Ich würde das um eine solche Rücksichtnahmeklausel in Bezug auf das Handwerk ergänzen

Landtag Nordrhein-Westfalen - 79 - APr 15/59

Ausschuss für Kommunalpolitik (6.) 05.11.

Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (4.) fi mit Freude gelesen, dass auch Herr Faber in seiner Stellungnahme ­ bei an sich wohlwollender Unterstützung des Entwurfs ­ diese Zweckrichtung aufgenommen hat.

Ich würde das um eine solche Rücksichtnahmeklausel in Bezug auf das Handwerk ergänzen. Diese Rücksichtnahmeklausel ist übrigens nicht meine Erfindung. Diese Rücksichtnahmeklausel ist in einem Gutachten des Kollegen Jarass vor vielen Jahren in die Welt gesetzt worden. Dieses Gutachten hat Kollege Jarass im Auftrag des VKU erarbeitet, und dort sah er eine Rücksichtnahmeklausel für den Fall vor, dass verbundene Dienstleistungen zugelassen werden.

Das ist also der erste Punkt: Der Tatbestand „verbundene Dienstleistungen" ist enger zu fassen. Dass man in der Gesetzesbegründung ein paar Beispiele aufzählt, ist in Ordnung. Noch wichtiger ist es aber, das im Text selber sicherzustellen. Sonst besteht hier ein verfassungsrechtliches Risiko, weil letztlich Handwerksleistungen überörtlich erbracht werden könnten. Das ist mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar.

Das Zweite betrifft den Komplex der rechtlichen Privilegien und Vorteile. Auch da besteht eine Divergenz zwischen dem jetzt vorgelegten Entwurf und dem CDU-Entwurf.

Ich versichere noch einmal, dass es mir bei dem Thema nie darum gegangen ist, irgendeiner parteipolitischen Seite etwas Gutes zu tun. Ich habe diesen Teil immer als einen Absicherungsteil in Bezug auf das Risiko verstanden, das die überörtliche Betätigung beinhaltet.

Herr Janning ist jetzt leider nicht mehr da. Er hat vorhin gesagt: In Bezug auf die überörtliche Betätigung sind wir uns alle einig. ­ Ich könnte Ihnen sofort zehn staatsrechtliche Kollegen präsentieren, die das, was wir diskutieren, für „grottenverfassungswidrig" halten. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis irgendein privater Konkurrent gegen eine überörtliche Betätigung mit einer Konkurrentenklage vorgeht. Und dann liegen diese Fragen inzident auf dem Tisch eines Gerichts. Also, wenn wir die energiewirtschaftliche Betätigung öffnen wollen, müssen wir dieses und den Abbau folgender drei Dinge ins Kalkül ziehen: Erstens. Es darf keine öffentlich-rechtliche Form für diese Betätigung gewählt werden. Denn die öffentlich-rechtliche Form der Anstalt ist nach wie vor insolvenzsicher, und dadurch bieten sich ihr bessere Finanzierungsmöglichkeiten.

Zweitens. Die Haftung muss für den Notfall der Insolvenz auf das Stammkapital beschränkt sein.

Der dritte Punkt betrifft die Vorzugskonditionen. Herr Dr. Janning hat vorhin gesagt:

Das steht nicht im Gesetz. ­ Das ist nicht ganz richtig. Es steht im Gesetz, und zwar in der jetzt vorliegenden Gemeindeordnung. Es steht übrigens auch nach der Reform immer noch im Gesetz. In dem Drucksachenpapier der SPD, Seite 9, finden Sie das unter § 108 Nr. 10, und zwar für den Bereich der Telekommunikationsunternehmen.

Da finden Sie eine Beschränkung auf das Stammkapital und den Ausschluss. Ich zitiere: Zur Wahrnehmung gleicher Wettbewerbschancen darf die Gemeinde für diese Unternehmen ­ gemeint ist die Telekommunikation ­ weder Kredite nach Maßgabe kommunalwirtschaftlicher Vorzugskonditionen in Anspruch nehmen noch Bürgschaften und Sicherheiten leisten. ­ Das ist 1997 durch einen Entwurf von SPD und Landtag Nordrhein-Westfalen - 80 - APr 15/59

Ausschuss für Kommunalpolitik (6.) 05.11.

Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (4.) fi Bündnis 90/Die Grünen ins Gesetz gekommen. Ich verstehe nicht, warum das nicht auch für die energiewirtschaftliche Betätigung gelten soll. Ich würde sogar sagen:

Wenn man das nicht darauf erstreckt, schafft man ein neues Gleichheitsproblem.

Nun mag es sein, dass der Vorzugskredit in dem Bereich faktisch keine Rolle spielt.

Dafür bin ich kein Fachmann, aber ich finde, wir werden dafür nichts Empirisches finden. Wenn es nun keine Rolle spielt, Herr Pehlke, dann können Sie auch nicht so vehement dagegen streiten, dass man es ins Gesetz schreibt. Dann würde Sie das Verbot auch gar nicht treffen. Wie gesagt, im Sinne eines Gesamtpakets ist es notwendig, diese sogenannten rechtlich begründeten Vorteilsstellungen abzubauen.

Denn sonst besteht das Risiko, dass einem die gesamte Zulassung der Überörtlichkeit um die Ohren fliegt. Das ist das Anliegen. Im Übrigen stimmt die Richtung. Es ist richtig, die energiewirtschaftliche Betätigung auszugliedern.

Zu Sachsen-Anhalt. Das ist eine andere Dimension. Wir alle wissen, dass es in Nordrhein-Westfalen wesentlich mehr leistungsstarke Unternehmen und wesentlich mehr Kommunen, die solche Unternehmen tragen, gibt. Bundesweit wird auf das geschaut, was heute hier gemacht wird. Und auf Sachsen-Anhalt hat man nicht in dem gleichen Maße geschaut. Das heißt aber auch, dass sich die gesamte verfassungsrechtliche Diskussion hier entzünden wird, während in Sachsen-Anhalt die meisten das nicht zur Kenntnis genommen haben. Deswegen sind wir Pioniere, und deswegen ist es Neuland. Noch einmal: Wenn man in eine neue Wand einsteigt, sollte man sich so weit wie möglich absichern. ­ Das ist jedenfalls das, was man als Rechtswissenschaftler dazu sagen kann.

Prof. Dr. Ralf-Michael Marquardt (Fachhochschule Gelsenkirchen): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich als Wissenschaftler mit der Situation auf den Elektrizitätsmärkten. Daher bin ich frei von jedweden Partikularinteressen. Das Einzige, was ich permanent suche, ist die Wahrheit. Einen Teil meiner Erkenntnisse möchte ich heute an Sie weitergeben. Insofern beschränken sich meine Aussagen ausschließlich auf den § 107 a und die Positionierung der Stadtwerke.

Das alte Motto „Privat vor Staat" war meiner Einschätzung nach ein vergleichsweise naives, blickverengendes Motto gewesen, mit dem man der Problematik überhaupt nicht gerecht wurde. Man sollte die Problematik ganzheitlich betrachten und erkennen, dass es sich um ein recht kompliziertes Geflecht einer Dreiecksbeziehung handelt. Hier gibt es zum einen die Stadtwerke Nordrhein-Westfalens. Dann haben wir als weitere Akteure die vier großen Anbieter und die Stadtwerke anderer Bundesländer, die weniger restriktiv reguliert sind. Auf der dritten Ebene haben wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Freiberufler und die Handwerker. Diese Dreigliedrigkeit strukturiert eigentlich auch meine Argumentation.

