Beamte

Ich möchte noch einmal auf das Thema „hoheitliche Aufgaben" eingehen. ­ Wer das gern sehen möchte, wie hoheitliche Aufgaben nicht durch Beamte erfüllt werden, sollte einfach, ohne sich vorher anzukündigen, zur JVA Büren hin. Im Eingangsbereich, wo entschieden wird, wer die JVA betreten darf und wer nicht, sitzt kein Beamter, sondern da ist der private Wachschutz tätig. Für mich ist es eine hoheitliche Aufgabe zu entscheiden, wer in diesen Bereich hineinkommt.

(Volker Strohmeyer: Da ist aber auch ein Beamter!)

­ Da ist in der Regel kein Beamter, wenn ich dorthin komme!

(Volker Strohmeyer: Doch, da ist auch ein Beamter da. Wenn Sie den auch nicht sehen, ist der Beamte beispielsweise hinten in der Fahrzeugschleuse.)

­ Der Beamte ist nicht in der Fahrzeugschleuse, der Beamte ist in einem anderen Gebäude ­ in der Besuchsabteilung ­ und hat keinen unmittelbaren Zugang. Und wenn die Mitarbeiter sagen, die Person komme nicht herein, dann kommt die Person nicht herein.

Die Situation mit der Jugendabteilung: Wir hatten noch im Sommer einen Jugendlichen in der JVA Büren. Es gab auch die ganze Zeit über, in der die Jugendabteilung geschlossen war, Jugendliche. Es gab immer wieder vereinzelt Fälle, wo es Jugendliche gegeben hat, als keine Jugendabteilung existiert hat. Sie können mir nicht sagen, dass es, seit die Jugendabteilung geschlossen wurde, keine Jugendlichen mehr in Abschiebungshaft gegeben hat. Die hat es gegeben.

(Zuruf von Volker Strohmeyer)

­ Ich bitte Sie, mich jetzt ausreden zu lassen. Danke schön.

Zu den Formfehlern in den Haftbeschlüssen möchte ich ausführen: Es ist erst einmal so, dass nicht jeder Formfehler tatsächlich auch zu einer Aufhebung der Haft führt.

Ich nenne ein Beispiel: Eine falsche Rechtsbelehrung, die in der letzten Zeit in der Praxis immer wieder vorkommt, würde nicht automatisch dazu führen, dass der ganze Haftbeschluss ungültig ist.

Es gibt allerdings einige Fehler, die auch zu einer Aufhebung des Haftbeschlusses führen. Da kommen wir direkt zu dem Punkt der Einflussnahme auf die Gerichte.

Man müsste mit diesem Beschluss eine Beschwerde, eventuell eine Rechtsbeschwerde, einlegen. Dafür braucht der Gefangene allerdings anwaltlichen Beistand, weil er in der Regel nicht in der Lage ist, das selbstständig durchzuführen. Da wäre es ganz gut, wenn man die Rechtsberatung am Verfahren beteiligen kann, damit der Betroffene sich im Zweifelsfall auch durch die Instanzen bewegen kann und einen Rechtsbeistand bekommt. Die meisten Gefangenen haben Schwierigkeiten, weil sie den Kontakt zu ihren Anwälten verloren haben, weil sie sie nicht mehr bezahlen können und deshalb überhaupt keine Anwälte besitzen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Da muss ich Herrn Strohmeyer recht geben: Darauf hat er keinen Einfluss; es gehört nicht zu seinen Aufgaben, das zu überprüfen.

Die Frauenproblematik ist angesprochen worden; dazu hat Herr Strohmeyer auch schon ganz kurz ausgeführt. ­ In Zukunft sollen Frauen nach Büren kommen. Wir haben ganz große Bedenken, dass dort keine 100-prozentige Trennung gewährleistet ist. Es wird eine Abteilung geben, die sicherlich komplett nur für Frauen vorgesehen sein wird, aber in den anderen Bereichen kann und wird es nicht zu einer 100prozentigen Trennung kommen. Das ist unsere klare Meinung. Wir haben es auch an den Strafgefangenen gesehen.

Noch eine ganz kurze Bemerkung zur Frage der Medikamente: Wir erleben immer wieder, dass Gefangene uns berichten, dass sie die Namen der Medikamente, die sie bekommen, nicht kennen. Ich selbst bin auch ­ wie ich eben schon sagte ­ gelegentlich Vormund von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die in der Abschiebungshaft in Büren sind. Bei meinem letzten Mündel habe ich zum Beispiel die JVA Büren angeschrieben und als Vormund darum gebeten, Einsicht in die Krankenakte zu bekommen, um festzustellen, was der Betroffene hat. Mir ist die Einsicht verweigert worden. Ich wollte mit der Einsicht sicherstellen, wie die weitere Behandlung nach der Haft aussehen könnte. Auch das ist eine Praxis, die wir dort immer wieder als schwierig ansehen.

Zu einem nächsten Punkt: Eine Frage war, welche rechtlichen Möglichkeiten das Land hat, auf die Gestaltung der Abschiebungshaft Einfluss zu nehmen. ­ Diesbezüglich bitte ich ganz dringend darum, zu überlegen, ob man nicht so etwas wie ein Abschiebungshaftvollzugsgesetz erlässt, indem im Vorfeld alle Beteiligten einbezogen werden, zu dem es eine Diskussion gibt, wie man eine solche Haft ausgestalten kann.

