Ich selbst bin zwei Jahre im Einsatz am Balkan gewesen und will dies als Beispiel nehmen

Ausschuss für Schule und Weiterbildung 12.01. Lassen Sie mich beginnen, zu einer Frage Stellung zu nehmen, die Sie uns zugeschickt haben: Steht die Bundeswehr für Krieg? Repräsentiert die Bundeswehr Krieg? ­ Nein, das tun wir nicht, das Gegenteil ist der Fall. Wir, die Bundeswehr, stehen seit mehr als fünf Jahrzehnten aktiv für Frieden ein, und zwar nicht nur verbal, sondern durch aktives Handeln. Das unterscheidet uns von manchen Friedensinitiativen und wird auch von den Bürgern dieses Landes anerkannt.

Ich selbst bin zwei Jahre im Einsatz am Balkan gewesen und will dies als Beispiel nehmen. Wir, die Soldaten, haben den Krieg dort zu Ende gebracht. Wir haben weiteres Blutvergießen verhindert. Wir haben sichergestellt, dass keine weiteren ethnischen Säuberungen stattfinden können. Wir sichern das Überleben von Millionen von Menschen auf dem Balkan. Wir waren und sind die wirklichen Friedensaktivisten in dieser Region Europas.

Wer vor dem Hintergrund den Begriff Einsatz und Einsatzarmee als Synonym für Krieg gebraucht, will deutsche Sicherheitspolitik nicht verstehen. Das Beispiel widerlegt auch die häufig gebrauchte Mär, dass sich Lösungen internationaler Konflikte nach Beendigung des Kalten Krieges als untauglich erweisen; die Menschen in Bosnien, in Kroatien, im Kosovo lassen grüßen.

Lassen Sie mich mit einigen hartnäckigen Vorurteilen aufräumen: Erstens. Der Einsatz von Jugendoffizieren wird durch die Kooperationsvereinbarung nicht verordnet. Er wird angeboten und beruht allein auf der freien Entscheidung der Lehrkräfte und der Schule. Der Jugendoffizier der Bundeswehr wird als Partner angeboten und zur Verfügung gestellt.

Zweitens. Es ist eine häufig gebrauchte Unterstellung, glauben machen zu wollen, der Jugendoffizier konzentriere sich in seinen Darstellungen auf den Einsatz militärischer Mittel. Das ist eine unzulässige Verengung seines Themenspektrums. Die Vereinbarung sagt unmissverständlich und macht deutlich: Wir beschäftigen uns mit einem umfassenden Sicherheitsbegriff, der das gesamte Spektrum der Strategien der Sicherheitsvorsorge und Sicherung einbezieht. Das sind beispielsweise Themenfelder wie gewaltfreie Konfliktlösungen, Krisenprävention, Konfliktbewältigung, Abrüstungsinitiativen, internationale Kooperationen und humanitäre Hilfseinsätze.

Ich verweise auf die schriftlichen Einlassungen von Frau Uttendorfer, die dies aus ihrer Erfahrung heraus nachdrücklich bestätigt. Das, was Jugendoffiziere an den Schulen machen, ist praktizierte aktive und umfassende Friedenserziehung. Es macht daher auch keinen Sinn, gegensätzliche Pole zu konstruieren: auf der einen Seite der Jugendoffizier als Vertreter der Sicherheitspolitik und auf der anderen Seite Vertreter für Friedenserziehung.

Drittens. Die Jugendoffiziere verfolgen einen ganzheitlichen und pluralistischen Ansatz. Das heißt, neben der reinen Wissensvermittlung über sicherheitspolitische Fragestellungen fordert dieser Weg das dialogische Prinzip und ­ ausdrücklich gewollt ­ die kontroverse Diskussion.

Viertens. Wir beanspruchen kein Exklusivrecht und, wie einmal gesagt worden ist, die Lufthoheit in deutschen Klassenzimmern. Ich selbst könnte mir die Ergänzung

Ausschuss für Schule und Weiterbildung 12.01. durch friedensethische Betrachtungen vorstellen. Dies wäre zum Beispiel unter dem Schirm der Kirchen und anderer Organisationen zu leisten, die allerdings die Gewähr dafür bieten müssen, dass die Information frei von parteipolitischer, weltanschaulicher und ideologischer Indoktrination und auf dem Boden unserer Verfassung stattfindet. Manch eine Organisation, die den Begriff Frieden im Namen trägt, hat eine sehr eigenwillige Interpretation dieses Begriffs. Auf Nachfragen bin ich gern bereit, später darauf einzugehen.

Letzter Punkt: Wir betreiben keine Werbung für die Bundeswehr. Wir betreiben keine Öffentlichkeitsarbeit für die Bundeswehr. Wir betreiben keine Nachwuchswerbung und keine Karriereberatung. Das ist den Jugendoffizieren ausdrücklich untersagt. Wir haben eine eigene Organisation in der Bundeswehr, die sich dieses Aufgabenspektrums annimmt. Wir achten sehr genau darauf, dass wir diesem eigenen Anspruch auch in der Praxis gerecht werden.

Lassen Sie mich schließen, indem ich auf Zahlen verweise: Die Jugendoffiziere finden regen Zuspruch in den Schulen, das weisen die Bilanzen des Jahres 2010 aus.

Sie werden häufig angefordert. Mehr als 35.000 Schüler haben die Gelegenheit wahrgenommen. Das ist ein Qualitätssiegel, das uns von den Betroffenen gegeben wird. Wären die Jugendoffiziere nicht gut, würden sie dem Anspruch nicht genügen, würden sie auch nicht angefordert werden. Das ist das Gesetz der freien Marktwirtschaft. Letzten Endes erkennen wir immer wieder, dass die Lehrkräfte sehr verantwortlich mit diesem Instrumentarium umgehen. Ich vertraue den Lehrern im Lande.

