Genehmigung einer sogenannten Gemeinschaftsschule in Rheinberg

Wie lauten die einzelnen Befunde der versprochenen Kriterienprüfung für die von der Landesregierung selbst aufgestellten Bewilligungsvoraussetzungen?

Am 21. Januar 2011 hat Schulministerin Löhrmann vor der Landespressekonferenz erklärt, dass sie neben einer bereits genehmigten Schule in Ascheberg weitere 16 sogenannte Gemeinschaftsschulen bewilligen wolle. Mit lediglich 17 schließlich genehmigten Anträgen für sogenannte Gemeinschaftsschulen von landesweit über 2.000 weiterführenden Schulen hat sich der von der rot/grünen Minderheitsregierung am Parlament vorbei mithilfe des § 25 durchgeführte Modellversuch zur Einführung einer neuen Schulform bislang als offensichtlicher Misserfolg erwiesen.

Das auffallende Desinteresse vieler Schulträger an diesem neuen Schulangebot wird noch augenscheinlicher, wenn man sich die massive personelle und finanzielle Bevorzugung dieser Schulen im Vergleich zu allen anderen nordrhein-westfälischen Schulen vergegenwärtigt: Zusätzliche Lehrerstellen, kleinere Klassen, erleichterte Gründungsbedingungen, Vergünstigungen für Lehrer sowie zusätzliche Fortbildungsmittel sollten politisch motiviert die Gründung dieser Schulen forcieren und mit diesen privilegierten Rahmenbedingungen die Versuchsschulen für Schüler, Eltern und Lehrer attraktiver gestalten sowie gleichzeitig eine Benachteiligung der übergroßen Mehrheit der Schüler und Lehrer an allen anderen bewährten Schulformen herbeiführen.

Auch wenn diese deutliche Ungleichbehandlung nicht zu der von Rot/grün erhofften Zahl von Gründungsanträgen für sogenannte Gemeinschaftsschulen durch die Schulträger geführt hat, sind die Auswirkungen für umgebende Schulstandorte hoch problematisch. Zwar wird in den Vorgaben des Schulministeriums darauf hingewiesen, dass vorhandene Schulen nicht in ihrem Bestand gefährdet werden dürfen; ebenfalls wird ausgeführt, dass eine Konsensbildung mit Nachbarkommunen notwendig wäre und eine Ausweitung oder Stabilisierung des eigenen Schulangebots auf Kosten anderer Schulträger inakzeptabel sei.

Fraglich ist heute für viele Betroffene, ob sich die Schulministerin an diese selbst aufgestellten Vorgaben im Rahmen ihrer Genehmigungspraxis gehalten hat oder die Kommunikation der behaupteten Verhältnismäßigkeitsabwägungen nur zur öffentlichen Beruhigung dienen sollte, ohne ernsthaft den längst besiegelten politischen Handlungswillen für jeden Standort individuell und ergebnisoffen zu prüfen.

Die Genehmigung der Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe in der Kommune Rheinberg ist problematisch. Durch die Zusammenführung der bestehenden Haupt- und Realschule werden nicht nur zwei bisherige Schulstandorte miteinander verschmolzen; die Kinder und Jugendlichen werden verbindlich bis einschließlich der 10. Klasse integriert unterrichtet.

Rheinberg ist ein Beispiel, wie die längerfristigen Auswirkungen einer solchen Gemeinschaftsschulgründung offenbar deutlich hinterfragt werden müssen. Laut Presseberichterstattung fürchtet zum Beispiel die Kommune Alpen um den Bestand ihrer Haupt- und ihrer Realschule.

Darüber hinaus wird die pädagogische Ausgestaltung dieser Schulen der Qualität des nordrhein-westfälischen Schulsystems nach Auffassung der FDP-Landtagsfraktion nachhaltigen Schaden zufügen. Die sogenannten gymnasialen Standards suggerieren Eltern eine vermeintlich qualitativ hochwertige gymnasiale Bildung vor Ort. Die Schulwirklichkeit sieht leider anders aus. In den 5. und 6. Klassen müssen die Kinder verbindlich integriert unterrichtet werden, so dass auf die individuellen Förderbedürfnisse der Kinder nicht ausreichend Rücksicht genommen werden kann. Die Vorgaben des Schulministeriums legen darüber hinaus verbindlich fest, dass an sogenannten Gemeinschaftsschulen lediglich bei einer Vierzügigkeit ab der 7. Klasse in differenzierten Bildungsgängen unterrichtet werden darf. In Rheinberg soll sogar bis zur 10. Klasse integriert unterrichtet werden.

Das Parlament hat ein großes Anrecht darauf, präzise im einzelnen dargelegt zu bekommen, wie sich das Genehmigungsverfahren der Gemeinschaftsschule in Rheinberg genau gestaltet hat, welche einzelnen Aspekte der Kriterienprüfung von den jeweiligen Landesbehörden berücksichtigt und ausgewertet worden sind sowie die Entwicklungsprognose des MSW für die Rheinberger Schulentwicklungsplanung sowie der umgebenden Kommunen im Detail zu erfahren.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Aufgrund welcher genauen Schülerzahlenerwartung für die kommenden Jahre für alle im Einzugsbereich der Versuchsschule liegenden bestehenden Schulen der Kommune Rheinberg sowie benachbarter Kommunen ist im Zuge der Prüfung umliegender Schulstandorte durch die Bezirksregierung und das MSW die Entscheidung zur Genehmigung des Gemeinschaftsschulstandortes Rheinberg gefallen (bitte einzeln aufschlüsseln nach allen geprüften Schulstandorten, den jeweiligen absoluten sowie jahrgangsbezogenen Schulbesuchszahlen, erwarteten Zustrombewegungen zur neugegründeten Gemeinschaftsschule sowie den erwarteten Abwanderungsbewegungen aus anderen Schulstandorten)?

2. Welche vollständigen einzelnen Auswirkungen in den kommenden Jahren für die Schulentwicklungsplanung der Kommune Rheinberg insgesamt sowie für die umgebenden Schulstandorte der Nachbarkommunen haben die Bezirksregierung und das MSW im Zuge ihres Genehmigungsverfahrens prognostiziert?

3. Welche zusätzlichen sächlichen und personellen Kosten erwartet die Landesregierung jeweils einzeln für jedes der kommenden zehn Jahre der Zeitspanne 2011 bis 2020 in Folge der Gemeinschaftsschulgründung differenziert nach der Kostentragung beim Schulträger Rheinberg und beim Land Nordrhein-Westfalen?

4. Wie genau sahen jeweils der Diskussionsverlauf und das abschließende Schulkonferenzvotum an jeder einzelnen von der Gemeinschaftsschulgründung in Rheinberg in der Konsequenz betroffenen Schule des Schulträgers Stadt Rheinberg sowie von Schulen benachbarter Kommunen im Einzugsbereich aus?

5. Aus welchen einzelnen politischen wie fachlichen Erwägungen heraus ist die Landesregierung bereit bzw. nicht bereit, dem zuständigen Fachausschuss des Landtags die im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren der Gemeinschaftsschule in Rheinberg stehenden Dokumente von Bezirksregierung und MSW zugänglich zu machen?