In Haltern-Lippramsdorf und Marl ist eine Deichrückverlegung mit erheblichem Kostenaufwand geplant

In Haltern-Lippramsdorf und Marl ist eine Deichrückverlegung mit erheblichem Kostenaufwand geplant. Die Kostenschätzungen gehen von 80 Mio. Euro bis ca. 100 Mio. Euro aus. Durch diese Deichrückverlegung würde ein Retentionsraum von ca. 60 Hektar Größe entstehen. Diese Retentionsfläche würde als FFH-Fläche ausgewiesen. Diese Ausweisung wiederum hätte einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Chemieparks auf Marler Seite. Der Chemiepark ist der wichtigste Arbeitgeber der Region und sichert Tausenden Beschäftigten und ihren Familien den Lebensunterhalt.

Die Begründung für den Deichneubau ist seitens des Lippeverbandes die nicht vorhandene Möglichkeit der Ertüchtigung des vorhandenen Deiches. Dieses war allerdings im Rahmen der Diskussion um einen neuen Rahmenbetriebsplan in den Jahren 2002 und 2003 für die Auguste Victoria gegenteilig dargestellt worden. Dort wurde ausdrücklich erklärt, dass die Deiche standsicher seien (die sichersten Deiche der Welt) und ohne Probleme ertüchtigt, d.h. erhöht werden könnten. Im Jahre 2005 kam es dann zu einer anderen Bewertung von Deichen aus Bergematerial. Diese wurden nun in Frage gestellt. Aufgrund der möglichen Inanspruchnahme für die Finanzierung eines neuen Deiches änderte daraufhin die RAG ihre Abbautätigkeit und stellte den Abbau unterhalb der Lippe und der Deichsituation ein. Des Weiteren wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das - so der Erkenntnisstand des Fragestellers ­ aussagt, dass eine Ertüchtigung der vorhandenen Deiche durchaus möglich ist. Für alle ist auch klar, dass natürlich der Anwohnerschutz Vorrang haben muss. Die Anwohner selbst haben aber erhebliche Sorge, was die Situation des Baus des neuen Deiches angeht, Hunderte von Lkw täglich durch die Ortschaft Lippramsdorf und das über Jahre sowie die Dimension des Vorhabens.

In der Plenardebatte um die Subventionsentscheidungen der EU-Kommission in Sachen Steinkohle erklärte der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Priggen, mit Hinweis auf den Antrag der Linksfraktion auf die Festlegung eines Sockelbergbaus, dass es im Landtag von Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit für einen Sockelbergbau gebe. Es wird also nach 2015 (Ende des gültigen Rahmenbetriebsplans der Auguste Victoria) keine weiteren Absenkungen geben.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Lippe und ihre Aue sowie die angrenzenden Siedlungsbereiche sind in den vergangenen Jahrzehnten durch die Bodensenkungen des Steinkohleabbaues erheblich verändert worden. Um einen ausreichenden Hochwasserschutz zu gewährleisten, wurde die Lippe vom Lippeverband in den 80er Jahren beidseitig eingedeicht und dadurch insbesondere im Raum Haltern, Marl und Lippramsdorf von ihrer Aue abgetrennt. Die Deiche im ragen heute bedingt durch die Bergsenkungen bis zu 12 m über Gelände auf. Deiche mit einer solchen Höhe gibt es in Deutschland nur in Bergsenkungsgebieten, z. B. an Rhein und Lippe. Sie machen eine besonders sorgfältige Bewertung und Prüfung im Hinblick auf die Sicherheit erforderlich. Die Flussdeiche an der Lippe sind die höchsten in Europa. Bei Deichversagen in würde die Siedlung Mersch viele Meter tief überflutet.

In den Bergsenkungsgebieten am Rhein hat sich herausgestellt, dass Deiche mit Bergematerial besonders anfällig für Risse sind und Standsicherheitsprobleme aufwerfen.

Bei Belastungen der Deiche durch Hochwasser können sich daraus Wasserwegsamkeiten ergeben und Probleme für die Sicherheit. Außer durch die Verwendung von Bergematerial sind die Lippedeiche auch aufgrund ihres durchmischten Aufbaus aus heutiger Sicht sicherheitstechnisch nicht mehr akzeptabel. Deiche mit dieser Höhe müssen wegen des Risikos für die dahinter lebenden Menschen getrennte Sicherheitselemente aufweisen.

Die Lippedeiche wurden intensiv gutachterlich untersucht, dabei wurden umfangreiche Materialproben aus den Deichen ausgewertet. Der Prüfbericht eines von der Bezirksregierung Münster beauftragten externen Sachverständigen kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die vorhandenen Deiche, unabhängig von zusätzlichen Auswirkungen künftigen Bergbaus nicht mehr geeignet sind, einen angemessenen Hochwasserschutz dauerhaft sicher zu stellen und daher vollständig erneuert werden müssen.

Eine Ertüchtigung der Deiche wurde intensiv geprüft, aber unter Sicherheitsaspekten als unzureichend verworfen, zumal der Hochwasserschutz während der gesamten Bauzeit aufrechterhalten werden muss.

