Schuldenbremse

Landtag Nordrhein-Westfalen - 73 - Apr 15/71

Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (4.) 26.11.

Haushalts- und Finanzausschuss (11.) de konsequent durchdenkt, müsste man auch alle diejenigen, die vorher das Abitur abgelegt haben, an den entsprechenden Kosten beteiligen usw. ­ Für meine Begriffe ergäbe das ein ziemliches bürokratisches Monstrum.

Daher lautet meine Frage, ob die Effekte des damit verbundenen Bürokratieaufwands nicht Ihre Gerechtigkeitsidee, die sich ja darin wiederfindet, wieder aufheben würde und insofern nicht vielleicht doch eine Erhöhung der Steuern für Besser- und Hochverdienende sinnvoller wäre.

Dr. Michael Brinkmeier (CDU): Sehr geehrter Herr Vorsitzender, ich kann Ihren Unmut über unausgegorene Mitteilungen verstehen. Wenn die erste Runde bereits gelaufen ist, ist es aber überhaupt kein Problem, schon Stellung zu beziehen. Ich möchte auch darauf hinweisen, damit es alle wissen: Ihre Jusos, Herr Schultheis, haben die ganze Zeit getwittert. Sollte der Vorsitzende den Abgeordneten Einschränkungen auferlegen, so bitte ich darum, auch solche Fälle zu unterbinden. Ich habe das schon bei Anhörungen in anderen Ausschusssitzungen erlebt und finde es auch nicht schlimm, wenn die Jusos twittern.

(Karl Schultheis [SPD]: Die können das wenigstens!)

­ Ja, Sie selbst trauen sich das nicht zu, ich weiß. Darum lassen Sie das Ihre Kolonne erledigen.

(Heiterkeit) Vorsitzender Arndt Klocke: Herr Brinkmeier, ich unterbreche Sie nur ungern ­ ich hatte meine Kritik sehr allgemein und ohne Namensnennung formuliert. Ich hätte sie auch formuliert, wenn es um SPD oder Grüne gegangen wäre. Erst auf Ihren Hinweis, dass es mehr als eine Fraktion war, kam ich darauf, dass es mehrere waren.

Das entspricht auch meiner persönlichen Auffassung, weil ich es als unfair gegenüber den Expertinnen und Experten der zweiten Runde empfinde, wenn man schon nach der ersten Runde eine Bewertung vornimmt. Ihre Anmerkungen, dass dieser Ablauf durchaus üblich sei, werde ich für kommende Anhörungen berücksichtigen.

Dabei würde ich es gern bewenden lassen.

Dr. Michael Brinkmeier (CDU): Ja. Deswegen sollten wir auch die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten der zweiten Runde gewichten, und zwar nicht nur derjenigen, die anwesend sind. Ich möchte auf die Stellungnahme 15/86 von Herrn Prof. Wörner vom DLR eingehen, die am 2. November eingegangen ist. Sie werden feststellen, dass er sich in seiner Stellungnahme ­ er war von den Grünen vorgeschlagen worden ­ nicht gegen Studienbeiträge ausspricht, sondern eine sehr ausgewogene Meinung vertritt. Im Nachgang mussten wir im Nachgang feststellen, dass Herr Wörner dann doch nicht erscheinen sollte und stattdessen Prof. Welbers zugelassen wurde. Das nur noch einmal fürs Protokoll.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 74 - Apr 15/71

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In diesem Lichte möchte ich folgende Frage an Herrn Prof. Welbers richten: Sie haben gesagt, es habe durch Gebühren überhaupt keine Qualitätsverbesserung gegeben, vielmehr seien diese in einem langjährigen Kontext erfolgt. ­ Das will ich an dieser Stelle nicht weiter kommentieren. Ich will aber die Frage stellen, ob Sie konstatieren wollen, dass es an der Heinrich-Heine-Universität hier in Düsseldorf aufgrund der Zusatzbeiträge durch die Studierenden keine Qualitätsverbesserung in der Lehre gegeben hätte.

Das Landes-Asten-Treffen würde ich im Hinblick auf nachgelagerte Studienbeiträge fragen: Wenn das Abschreckungsargument dabei nicht mehr greifen sollte, würden Sie ein solches Instrument, in welcher Form auch immer, begrüßen?

Prof. Christian Hillgruber (Deutscher Hochschulverband): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! An mich waren zwei Fragen gerichtet. Die eine Frage betraf den Kreis der Begünstigten der Mittelgarantie. In der Tat sage ich Ihnen ganz offen, dass eigentlich nicht einzusehen ist, wenn Universitäten und Fachhochschulen, die ­ aus mir unerfindlichen Gründen ­ geglaubt haben, sie bräuchten zur Verbesserung von Lehre und allgemeinen Studienbedingungen keine Eigeneinnahmen aus Studienbeiträgen, jetzt „Kompensationsmittel" bekommen. Was soll da eigentlich kompensiert werden?

Ich glaube, es geht dabei um etwas anderes, was ich ja gut verstehen kann. Es handelt sich dabei um die Hochschulen, welche in der Frage der Studienbeiträge aus Ihrer Sicht die richtige politische Auffassung vertreten haben und jetzt dafür belohnt werden sollen. Im Ergebnis habe ich aber nichts dagegen ­ da wir mit Fug und Recht noch immer von Unterfinanzierung sprechen können ­, dass auch diesen Hochschulen, die bisher keine Studienbeiträge oder keine in voller Höhe erhoben haben, weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen.

