Finanzamt

Nach seiner Aussage konnten aufgrund des Personalmangels nicht alle Konten ausgewertet werden.

Der Zeuge Gloe-Anheißer bestätigte, dass die Überlegungen zu Eingrenzungen der Verfahren entstanden waren vor dem Hintergrund der unzureichenden Personalausstattung der Steuerfahndung (UNA 16/1/14, S. 6 f.). Zwar sei das Personal aufgestockt worden, aber nach Auffassung der Steuerfahndung und der Strafsachenstelle (Zitat): „... noch nicht genug, um diesen Berg zu bewältigen" (ebda., S. 8).

Daraus ist zu folgern:

Die Amtsverfügung 2001/18 des Finanzamtes Frankfurt am Main V war Resultat einer personellen Unterausstattung der Steuerfahndung dort. Sie entstand auf Grund einer von allen Beteiligten in der Steuerverwaltung als demotivierend, zumindest aber als äußerst unbefriedigend wahrgenommenen Arbeitssituation.

Die Verfügung sollte eine Handhabe für eine selektive Abarbeitung der beschlagnahmten Bankunterlagen geben. Dabei wurde wissentlich in Kauf genommen, dass ein Teil dieser Akten nicht oder nicht vollständig würde gesichtet werden können.

Die Bewertung der Amtsverfügung als „materiellrechtliches Nullum" (Zeuge StA Weimann, Protokoll UNA 16/1/12) kann nicht darüber hinweg täuschen, dass sie einen Handlungsrahmen vorgab, innerhalb dessen so verfahren wurde, wie von Zeugen geschildert, und die zudem Irritationen unter den Fahndern hinsichtlich deren Aufgabenerfüllung verursachte.

Die Aussage des Zeugen Michaelis ((UNA 16/1/14, Seite 80, Zitat: „Wenn es (das Verfahren. Die Verf.) normal abgearbeitet worden wäre, dann wären die (eine bestimmte Bank. Die Verf.) eben als Nächste dran gewesen")) macht deutlich, dass zumindest ein Teil der Verfahren als Resultat der Amtsverfügung nicht in der üblichen und rechtlich gebotenen Art und Weise abgearbeitet worden war.

Für die Fahnder erschwerend kam denn auch hinzu, dass die Entscheidung, welche Institute sofort geprüft werden sollten und welche (noch) nicht, für sie nicht durchschaubar war (Zeuge Michaelis ebda., Seite 81).

Darüber hinaus hatte die Zeugenbefragung ergeben, dass die Landesregierung sehr wohl, und zwar in Person von Staatssekretär Abeln, über die Personallage informiert worden war. In einem Schreiben des Finanzamtsvorstehers Schneider-Ludorff zur Vorbereitung eines Gespräches am 25. Juli 2001, in dem es um die Amtsverfügung 2001/18 ging, wurde er als Teilnehmer genannt.

Die Landesregierung reagierte aber nicht, wie dies spätestens nach Erlass der Amtsverfügung 2001/18 erforderlich gewesen wäre.

Die Bedenken, Warnungen und Beschwerden aus den Reihen der Steuerfahndung wurden nicht beachtet.

In einem Schreiben vom 9. Juli 2003 unter anderem an den Ministerpräsidenten machten Steuerprüfer und Fahndungshelfer auch Bedenken gegen die geplante Absenkung des Personallenkungssolls der Steuerfahndung in Frankfurt V aufgrund der schon seit Jahren nicht mehr zu bewältigenden Arbeitsbelastung geltend.

Eine auch nur annähernd angemessene Reaktion der Landesregierung erfolgte nicht.

Durch die Ignoranz aller warnenden Hinweise und der offensichtlichen personellen Engpässe mit den bereits geschilderten Ergebnissen für die Strafverfolgung nahm die Landesregierung billigend in Kauf, dass nicht alle Verfahren würden abgeschlossen werden können, und schließlich auch nicht abgeschlossen wurden. Damit nahm sie weiterhin in Kauf, dass eine erhebliche Zahl von Steuerhinterziehungen und Steuerverkürzungen durch ins Ausland transferierte Gelder nicht verfolgt und damit auch nicht aufgeklärt werden konnte.

Obwohl der Landesregierung im Zusammenhang mit der Amtsverfügung die Bedenken und warnenden Hinweise zur mangelnden Personalausstattung bekannt waren, verteidigt sie die Verfügung in unverantwortbarer Weise bis heute als richtig und notwendig und stellt sie nicht in Frage.

