Zu Punkt 2 Notwendig ist auch ein fachgerechter Unterricht

Zu Punkt 1: Politischer Bildung wird oft eine Feuerwehrfunktion zugedacht. Notwendig ist jedoch ein kontinuierlicher Politikunterricht an allen Schulformen, um einen systematischen Kompetenzaufbau zu ermöglichen.

Zu Punkt 2: Notwendig ist auch ein fachgerechter Unterricht. Je nach Schulform und Jahrgangsstufe wird das Fach Politik bis zu 80 % fachfremd unterrichtet. In der politischen Bildung werden die Lehrkräfte aber verstärkt mit Schülerinnen und Schülern konfrontiert, die als Anhänger extremer politischer und auch religiöser Gruppierungen ideologisch und rhetorisch hervorragend geschult sind. Das Problem ist, dass fachfremd unterrichtende Lehrkräfte diesen Schülern fachlich oft nichts entgegensetzen können.

Es gibt im Moment eine interessante Entwicklung auf der europäischen Bühne. Während in vielen europäischen Staaten die politische Bildung derzeit ausgebaut wird, beobachten wir in Deutschland die gegenteilige Entwicklung: Es werden politische Bildungsangebote abgebaut - auch in Nordrhein-Westfalen. Ich möchte als Beispiel nur kurz auf die Situation der politischen Bildung an Berufsschulen verweisen: fachfremder Unterricht, hoher Stundenausfall und die Problematik, dass es für viele Ausbildungsgänge noch nicht einmal einen Lehrplan für den Politikunterricht gibt.

Es stellt sich jetzt die Frage, warum viele europäische Staaten die politische Bildung ausbauen. Sie tun das, weil sie der politischen Bildung eine wichtige Aufgabe im Prozess der politischen und sozialen Integration zusprechen, zum Beispiel in Bezug auf die Zuwanderung oder auch in Bezug auf die europäische Einigung.

Zu Punkt 3: Mehr fachliche Fortbildungen sind notwendig. Hier wären vor allem auch die Verantwortlichkeiten in den Bezirksregierungen zu klären, weil die Generalie „Politische Bildung" zusehends sozusagen „eingestampft" wird.

Zum Abschluss möchte ich kurz noch einen positiven Aspekt ansprechen: Wir haben die DVPB-Mitglieder, wie gesagt, befragt. Dabei wurde verdeutlicht, dass die Lehrkräfte das Fach mit sehr großer Überzeugung und sehr großem Engagement vertreten, dass sie das Fach gerne unterrichten und dass sie den Lernenden die Chance des Glücks des öffentlichen Handelns eröffnen möchten.

Hannah Arendt hat diesen Aspekt viel besser ausgedrückt, als ich das je vermögen werde, indem sie sagte, dass sich dem Menschen, wenn er öffentlich handelt, eine bestimmte Dimension menschlicher Existenz erschließt, die ihm sonst verschlossen bleibt und die irgendwie zum vollgültigen „Glück" gehört.

Hannah Gnech (LandesschülerInnenvertretung NRW): Die LandesschülerInnenvertretung begrüßt das Vorhaben, dass hier die politische Bildung und Teilhabe gestärkt und ausgebaut werden sollen. Die Förderung der politischen Bildung und vor allem der politischen Teilhabe ist eine wichtige Voraussetzung, um die Maßgabe des Schulgesetzes, die Schüler zu mündigen und demokratischen Schülern zu erziehen, zu erfüllen.

Zunächst möchten wir jedoch auf die Problematik des Begriffs „Extremismus" hinweisen, der sich durch beide Anträge und den Fragenkatalog zieht. Wir sind der Ansicht, dass es jedem Anspruch an gute und differenzierte politische Bildung nicht gerecht wird, sich auf einen derart unwissenschaftlichen Begriff zu stützen. Als extremistisch werden heute von Staatsbehörden und Parteien in Deutschland all jene Strömungen und Gruppierungen benannt, die sich dem sogenannten Rand des politischen Spektrums zuordnen lassen.

Dieser Extremismustheorie liegt ein eindimensionales Achsenmodell zugrunde, mit welchem man sich anmaßt, die Vielfalt von politischen Strömungen in Links, Mitte und Rechts einzuordnen. Wer an welcher Stelle und aus welchem Grund die fiktive Linie zwischen der Mitte und dem linken und rechten Rand zieht, bleibt dabei offen.

Es wird sich in diesem Zusammenhang vorrangig auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes bezogen, welcher Extremismus überall dort festzustellen vermag, wo die freiheitlich-demokratische Grundordnung angefochten wird. Wo genau die Grenze zwischen radikal als noch nicht extrem und extrem, also als verfassungsfeindlich, gezogen wird, ist unklar.

Wir sind der Auffassung, dass sich mit der Verwendung des Begriffs „extremistisch" eine fiktive politische Mitte manifestiert, die alles Gesellschaftskritische über einen Kamm schert, als undemokratisch bezeichnet und sich damit jeder Kritik entzieht. Die damit fortschreitende Gleichsetzung von rechtem und linkem Gedankengut können wir nicht als Grundlage für politische Bildung sehen und verurteilen wir.

Selbstverständlich spricht sich die LSV NRW entschieden gegen die Verwendung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele aus, doch ist dieser Begriff „Extremismus" ein Kampfbegriff, den der Verfassungsschutz und andere politische Institutionen verwenden, um eine angebliche Bedrohung der Demokratie auch von linker Seite zu konstruieren.