Wenn wir uns zunächst einmal das Beziehungsgeflecht zwischen den großen vier Anbietern und den kleinen und mittelständischen Unternehmen hier in Nordrhein Westfalen ansehen, dann müssen wir eines zur Kenntnis nehmen: Die großen Vier sind im reinen Versorgungsbereich kartellrechtlich an ihre Expansionsgrenzen geLandtag Nordrhein-Westfalen - 81 - APr 15/59

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Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (4.) fi stoßen. Dort ist nicht mehr viel zu holen. Das heißt, man sucht sich neue Betätigungsfelder, und nicht umsonst haben alle großen vier Stromkonzerne eindeutig gesagt: Die neuen Energiedienstleistungen sind unsere Zukunftsfelder, und hier wollen wir uns engagieren. ­ Das sind Akteure, die Macht haben. Das sind Akteure, die bei der Eroberung von Märkten ausgesprochen gründlich vorgehen. Und das Ganze fängt jetzt erst an.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass diese Akteure über ausgesprochen günstige Refinanzierungsbedingungen verfügen; diese sind viel günstiger als die unserer Stadtwerke. Sie brauchen nicht einmal Banken, sondern emittieren einfach Anleihen und kommen dann ausgesprochen zinsgünstig an ihr Geld. Wer vor diesem Hintergrund glaubt, viele dieser Annexgeschäfte könnte man als Reservat für Klein- und Mittelständler sichern, dem kann ich eigentlich nur zurufen: Träumen Sie weiter!

Viele dieser Geschäfte werden schlicht und ergreifend entweder von den großen Vier okkupiert werden, oder wir geben unseren Stadtwerken hier in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, dort mitzuspielen. Vor diesem Hintergrund sollten vielleicht auch Handwerker und Freiberufler in Bezug auf die verbleibenden Geschäfte überlegen, mit wem sie lieber zusammenarbeiten wollen. Wollen sie lieber mir den großen Vier und ihrer Nachfragemacht und ihrem Shareholder-Value-Gedanken zusammenarbeiten, oder wollen sie lieber mit den Stadtwerken zusammenarbeiten? ­ Das ist ein Aspekt meiner Überlegungen.

Der zweite Aspekt beschäftigt sich mit dem Beziehungsgeflecht zwischen den Stadtwerken und den großen Vier. Diese Akteure begegnen sich auf zwei Märken. Zum einen begegnen sie sich auf dem reinen Energiemarkt, und hier bin ich im Gegensatz zu vielen Vorrednern der Meinung: Dieser Markt hat bisher mit Blick auf die Liberalisierung versagt. Ein ernsthafter Wettbewerb ist bisher noch nicht zustande gekommen. Das macht sich übrigens auch an den Daten des Statistischen Bundesamtes bemerkbar. Wenn Sie aus diesen Daten die Gewinne herausrechnen, die im Bereich der Elektrizitätsversorgung über alle Größenklassen hinweg ­ und damit auch in den Stadtwerken ­ erzielt worden sind, dann sehen Sie, dass solche Gewinne bei völligem Wettbewerb eigentlich nicht zustande kommen können.

Es gibt allerdings ­ und da gebe ich meinen Vorrednern recht ­ Indizien dafür, dass sich der Wettbewerb allmählich belebt. Das wird die Stadtwerke treffen. Sie werden sich nochmals anpassen müssen, und obendrein werden die Stadtwerke mit Einmaldruck vonseiten der Anreizregulierung konfrontiert sein. Die Anreizregulierung ist in diesem Jahr losgegangen und wird die Stadtwerke hinsichtlich der Netze kontinuierlich unter Druck setzen. Ab dem Jahr 2018 gibt es eine Anschlussregelung, und alles sieht so aus, als würde diese Anschlussregelung viel härter sein als die bisherige Anreizregulierung.

Dann haben wir auch noch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Auch hier ist die Position der Stadtwerke nachhaltig geschwächt worden. Vor diesem Hintergrund kommt es nach meiner Einschätzung darauf an, die Stadtwerke auf den Energiemärkten zu stärken. Die Stadtwerke auf den Energiemärkten zu stärken, kann jedoch eines nicht heißen: dass wir sie dort plötzlich in einen Preiswettbewerb schicken.