Migration

Insofern sind wir gerne bereit, diesen Weg mit zu erproben.

Franz Heuel (Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Romberg hat angemerkt, dass unsere Stellungnahme zum Gesetzentwurf sehr kurz ausgefallen sei, und das mit einer positiven Bewertung verknüpft. Ich möchte unsere Position mit zwei Punkten begründen, die für uns wesentlich sind.

Ein Punkt ist die Regelung in § 8 des Gesetzentwurfes, wonach berufliche Integration eine wesentliche Voraussetzung auch für gesellschaftliche Teilhabe darstellt. Da fehlt es sicherlich ­ das hat Herr Limbach in der ersten Runde zum Ausdruck gebracht ­ an der einen oder anderen Stelle an Konkretisierungen. Allerdings ist die Arbeitsmarktpolitik überwiegend Bundesangelegenheit, wodurch die Handlungsmöglichkeiten des Landes entsprechend einschränkt sind.

Der zweite für uns sehr positive Punkt ist, dass im Gesetz die Sprachförderung bzw. die Notwendigkeit des Erlernens der deutschen Sprache festgeschrieben ist, einschließlich einer Sprachförderung, die durch das Land unterstützt wird.

Das sind die beiden wesentlichen Punkte, auf die wir uns in unserer Stellungnahme bezogen haben.

Herr Dr. Romberg hat auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse angesprochen. Das Gesetz hierzu ist am 4. November im Bundesrat verabschiedet worden. In der Folge wird es darum gehen, die praktische Umsetzung im Land zu regeln.

Zurzeit läuft das ­ zumindest, was die Beratung zur Anerkennung angeht ­ über unsere Zentralstelle für Auslandsvermittlung, ZAV, in Bonn. Da wird man sicherlich sehr schnell neue Strukturen angehen müssen.

Zudem hat Herr Dr. Romberg die Potenziale von Migranten insbesondere vor dem Hintergrund der Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs angesprochen und gefragt, inwieweit eine weitere Spezifizierung dieser Potenziale notwendig sei. Eine solche Spezifizierung ist aus unserer Sicht nicht notwendig und auch nur sehr schwer zu realisieren. Für uns gilt der Grundsatz, dass es die Potenziale, die wir bei Nichtmigranten in unterschiedlicher Form vorfinden, ebenso bei Migranten gibt.

Tayfun Keltek (Landesintegrationsrat NRW): Zur politischen Partizipation sehe ich eine ganze Reihe positiver Aspekte in diesem Gesetzentwurf, ebenso zu den Änderungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, des Wohn- und Teilhabegesetzes sowie zur Vertretung der Migrantinnen und Migranten auf Landesebene.

Das sind sehr positive Änderungen, die in einer demokratischen Gesellschaft wie der unseren sehr gut funktionieren werden. Daher sollte auch jeder Mensch politisches Stimmrecht bzw. politische Rechte erhalten, damit er sich entfalten und der Integrationsprozess vollendet werden kann.

Natürlich ist das Bundeskompetenz, aber bei dieser Gelegenheit ­ der Verabschiedung eines so wichtigen Gesetzes wie diesem ­ sollte Folgendes nicht ignoriert wer den: die Einführung des kommunalen Wahlrechtes für alle Migrantinnen und Migranten, ebenso die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes zur Erleichterung der Einbürgerung von Inhabern der doppelten Staatsangehörigkeit. Es würde uns sehr freuen, wenn es mindestens einen Hinweis darauf geben würde, dass sich das Land im Bundesrat für diese Inhalte einsetzen wird. Wir sollten bei dieser Gelegenheit auf Bundesebene ein wichtiges Signal für die Öffentlichkeit zu setzen.

Etwas, was in der Kompetenz dieses Landes liegt, ist die Änderung des § 27 der Gemeindeordnung. Dieses Gesetz könnte ohne Weiteres die Kompetenzen der Integrationsräte verbessern. Die Vorarbeit dafür haben wir schon geleistet. Wir würden uns wünschen und erwarten, dass in diesem Artikelgesetz auf § 27 der Gemeindeordnung hingewiesen wird, damit die Integrationsräte noch besser funktionieren als bisher.

Ein letzter Punkt: die Möglichkeiten der Bestattung. Wir werden auf Landesebene sehr oft von unseren Mitgliedern auf eine Vereinheitlichung angesprochen. Dieses Thema wird in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich behandelt. Vielleicht könnte in den Richtlinien zumindest eine einheitliche Empfehlung in den Kommunen angeregt werden, damit die in den Kommunen sehr unterschiedliche Handhabung nicht falsch verstanden wird.

Dr. Uwe Hunger (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich ebenfalls dafür, hier als Sachverständiger eingeladen worden zu sein.

Ich vertrete den Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Von uns liegt noch keine schriftliche Stellungnahme vor, da ich diesen Termin recht kurzfristig übernommen habe. Ich kann sie aber nachreichen.