Insofern müssen die Deiche aus baulicher Sicht (Standfestigkeit, Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit) zum Schutz der Bevölkerung erneuert werden.

Die Lippedeiche in für ein Hochwasser zu bauen, das statistisch einmal in 250 Jahren auftritt, ist seit Jahrzehnten für Poldergebiete Konsens. Es ist der besonderen Gefährdungslage der Siedlung Mersch angepasst, die bei Deichversagen schnell 3 bis 4 m tief unter Wasser stünde. Dieser Hochwasserschutz sollte keineswegs reduziert werden.

Zu heutigen Anforderungen des Hochwasserschutzes zählt neben den bautechnischen Aspekten für den Deich auch die Lage des Deichs. Heute wissen wir, dass die starke Einschnürung der Gewässer bei Hochwasser sehr ungünstig wirkt, da der nötige Raum zum schadlosen Wasserrückhalt fehlt. Daher ist bei der Wahl der Trassierung der Deiche beabsichtigt, auch verloren gegangenen Retentionsraum in der Aue sowohl nördlich als auch südlich der Lippe zurück zu gewinnen. Hierzu hat der Lippeverband verschiedene Varianten entwickelt, die nach einer Reihe von Gesprächen mit dem Ministerium für Klima, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW, der Bezirksregierung Münster, der Stadt Haltern und der EVONIK / Infracor schließlich zu einem konsensualen Antrag geführt haben.

Im Ergebnis wurde über fast 2 Jahre mit der Leitung des Chemieparks Belange des Naturschutzes, des Immissionsschutzes und der Wasserwirtschaft intensiv diskutiert und schriftlich fixiert mit dem Ergebnis, dass durch den Deichbau keine Verschlechterungen gegenüber dem heutigen Zustand sein sollen.

Der zurzeit im Planfeststellungsverfahren befindliche Entwurf berücksichtigt die Belange der EVONIK.

Im derzeit laufenden Planfeststellungsverfahren werden alle Argumente sorgfältig gewertet und abgewogen. Im Ergebnis wird eine Lösung angestrebt, die den unterschiedlichen Belangen angemessen Rechnung trägt.

1. Ist angesichts der Aussagen des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen eine derartige Dimensionierung des Deichbauvorhabens notwendig?

Ja.

Die Lippedeiche wurden mit einem Stützkörper aus Bergematerial gebaut. In den Bergsenkungsgebieten am Rhein hat sich herausgestellt, dass solche Deiche besonders anfällig für Risse sind und Standsicherheitsprobleme aufwerfen. Darüber hinaus sind die alten Deiche in bergbaubedingt mehrmals erhöht und verändert worden. Sie zeigen nicht mehr den erdstatisch erforderlichen Aufbau. Die zuständige Überwachungs- und Zulassungsbehörde, die Bezirksregierung Münster, hat daher die Standsicherheit des Deiches in prüfgutachterlich bewerten lassen.

Der Prüfbericht kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Die vorhandenen Deiche entsprechen nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik und sind nicht mehr geeignet einen dem Gefahrenpotential angemessenen Hochwasserschutz dauerhaft sicherzustellen.

Die Deiche in müssen deshalb grundlegend saniert werden.

Die Anforderungen an den Deichbau ergeben sich aus dem erforderlichen Schutzgrad der Region sowie den daraus resultierenden technischen Anforderungen an die Standsicherheit, Gebrauchstauglichtkeit und Dauerhaftigkeit. Maßnahmen, die diesen Anforderungen nicht genügen sind nicht genehmigungsfähig. Vorhandene Hochwasserschutzanlagen müssen diesen Anforderungen entsprechend angepasst werden.

2. Hält die Landesregierung eine Deichertüchtigung unter den gegebenen Rahmenbedingungen für ausreichend?

Nein, siehe Antwort zu Frage 1

3. Ist der Landesregierung bekannt, dass die RAG nur bereit ist, die Kosten für eine mögliche Deichertüchtigung zu zahlen?

Nein. Der Bergbau als Verursacher hat alle Kosten für die Wiederherstellung der Hochwassersicherheit zu tragen. Dabei sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

4. Ist der Landesregierung bekannt, dass sich die RAG für die Gesamtkosten einer Deichrückverlegung nicht gänzlich in Anspruch nehmen lassen wird?

5. Ist der Landesregierung bekannt, dass dann der Lippeverband den verbleibenden Anteil tragen müsste, der sich erheblich erhöhen würde und der dann wiederum durch die Verbandskommunen, die sich in Gänze in der Nothaushaltssituation befinden, mit finanziert werden müsste?

Es ist der Landesregierung bekannt, dass sich die RAG nicht gänzlich an den Kosten einer Deichrückverlegung beteiligen wird.

Soweit dem Bergbau Kosten als Verursacher im Rahmen der Umgestaltung der Lippeaue nicht zuzurechnen sind, wären diese durch den Lippeverband dem Land im Rahmen des Sonderinteresses zuzurechnen.