B. 3.: Zu Punkt 3 des Einsetzungsantrages: Zitat: „Es ist zu klären, ob und in welchem Umfang durch die von der Landesregierung seit April 1999 zu verantwortende Praxis bei der Verfolgung von Steuerstraftaten im Zusammenhang mit dem so genannten Bankenverfahren dem Land Hessen ein finanzieller Schaden entstanden ist." Untersuchungsergebnis:

Zwar konnte im Zuge der Zeugenbefragungen nicht ermittelt werden, in welcher konkreten Höhe dem Land durch die Nichtbearbeitung von Banken- und/oder Anlageverfahren finanzieller Schaden entstanden ist. Es ist aber offenkundig, dass ein Mehrergebnis bei Abarbeitung aller Verfahren erzielbar gewesen wäre. So ist auch die Aussage des Zeugen Michaelis zu werten (UNA/16/1/14, S. 79 f.) Direkt angesprochen auf einen Schaden für das Land sagte er aus, dass er dies nicht abschließend beurteilen könne, denn (Zitat:) „Es sind Jahre nicht erfasst. Wenn ich Beträge nicht erfasse, kann ich sie in diese Berechnung nicht einbeziehen" (UNA 16/1/14, S. 83).

Es ist sicher, dass durch eine frühzeitige und vor allem angemessene Reaktion seitens der Landesregierung dem hätte begegnet werden können. Der Verweis der Ausschussmehrheit auf das trotzdem erzielte ­ und aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ­ lobenswerte Ergebnis der Steuerfahndung kann vor diesem Hintergrund nicht befriedigen.

B. 4.: Zu Punkt 4 des Einsetzungsantrages: Zitat: „Zudem ist aufzuklären, ob Finanzminister Karlheinz Weimar den Haushaltsausschuss des Landtages in dessen Sitzung am 20. August 2003 über die Ermittlungstätigkeit der Steuerfahndung und die Verfolgung bei Steuerverfahren mit hinreichendem Anfangsverdacht in den so genannten Bankenverfahren seit April 1999 vollständig, umfassend und wahrheitsgemäß informiert hat." Untersuchungsergebnis:

In der öffentlichen Sitzung des Haushaltsausschusses 16/3 am 20.08.2003 sagte Finanzminister Weimar wörtlich (Zitat): „Alle Verfahren sind nach der Amtsverfügung und der Abgabe an die Wohnsitzfinanzämter auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht geprüft worden, kein Verfahren wurde ohne entsprechende Sichtung abgeschlossen" (S. 9 ebda.). „Hier ist niemand laufen gelassen worden, hier ist schnell der Steueranspruch des Staates realisiert worden, hier sind die Strafverfahren parallel weitergeführt worden an der Stelle, an der sich die Notwendigkeit ergeben hat" (S. 12 f. ebda.).

Diese Behauptungen wurden im Laufe der Zeugenvernehmung widerlegt.

(Siehe hierzu Untersuchungsergebnis zu Punkt 2 des Einsetzungsantrages.)

Der Untersuchungsausschuss brachte ebenfalls in Erfahrung, dass der damalige Finanzstaatssekretär Abeln im Zusammenhang mit der Versetzung eines Steuerfahnders von Frankfurt nach Darmstadt die Unwahrheit gesagt hatte. Staatssekretär Abeln behauptete gegenüber dem „Spiegel", dass die Versetzung mit der vorgebrachten Kritik gegen die Amtsverfügung 2001/18 (Zitat:) „in keinem Zusammenhang steht" („Der Spiegel", Ausgabe vom 11.8.2003 „Amnestie durch die Hintertür").

Es stellte sich jedoch im Laufe der Befragungen heraus, dass die Versetzung sehr wohl darauf zurück zu führen war.

Finanzamtsvorsteher Schneider-Ludorff konnte dem Ausschuss denn auch keine überzeugende sachliche Begründung für die Versetzung geben. Nach Aussage des betroffenen Zeugen Pisch gab es dafür auch keinen anderen Grund als seine Kritik. Er bezeichnete seine Versetzung als „eine Strafmaßnahme" (UNA 16/1/14, S. 55).

C. Ergebnis des Untersuchungsausschusses UNA 16/1

Entgegen der Mehrheitsmeinung im Ausschuss hat die Untersuchung eindeutig ergeben, dass die Landesregierung Verantwortung für die Nichtbearbeitung von Unterlagen aus den Banken- und Anlegerverfahren trägt, und damit auch die Verantwortung dafür, dass nicht unerhebliche Mehreinnahmen für das Land nicht erzielt werden konnten.

Sie hat sowohl alle Warnungen vor den Auswirkungen mangelnder Personalausstattung der Steuerfahndung beim zuständigen Finanzamt Frankfurt am Main V als auch vor denen der daraufhin entstandenen Amtsverfügung 2001/18 (monetäre Untergrenze, Abgabe an die Veranlagungsfinanzämter) bewusst ignoriert.

Damit hat sie die Schonung von Steuerstraftätern in Hessen und damit verbunden einen Schaden für den Landeshaushalt billigend in Kauf genommen.