General a. D. Karl-Heinz Lather (Weinheim): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Für mich war es überraschend, dass ich hierher eingeladen worden bin, weil ich aus dem Ländle komme, aus Baden-Württemberg. Aber ich habe in der Bundeswehr bis Ende September letzten Jahres über 43 Jahre lang Verantwortung getragen, war zum Schluss Chef des Stabes des NATO-Hauptquartiers, das für alle Einsätze steht, die die NATO im Augenblick führt und an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. Daneben bin ich seit Jahren in der Kirche aktiv, war selber mal in der Position wie Generalmajor Stelz, Befehlshaber im Wehrbereich V ­ so hieß er damals ­ in Stuttgart, aus Sigmaringen heraus, und kenne die Problematik, vor der Sie stehen, daher unmittelbar.

Ich brauche nicht viel zu dem zu ergänzen, was Herr Stelz gesagt hat, sondern will es aus der Sicht des Staatsbürgers ­ jetzt wieder in zivil, vorher in Uniform ­ noch ein Stück weit vertiefen. Mir ist wichtig festzuhalten, dass die Bundeswehr, wenn sie informatorisch mit Jugendoffizieren auftritt ­ oder wie immer sie informiert ­, dies parteipolitisch neutral macht. Das ist ein Anspruch, den wir uns selber auferlegen.

Das heißt nicht, dass wir unpolitisch wären. Das gilt für den Einzelnen und, denke ich, auch für die Organisation.

Für mich ist der Bezugspunkt im Hinblick auf die Schüler und auch auf die Lehrer, auf diejenigen, die bei der Bildung in Verantwortung stehen, im Wesentlichen: Man muss die Einheit von Bildung, Ausbildung und Erziehung betrachten, die ihren Beitrag aus unterschiedlichen Richtungen liefert ­ die Bundeswehr ist eine wesentliche,

Ausschuss für Schule und Weiterbildung 12.01. die dabei informiert ­, damit junge Menschen und andere Organisationen ihre Positionen bestimmen können, und dies ohne Indoktrination.

Die Vereinbarung, die hier im Lande zur Debatte steht, die es aber so oder ähnlich auch in anderen Bundesländern gibt, stellt die Kultushoheit des Landes ­ die Verantwortung der Lehrer, der Schulämter, des Kultusministeriums für das, was im Curriculum steht ­ überhaupt nicht infrage. Sie stellt auch nicht die Unabhängigkeit der Lehre infrage oder kujoniert in irgendeiner Form das, was die Lehrer an die Schüler heranbringen. Gleiches gilt für die Fortbildung der Lehrer.

Aus meiner Erfahrung über die vier Jahrzehnte kann ich sagen: Dort, wo ich Verantwortung hatte, habe ich immer dafür geworben, Berührungsängste mit anderen zu vermeiden. Herr Stelz hat ein schlimmes Beispiel aus der jüngeren Zeit, das mir so nicht bekannt war; vielleicht kann er nachher noch etwas dazu sagen, wenn er danach gefragt wird. Im Kern brauchen Sie keinerlei Berührungsängste zu haben, ganz im Gegenteil. Ich halte es für erforderlich, wenn im Diskurs, in der Diskussion und auch weiterführend unterschiedliche Positionen klargemacht werden, dass NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und andere Verbände, soweit sie auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen, ihre Positionen persönlich deutlich machen können. Das ist sicherlich authentischer, als wenn es der Jugendoffizier für sie macht. Insgesamt kann ich sagen: keine Berührungsängste. Ich halte an der Stelle viel von der Unabhängigkeit der Lehrer, der Schulen, der Gremien, die damit befasst sind, die selbst zu entsprechenden Veranstaltungen einladen.

Ein letzter Punkt: Das Thema ist wichtig, es ist überhaupt nicht trivial. Es ist auch nicht geeignet, daraus den einen oder anderen parteipolitischen Vorteil zu ziehen.

Heute hat das Bundeskabinett beschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, den Einsatz in Afghanistan um ein Jahr zu verlängern. Die Beschlussfassung steht Ende des Monats an. Damit sendet das Land weiterhin Soldaten in den Einsatz. Das ist alles andere als eine leichte Entscheidung. Ich halte es für richtig und wichtig, wenn die Menschen in diesem Land ­ das beginnt eben in den Schulen ­ über das informiert sind, was dort passiert.

Norbert Müller (GEW NRW): Meine Damen und Herren! Mit der Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr ist die das Thema Friedenserziehung im Unterricht der Schulen unmittelbar auf der Tagesordnung, heute im Landtag im Rahmen dieser Anhörung. Was Friedenserziehung im Unterricht angeht, hat Nordrhein-Westfalen eine sehr gute Tradition, die leider Anfang des letzten Jahrzehnts abgebrochen worden ist, die aber sehr stark nachwirkt. ­ Das vorab.

Ich beziehe mich auf einen Erlass, den wir 1985 im Rahmen des politischen Unterrichts bekommen haben, der Friedenserziehung als Unterrichtsprinzip hervorgehoben hat, in dem ganz wichtige Manifestationen in dieser Hinsicht, die fachpolitisch höchstanerkannt sind, nachzulesen sind und auch heute noch in den Schulen in Nordrhein-Westfalen eine Rolle spielen. Friede wird als generelles Prinzip rationaler Konfliktregelung in allen Bereichen des Lebens mit zivilen Mitteln manifestiert. Aussagen wie Krieg darf weltweit nicht länger als Mittel der Politik gelten kann man dort noch nachlesen.