Ich bin allerdings strikt dagegen, dass dies zulasten aller anderen Hochschulen gehen soll, denn das ist genau der Clou der Mittelgarantie, wie sie jetzt im Gesetzentwurf der Landesregierung enthalten ist. Danach wird das Gesamtaufkommen der Studienbeiträge sozusagen auf alle Hochschulen verteilt, wobei natürlich diejenigen das schlechtere Los ziehen, die bisher schon Studienbeiträge in vollem Umfang erhoben haben. Insofern wäre es konsequenter, jeder Hochschule für jeden Studierenden die Summe zu geben, die sie bisher selber mit Studienbeiträgen einnehmen konnte.

Die Mittelgarantie bzw. die Kompensationsmittel ­ das ist ein wichtiger Punkt ­ müssen so ausgestaltet werden, dass es keine Mogelpackung wird, sondern wirklich wenigstens das bisherige Aufkommen der einzelnen Hochschule im Ergebnis aufrechterhalten bleibt. Gerade, wenn man sich politisch immer dafür einsetzt, mehr in Bildung, Schulen und Hochschulen zu investieren, sollte es das Mindeste sein, dass wir durch den Wegfall der Studienbeiträge keine Nachteile ­ welche sich letztlich negativ für die Studierenden auswirken ­ erleiden.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 75 - Apr 15/71

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Die zweite Frage lautete, wie ich die Auswirkungen der Studienbeiträge einschätze.

Ich denke, das ist ambivalent. Als positiven Faktor würde ich zunächst einmal herausstellen, dass wir da ­ gerade durch Einrichtung von Studienbeitragskommissionen ­ zumindest auf Ebene der Fakultäten und Fachbereiche eine Gesprächskultur entwickelt haben, in der die Studierenden mit darüber entscheiden können, wofür die Mittel konkret verwendet werden sollen. Man hat also auch von dieser Seite ein Stück Mitverantwortung für den Einsatz dieser Mittel spüren können.

Es ist zwar richtig, dass diese Kommissionen an sich nur Empfehlungen aussprechen können, aber ich glaube, ich gebe nicht nur die Lage in Bonn sondern auch weit darüber hinaus zutreffend damit wieder, dass diese Empfehlungen zum einen immer im Einvernehmen mit den Studierenden getroffen worden sind ­ wir haben niemals eine Mittelverwendung beschlossen, die nicht dem Willen der Studierendenvertreter entsprach ­ und sich zum anderen der Fachbereichsvorsitzende bzw. Dekan auch verpflichtet gefühlt hat, es genauso zu machen und nicht anders.

Neben der Entwicklung dieser positiven Gesprächskultur und Mitverantwortung gibt es auch eine negative Auswirkung, die sich aber vielleicht nicht ganz so dramatisch darstellt, wie sie eben geschildert worden ist: In der Tat gibt es schon eine Verstärkung der Konsumentenhaltung. Im Grunde wird die Philosophie vertreten, für 500 „all inclusive" zu erhalten und bestimmte Ansprüche zu stellen, die bezweifelt werden können.

Zudem gibt es eine verbreitete Mentalität, die ich aber weniger auf die Studienbeiträge als vielmehr auf die Neuorganisation der Studiengänge zurückführe, Stichwort „Bologna-Prozess". Tatsächlich ist mit dem Studium nun eine Hektik verbunden, die der Sache unangemessen ist. So findet ein Denken nur noch in Richtung der jedes Semester anstehenden Abschlussprüfungen statt. Das ist eine problematische Wirkung, die ich aber eher auf den Bologna-Prozess als auf die Studiengebühren zurückführen würde. ­ Vielen Dank.

Ulrich Müller: Ich beziehe mich auf die Frage von Frau Dr. Seidl, die das Verhältnis der individuellen Gerechtigkeit versus wirtschaftliche Vernunft angesprochen hat.

Wenn wir das Ziel ernst nehmen, dass wir mehr als einem Drittel eines Jahrgangs die Chance geben, sich akademisch zu qualifizieren - das wollen wir -, gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten, das zu realisieren. Eine Möglichkeit bestünde darin, private Mittel einzubeziehen, und zwar zielgenau zum Beispiel über Studienbeiträge, wobei die, die es nutzen, einen Beitrag leisten. Die zweite Möglichkeit ist die der Gebührenfreiheit, dafür aber mehr staatliche Mittel. Das sind aber keine Staatsmittel, sondern das sind Steuermittel. Sprich: Alle aus der arbeitenden Bevölkerung, zahlen daraus ein. Das ist nicht zielgenau. Angesichts der Haushaltslage und der Schuldenbremse erscheint es mir ohne private Finanzierungsmittel zusätzlicher Art sehr schwer vorstellbar, wie es funktionieren könnte. Theoretisch ist natürlich eine immense Umschichtung im Haushalt vorstellbar. Ob die aber auf Dauer verlässlich ist, ist sehr zweifelhaft.