Ich darf aber sagen, dass der Sachverständigenrat dieses Gesetz grundsätzlich begrüßt und es als einen Schritt auf dem richtigen Weg ansieht. Man muss zwei Funktionen des Gesetzes unterscheiden: seine symbolische Funktion und seine materielle Funktion.

Zur symbolischen Funktion: Es ist ein Zeichen über Nordrhein-Westfalen hinaus, dass sich ­ das war die Ausgangsfrage ­ die Integrationspolitik in Deutschland modernisiert und wir unseren Weg weitergehen, der um die Jahrhundertwende mit der Greencard-Initiative, dem Zuwanderungsgesetz etc. begonnen hat. Wir haben in vielen Ländern Integrationsminister. Nordrhein-Westfalen wäre nun das erste Flächenland, das ein Integrationsgesetz hat. Diese symbolische Wirkung sollte nicht unterschätzt werden ­ gerade auch im Ausland. Wir haben jetzt sehr viel über Nordrhein Westfalen gesprochen. Aus meinen vorhergehenden Forschungen weiß ich, dass solche Dinge auch über Deutschland hinaus wahrgenommen werden. Es geht darum, als Zuwanderungsland auch für hochqualifizierte Zuwanderer attraktiv zu sein.

Wir begrüßen auch die symbolische Wirkung nach innen: durch viele kleinere Änderungen beispielsweise im Schulgesetz oder dadurch, dass kulturelle Kompetenz als Wert vermittelt werden soll. Weil das viele Bereiche betrifft, ist dies ein wichtiges Signal an die Bevölkerung.

Ich komme zur materiellen Funktion des Gesetzes. Dabei stehen die kommunalen Integrationszentren im Mittelpunkt. Ich stimme mit der Kollegin Manemann überein, dass gerade Kinder und Jugendliche der Schlüsselbereich sind, auf den sich die Integrationszentren werden konzentrieren müssen. Wir würden das um die frühkindliche Erziehung ergänzen wollen, dass das also nicht erst im Elementarbereich anfängt, sondern möglichst früh. Vielleicht wären hier einheitliche Länderstandards im Sinne einer Qualitätssicherung sinnvoll.

Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass auch der Begriff „Hausaufgabenbetreuung" irgendwo festgehalten wird. Ich habe beobachtet, dass das eine Schlüsselgröße im Integrationsprozess ist. Natürlich geht es darum, Informationen und Vernetzung zu schaffen, aber ganz konkret ist auch die Betreuung nach der Schule von Bedeutung.

Im Rahmen der Hausaufgabenhilfe sollte die Rolle der Migrantenselbstorganisation gestärkt und möglicherweise auch explizit erwähnt werden; denn sie übernimmt dort eine wichtige Funktion.

Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Integration findet auch über Wirtschaftspolitik und über Bildungspolitik statt, Stichwort „Ganztagsschulen". Das wird mit diesem Gesetz nicht berührt. Konkret könnte aber die Betreuung über den Halbtagsschulbetrieb hinaus sichergestellt werden. Das ist eine inhaltliche Anregung.

Mit Sicherheit richtig und wichtig ist es auch, die interkulturelle Öffnung zu konkretisieren. Die angegebenen Zahlen von 2 % bis 3 % im öffentlichen Dienst sind da noch deutlich zu wenig. Insofern würden wir uns hier konkrete Ansätze zu einer Verbesserung wünschen.

Wie erwähnt sind auch andere Bereiche für die Integration von Bedeutung. Integration kann nicht mit einem einzigen Gesetz erreicht werden. Es ist auch eine Arbeitsmarktfrage und eine Bildungsfrage. Ich möchte mich der Feststellung Herrn Keltek anschließen, dass der Aspekt der politischen Partizipation stärker betont werden könnte. Ich würde nicht so weit gehen, Forderungen nach einem kommunalen Wahlrecht für Ausländer zu stellen. Unter pragmatischen Gesichtspunkten ist das kein Projekt, das schnell umzusetzen wäre. Vielleicht sollte aber ein Hinweis in das Gesetz aufgenommen werden, stärker für die Einbürgerung bzw. die deutsche Staatsbürgerschaft zu werben. Natürlich ist das Bundesrecht. Aber nach meiner Einschätzung ist es eine Fehlwahrnehmung bei vielen Ausländern ­ hier kann ich dieses Wort benutzen ­, dass die Staatsbürgerschaft nicht nur eine symbolische oder eine identitäre Funktion besitzt, sondern eben auch eine Funktion im politischen Prozess. Es ist sehr zu begrüßen, dass es hierzu in Nordrhein-Westfalen einen überparteilichen Konsens gibt. Wichtig ist aber auch, Ausländern vor Augen zu führen, dass sich das nicht darauf beschränkt, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen, sondern dass sie dadurch die politische Konstellation selbst sehr stark mit beeinflussen können. Mir fehlt hier die Aufklärungsarbeit, dass, wenn man ein Wahlrecht hat, politische Akteure ganz anders auf eine Klientel eingehen. Das ist auch ein Strukturproblem in der Integrationspolitik der Bundesrepublik Deutschland gewesen.