Ein Punkt ist beispielsweise der Hofgang. Warum man den nicht grundsätzlich tagsüber öffnen kann, damit jeder frei entscheiden kann, wann er auf den Hof geht und wann nicht, ist für mich nicht ersichtlich. Das gilt vor allem, weil das Gelände der JVA Büren dafür groß genug wäre. Da gibt es sicherlich keine großen Probleme.

Ein weiterer Problempunkt war im Zusammenhang mit dem Berliner Modell für Schutzbedürftige genannt worden. Das finde ich positiv, da sollte man überlegen, wie man es übernehmen, wie man es für das Land Nordrhein-Westfalen ausgestalten und wie man es hier anwenden kann. Auch da wäre es sicherlich sinnvoll, im Vorfeld mit allen Beteiligten darüber zu sprechen und zu überlegen, wie man das handhaben könnte.

Zu der Beschwerdepraxis in anderen Bundesländern kann ich so jetzt konkret nichts sagen, bis auf Schleswig-Holstein, wo es einen sehr guten Anstaltsbeirat gibt. Das würde ich mir auch für die JVA Büren wünschen. Das Problem in Sachen Anstaltsbeirat ist, dass es zwar durchaus schon Versuche von Leuten, die der ganzen Sache gegenüber etwas kritischer eingestellt sind, gegeben hat, Mitglied im Beirat zu werden, allerdings dann ­ so geschehen im Falle eines Professors von der Uni Paderborn, der auch in den Beirat gewählt worden ist ­ wieder vom Justizministerium außer Amt gesetzt worden sind. ­ Wir brauchen sicherlich auch Personen, zum Beispiel im Anstaltsbeirat, die kritisch sind.

Was mir aber eher vorschwebt, ist ein Modell, bei dem man versucht, sich auf Augenhöhe zu begegnen, Probleme anzusprechen und wo verschiedenste Beteiligte an den Gesprächen teilnehmen. Sicherlich wird sich das eine oder andere Problem nur mit Finanzmitteln lösen lassen. Auch das wird ein Punkt sein. Aber gerade, wenn es um die Inhaftierung von unschuldigen Menschen geht, müssen wir bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen. Da müssen wir auf einer Augenhöhe diskutieren und sehen, wie man eine Beschwerdestelle einrichten und auch einsetzen kann, damit es zum Beispiel nicht nur ­ wie Herr Strohmeyer gesagt hat ­ eine „Palaver-Stunde" mit den Gefangenen gibt. Da müsste man überlegen, wie man die Gefangenen viel besser einbeziehen kann. Eine „Palaver-Stunde" ist aus meiner Sicht überhaupt nicht ausreichend.

Vielleicht noch zu einem kurzen Satz, der zu den Strafgefangenen gefallen ist. ­ Die JVA Büren bringt Straftäter in Kurzzeithaft als auch Abschiebehäftlinge zusammen in einem Gefängnis unter. Die sind in Abteilungen getrennt. Das ist ein klarer Punkt.

(Volker Strohmeyer: In Häusern!)

­ Sie sind in Häusern getrennt, das ist ein klarer Punkt. Aber das große Problem ist, dass es trotzdem immer wieder zu Berührungspunkten kommt.

(Thomas Stotko [SPD]: Wann und wo gibt es Berührungspunkte?)

­ Die Berührungspunkte gibt es zum Beispiel in der Besuchsabteilung. Die Berührungspunkte sind zum Beispiel bei Gängen über den Hof, usw. Die Berührungspunkte sind auch in der Krankenabteilung. Durch die Berührung, die dort stattfindet, werden wir irgendwann an Grenzen stoßen.

Selbst wenn jetzt im Landtag ein Gesetz verabschiedet würde, dass es dort zu einer Verbesserung der Haftbedingungen kommt, dass zum Beispiel Handys zugelassen würden, würde sofort das Argument der Sicherheit und Ordnung kommen, sprich: dass es nicht gehe, weil Strafgefangene keine Handys haben dürfen. Deshalb sind wir der Meinung, dass die existierende Richtlinie, die Rückführungsrichtlinie, ganz klar umsetzen und ganz klar komplett getrennte Gefängnisse schaffen müssen. In der JVA Büren dürfen keine Kurzzeitstraftäter untergebracht werden, denn es muss eine reine Abschiebungshaftanstalt sein, wie es über Jahre möglich war.

Anna Conrads (LINKE): Ich habe noch ganz kurze Fragen an Herrn Strohmeyer. Zu den Arbeitsverhältnissen: Werden die 10 pro Tag ausgezahlt oder wird ein Teil einbehalten? Wenn ja, wie hoch ist der? Gibt es eine Dolmetschung bei der ArztKonsultation? ­ Freie Arztwahl gibt es ja nicht, das haben Sie ja gerade gesagt. Es kommen zwar Ärzte, aber eine freie Arztwahl gibt es nicht. Wird gedolmetscht?

Dann würde ich gern noch zu der Frage der Gefährder wissen: Von wem wird Ihnen das mitgeteilt? ­ Sie bekommen es von offizieller Stelle mitgeteilt, dass bei Ihnen ein Gefährder einsitzt?

Falls noch Zeit ist, würde ich Herrn Habbe bitten, vielleicht eins von den Beispielen zu erzählen, die er gerade angedeutet hat.