Abweichender Bericht der Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Teil II ­ Wesentliches Untersuchungsergebnis

B. Feststellungen zu den Fragenkomplexen

Auf der Grundlage des durch den Untersuchungsausschuss ermittelten Sachverhalts ergeben sich für die im Untersuchungsauftrag aufgeführten besonderen Fragekomplexe daher folgende zusammenfassende Feststellungen:

1. Es ist dabei zu klären, wie oft und in welchem Umfang seit April 1999 die Landesregierung durch veranlasste Amtsverfügung oder auf andere Weise gegenüber den Finanzbehörden, insbesondere dem Finanzamt Frankfurt am Main V, die strafrechtliche und/oder steuerrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und/oder Steuerverkürzung durch ins Ausland transferierte Gelder vereitelt oder der Vereitelung Vorschub geleistet hat.

Durch die Beweisaufnahme konnte keine von der Landesregierung politisch motivierte Vereitelung der Verfolgung strafrechtlicher und/oder steuerrechtlicher Steuerhinderziehung und/oder Steuerverkürzung oder ein der politisch gewollten Vereitelung Vorschub leistenden Verhalten der Landesregierung nachgewiesen werden. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Strafvereitelung wurde eingestellt. Die Formulierung in der Amtsverfügung insbesondere zu den Kriterien, ab wann ein Anfangsverdacht zu bejahen ist, haben sich als untauglich, missverständlich und für die Motivation der Steuerfahnder als abträglich erwiesen. Letztlich hat die Amtsverfügung auch deshalb zu keiner Vereitelung der Verfolgung strafrechtlicher und/oder steuerrechtlicher Steuerhinderziehung und/oder Steuerverkürzung geführt, weil der Teil, der den Anfangsverdacht definiert, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Steuerverwaltung materiellrechtlich nicht beachtet wurde. Sie haben in ihrer Arbeit stattdessen auf einen anderen Passus in der Amtverfügung Bezug genommen, der weiter Einzelfallprüfungen ermöglicht hat. Außerdem hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die handwerklichen Schwächen bei der Erarbeitung und der Formulierung der Amtsverfügung und die daraus resultierenden Irritationen innerhalb der Steuerverwaltung auf massive Probleme in der Organisation der Steuerverwaltung insgesamt und in der Führungsstruktur des Finanzamtes Frankfurt am Main V im besonderen hinweisen.

Das Finanzministerium hat diesen Sachverhalt zu spät oder gar nicht erkannt und nicht eingegriffen.

Veranlasst war die Amtsverfügung von der Oberfinanzdirektion. Diese sah keine weitere Möglichkeit der Personalaufstockung für die Bearbeitung der Bankenfälle. Der nach wie vor hohe Arbeitsaufwand sollte daher durch weitere Synergien und veränderte Organisation erreicht werden. Die Landesregierung war über die Personalsituation und die Anwendung der Amtsverfügung 2001/18 ständig informiert. Die Amtsverfügung wäre unnötig gewesen, wenn früher noch mehr Maßnahmen zur personellen Verstärkung getroffen worden wären, um die Masse der Verfahren zu bewältigen. In der Abwägungen mit dem Personalbedarf in anderen Bereichen der Steuerfahndung wurde sich gegen eine noch stärkere Aufstockung des Personals für die Bearbeitung der Bankenverfahren entschieden.

Die Amtsverfügung betraf die noch nicht bearbeiteten Restfälle aus dem Massenverfahren um mehrere Großbanken. Das Finanzamt Frankfurt musste hier in bestimmten Bereichen Verfahren für die ganze Bundesrepublik vorbereiten. Es hat sich gezeigt, dass die Steuerfahnder vor Erlass der Amtsverfügung hier großen Einsatz gezeigt haben und hier eine große Steigerung der erledigten Fallzahlen gegenüber den sonst üblichen Zahlen erreicht wurde. Trotzdem war über lange Zeit ein ungewöhnlich hoher Arbeitsstand zu verzeichnen, der so nicht mehr zu bewältigen war. Deshalb wurden die jeweils örtlich für den Steuerpflichtigen zuständigen Veranlagungsteilbezirke in das Prüfungsverfahren unmittelbar mit eingebunden.

Durch die Einbeziehung der Wohnsitzfinanzämter wurden die quantitativen Arbeitskapazitäten zur Bearbeitung der Bankenfälle erhöht, wobei der Schwerpunkt auf die Steuerfestsetzung und nicht auf die strafrechtliche Verfolgung gelegt wurde. Ob die Wohnsitzfinanzämter qualitativ eine mit der Bearbeitungsweise vor der Amtsverfügung vergleichbare Arbeit leisten konnten, konnte abschließend nicht geklärt werden.

2. Es soll aufgeklärt werden, in welchen Umfang seit April 1999 durch unzureichende und von der Landesregierung zu verantwortende Personalausstattung der Finanzbehörden Hessen, insbesondere der Steuerfahndung der strafrechtlichen und/oder steuerrechtlichen Verfolgung von Steuerhinterziehung und/oder Steuerverkürzung durch ins Ausland transferierte Gelder vereitelt oder der Vereitelung Vorschub geleistet wurde.