner Sachgebietsleiterin zugeleitet. Ich war schließlich der Bearbeiter, der den Bearbeitungsvorschlag erstellt hat. Ich habe genauso wie der anzeigende Steuerfahnder ein Worst-case-Szenario zulasten der Steuerpflichtigen unterstellt, nämlich dass eben dieses Geld auch noch im Kalenderjahr 1996 in der Schweiz lag und Zinsen erbracht hat, obwohl der Transfervorgang schon im Jahr 1993 gewesen ist.

Ich habe eine Steuerverkürzungsberechnung gemacht für die Jahre, die strafrechtlich noch verfolgbar waren, also das heißt für die Jahre ab 1996, kam dann zu einer jährlichen Steuerverkürzung von maximal 1.600 DM, habe dann als Bearbeitungsvorschlag festgehalten, dass wiederum Geringfügigkeit vorliegt, zwar ein Anfangsverdacht, aber Geringfügigkeit. Das heißt, ein eingeleitetes Verfahren wegen dieser Feststellung hätte bei dieser geringfügigen Steuerverkürzung von 1.600 DM wiederum zu einer Verfahrenseinstellung geführt. Ich habe deswegen als Bearbeitungsvorschlag meiner Sachgebietsleiterin vorgeschlagen, man möge hier von einer Einleitung absehen.

Meine Sachgebietsleiterin hat dies überprüft und hat letztendlich entschieden, dass tatsächlich von einer Einleitung abgesehen wird, weil ein Verfahren wegen Geringfügigkeit ohnehin eingestellt worden wäre. Wiederum wurde die Entscheidung der Bußgeld- und Strafsachenstelle dem anzeigenden Steuerfahnder mitgeteilt, und er wurde gebeten, im Anschreibewege den Vorgang im Besteuerungsverfahren zu prüfen und zu erledigen.

Der „Spiegel"-Artikel warf der Finanzverwaltung noch einen dritten Fall vor, der aufgrund der angeblich falschen Kriterien der der Amtsverfügung 2001/18 zur Nichtverfolgung von Straftaten geführt hätte. In dem Bericht des Nachrichtenmagazins heißt es dazu:

Dass es in vielen Verfahren genauso laufen würde, hatten leitende Steuerfahnder schon befürchtet, als Weimars Mannen die kalte Amnestie in aller Stille beschlossen hatten. Dabei war es gerade die Aufklärung von Schwarzgeld-Transfers und 1 Million DM, die dem Fiskus in den Jahren zuvor satte Einnahmen verschafft hatte. So wurde etwa im Verfahren gegen Anleger der... Bank in einem Fall ein anonymer Geldtransfer von gerade mal 30.000 DM entdeckt. Aber: Das war der erste Hinweis auf größere Transaktionen. Am Ende des Verfahrens musste der überführte Anleger über 340.000 DM an hinterzogenen Steuern nachzahlen.

Auch diesen dritten Fall konnte die Finanzverwaltung ermitteln. Der anonyme Geldtransfer stammte aus dem November 1992 und wurde anlässlich einer Durchsuchung bei dem Kreditinstitut von der Steuerfahndung ermittelt. Der sachverständige Zeuge Falk Gerke führte in seiner Vernehmung auf der 11. Sitzung am 25.05.2005 dazu aus:

Wir kommen zum dritten Fall, im „Spiegel" bezeichnet als „Anleger der... Bank". Es liegt ein Beleg über einen Transfer von 30.000 DM vor. Dieser Beleg stammt vom 17.11.1992. Unabhängig davon, und weil er den Hinweis von einem Bankangestellten erhalten hatte, dass etwas passieren könnte, hat der Steuerpflichtige jedoch im Wege der Selbstanzeige bereits am 16.03.1999 seine tatsächlichen Zinseinnahmen offen gelegt. Die Steuerfahndung hat die inhaltliche Überprüfung dieser Selbstanzeige übernommen. Dies führte zu keinen Beanstandungen. Die Selbstanzeige wirkte damit strafbefreiend.

Der Steuerpflichtige wurde im Rahmen des Beihilfeverfahrens gegen Bankmitarbeiter nochmals am 06.06.2000 vernommen. Dabei hat er eingeräumt, dass die Information der Bank zu seiner Selbstanzeige geführt hat. Die Mehrsteuern betragen richtigerweise 344.576 DM und betreffen die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1997. Es liegt hier erkennbar kein Fall der Amtsverfügung 2001/18 vor.

Dieser Fall stand damit offenbar in keinem Zusammenhang mit der Amtsverfügung. Dies bestätigte auch der dazu vernommene Zeuge Klaus Schmitz in der 11. Sitzung am 25.05.2005. Er war als Hauptsachgebietsleiter im Finanzamt Hanau mit diesem Fall beschäftigt. Er sagte dazu aus:

Ich kann zu diesem jetzt „Spiegel"-Fall genannten Steuerfall Folgendes sagen: Ich kenne diesen Fall, habe ihn aber seinerzeit nicht bearbeitet oder so etwas. Ich kenne ihn halt, auch in meiner Eigenschaft als Einkommensteuer-Hauptsachgebietsleiter des Finanzamtes Hanau.

Vom Ablauf ist Folgendes zu sagen: Im März 1999 erreichte uns eine Selbstanzeige ohne eine Ankündigung vorher. In dieser Selbstanzeige sagte der Steuerpflichtige: Ich habe von 1988 an jährlich zwischen 10.000 und 160.000 DM Zinsen nicht erklärt. Ich kann es noch nicht so ganz genau sagen; ich muss erst meinen Steuerberater beauftragen, der die Erträgnisaufstellungen im Ausland beschafft.

So im Mai hatte der Steuerberater alle Zahlen zusammen, sodass die Selbstanzeige zahlenmäßig genau definiert war. Dann ging das alles seinen normalen Weg, nämlich dass die Veranlagungsstelle diese Selbstanzeige mit Akten der BuStra übergeben hat, damals noch Frankfurt.

Die BuStra muss ja letztendlich entscheiden, ob Strafbefreiung eintritt oder nicht. Die haben eine Zeit lang geprüft, und irgendwann hat uns dann im Oktober 1999 ein Schreiben der BuStra erreicht. Da hieß es: Wir haben die Zahlen überprüft. Das ist alles okay. Wertet jetzt diese Selbstanzeige aus, und setzt die Steuern fest.

Damals haben wir erstmals in einem Aktenvermerk der BuStra davon Kenntnis erlangt, dass ein Transfer von 30.000 DM wohl aufgedeckt worden war. Das wussten wir bis dahin eigentlich nicht.

Zu vermuten war halt, dass es hier so abgelaufen ist wie in vielen Fällen damals: dass die Bank ihren Kunden über die Entdeckung dieses Transfers in die Schweiz informiert hat und dass der dann halt gesagt hat: Oje, jetzt wird mirs zu heiß, jetzt reiche ich die Selbstanzeige ein. Das haben wir aber erst im Oktober 1999 erfahren.

Dann hat der Veranlagungsbezirk die geänderten Bescheide 1988 bis 1997 erlassen und auch erstmalig Vermögensteuerbescheide, und Ende 1999/Anfang 2000 war der Fall total abgehandelt. Also: Anfang 2000 war nichts mehr. Es wurden dann noch Finanzierungszinsen festgesetzt. Da gab es mal so kurze Auseinandersetzungen, aber im Februar 2000 war alles erledigt.

Irgendwie eine Beeinflussung durch die in meiner Ladung genannte Amtsverfügung von Frankfurt V kann ja zeitlich nicht sein, weil es da diese Verfügung noch gar nicht gab. Insofern weiß ich