Durch die Bezeichnung von Gruppen jenseits der Mitte als extremistisch soll das berechtigte Anliegen vieler Menschen nach einem freien, selbstbestimmten Leben, einem Leben ohne Nazis und ohne Einmischung von Großkonzernen und der Bundeswehr mit der menschenverachtenden Ideologie von Faschisten gleichgesetzt werden. Das ist einerseits eine Verharmlosung des Faschismus und der rassistischen Übergriffe, denen viele Migrantinnen und Migranten sowie Linke in NRW ausgesetzt sind, andererseits wird durch den Begriff die wichtige politische Arbeit vieler Menschen und Jugendlichen diskreditiert, die sich für eine bessere Gesellschaft einsetzen. Mit diesem Begriff stellt man sich der Förderung von Schülern zu mündigen und demokratischen Bürgern entgegen, und man widerspricht damit der Forderung der entsprechenden Parteien nach mehr politischer Bildung an den Schulen.

Nun möchte ich aber darauf zu sprechen kommen, wie Demokratie überhaupt gelebt werden kann:

Wir können in der Schule Demokratie erleben, indem wir uns in der SV für unsere Interessen einsetzen, indem wir diskutieren. Dafür ist es aber auch notwendig, dass das Verständnis von einer SV grundlegend überdacht wird. Es ist wichtig, dass wir Schüler mehr als nur alibimäßig in Schulkonferenzen oder in Fachkonferenzen sitzen, wo wir nicht immer ernst genommen werden. Es ist doch wichtig, dass die Positionen von Klassen- und Stufensprechern ernst genommen und in der Schulgemein2 schaft wirklich etabliert werden; denn in und mit der SV können wir wirklich Demokratie leben.

Wir fordern deswegen auch das allgemeinpolitische Mandat für die Schülervertretung und all ihre Organe. Außerdem möchten wir auch eine Stimme in den Fachkonferenzen haben. Die haben wir bis jetzt noch nicht. Wir können dort mitdiskutieren, allerdings nicht mit abstimmen, obwohl wir es doch sind, die das lernen sollen. Wir wissen doch am besten, wie wir etwas lernen und wann wir es lernen können.

Ich möchte nicht die drittelparitätische Besetzung kleinreden, aber die Schüler sind die größte Gruppe Menschen an einer Schule. Wäre es deshalb nicht gerecht, eine Mitbestimmungsmöglichkeit von 50 % für die Schüler in der Schulkonferenz zu fordern? Wenn es Ihnen also darum geht, uns Schülerinnen und Schüler im Laufe unserer Schullaufbahn zu demokratiebewussten Bürgern zu erziehen, dann müssen Sie auch eine Erziehung zur Mündigkeit zulassen.

Eine SV sollte also nicht nur einbezogen werden, wenn es um Partys, ein Schulfest oder einen neuen Anstrich der Cafeteria oder der Toiletten geht, sondern wir sollten wirklich ernst genommen und von der Politik und den Politikern nicht einfach unter den Tisch geredet werden; denn wenn es die Demokratie, die wir leben sollen, in der Schule nicht gibt, dann sollten Sie sich nicht wundern, wenn die Schülerinnen und Schüler im Kontext eines Bildungsstreiks für ihre Interessen auf die Straße gehen.

Michael von Tettau (Bertha-von-Suttner-Gymnasium, Oberhausen): Ich bin nicht nur Schulleiter, sondern ich habe das Fach Politik selber auch viele Jahre lang unterrichtet. Von daher habe ich zum einen natürlich viel Erfahrung, zum anderen ist man dadurch noch sehr viel intensiver in der Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen, die die Gesellschaftswissenschaften unterrichten.

Zunächst einmal - das finde ich eigentlich ganz symptomatisch -: An unserer Schule hat das Fach Politik/Sozialwissenschaften einen sehr hohen Stellenwert, und es wird von den Schülern sehr angenommen. Das erkennen wir einfach an der Menge der gewählten Grund- und Leistungskurse. Wenn man mich fragen würde, woran das liegt, dann würde ich sagen: Das hängt damit zusammen, dass wir nicht in der Not sind, fachfremd unterrichten zu müssen, sondern dass wir wirklich gut ausgebildete Sowi- und Geschichtslehrer haben, die auch wissen, wie man diese Fächer an die Schüler heranträgt.

Ich bin auch an anderen Schulen Lehrer gewesen und habe mitbekommen, wie dort fachfremd Politik/Sozialwissenschaften unterrichtet worden ist, auf welche Resonanz das gestoßen ist und dass das sehr negativ ist. Ich muss auch ganz deutlich sagen:

Wir haben bei Stellenbesetzungen häufig gehört: Erst einmal besetzen wir lieber die Kernfächer und nicht ein Fach wie Politik/Sozialwissenschaften. - Die wenigen, die das beruflich professionell unterrichtet haben, waren aufgrund der fehlenden Unterstützung seitens der Schulleitung oft sehr frustriert. Ich glaube schon, dass die Schulleitung hier eine sehr große Rolle dafür spielt, ob die Politikgeschichte den Stellenwert bekommt, der notwendig ist. Das nehme ich sehr konkret wahr.