Errichtung einer Putenzuchtanlage in Hungen innerhalb der Pufferzone des Weltkulturerbes Limes

Nach den UNESCO-Vorgaben ist ein Weltkulturerbe durch eine (enge) Schutzzone und eine den Umgebungsschutz sicherstellende Pufferzone zu schützen. Diese auszuweisenden Zonen sind verbindlicher Teil des Anmeldeverfahrens. Verwirklicht wird der Schutz durch den für Hessen verbindlichen Limesentwicklungsplan. Die mit den anderen am Limes beteiligten Bundesländern abgestimmten Festsetzungen des Limes-Entwicklungsplanes beinhalten eine grundsätzliche Freihaltung der Pufferzone von Bebauung. Soweit die Pufferzone im vorliegenden Fall eine vergleichsweise große Ausdehnung erfährt, liegen dieser Ausweisung wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde.

Die UNESCO-Kommission wacht sorgsam über die Welterbestätten und reagiert sehr sensibel auf Veränderungen in der Umgebung einer Welterbestätte, wie die jüngsten Diskussionen um Köln und Dresden belegen.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Welche konkrete Begründung hat das Landesamt für Denkmalschutz bei der Ablehnung des Bauantrages zur Errichtung einer Putenzuchtanlage in Hungen abgegeben?

Das Landesamt für Denkmalschutz verwies in seiner Ablehnung darauf, dass die geplante Putenzuchtanlage innerhalb der Pufferzone um das Weltkulturerbe liegt und die Belange des Denkmalschutzes und der Weltkulturerbestatus des Limes nicht ausreichend in der Entscheidung berücksichtigt wurden.

Frage 2. Ist es richtig, dass das Landesamt bzw. der Landesarchäologe seine Position notfalls sogar juristisch überprüfen lassen möchte?

Das Land Hessen ist durch die Anerkennung des Limes als Weltkulturerbe (internationale) Verpflichtungen in Absprache mit den anderen am Limes beteiligten Bundesländern eingegangen. Das Land Hessen wird diesen Verpflichtungen nachkommen und sie gegebenenfalls im Einzelfall durchsetzen.

Frage 3. Mit welcher Begründung lehnt der Regierungspräsident Gießen die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz ab?

Das Regierungspräsidium Gießen verweist darauf, dass die enge Schutzzone um den obertägig nicht sichtbaren Limes nicht betroffen sei und es kein Bauverbot in der in diesem Areal deutlich breiteren Pufferzone gebe.

Frage 4. Welche Gespräche und Schriftwechsel haben zwischen dem Antragsteller und dem Regierungspräsidium, dem Regierungspräsidium und der Kommune sowie zwischen dem Landesamt und dem Regierungspräsidium stattgefunden (bitte Aufschlüsselung nach konkretem Datum)?

Im Zuge des Genehmigungsverfahrens wurde das Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) zunächst weder von der Kommune noch vom Landkreis gehört. Erst auf telefonische Nachfrage bei der zuständigen Stelle des Kreises wurden dem Landesamt für Denkmalpflege die Unterlagen zur Stellungnahme übersandt.

Die Stadt Hungen hatte keine Bedenken gegen die Putenzuchtanlage geäußert, ein Hinweis auf den Limes unterblieb völlig. Zur Wahrung der Belange des Denkmalschutzes erging mit Datum vom 4. Mai 2006 eine ablehnende Stellungnahme des LfDH an den Landkreis Gießen. Auch die Untere Denkmalschutzbehörde legte Widerspruch ge gen das Vorhaben ein. Die Ablehnung des Vorhabens durch das LfDH wurde mit Datum vom 8. Juni 2006 begründet. Die Kreisverwaltung wandte sich daraufhin an den Regierungspräsidenten (RP) in Gießen. Dieser teilte nach telefonischem Kontakt mit dem zuständigen Bezirksarchäologen mit, der RP könne die rechtlichen Bedenken des LfDH nicht nachvollziehen. Gleichzeitig stellte der RP fest, dass er wegen des zwischen Unterer Denkmalschutzbehörde und LfDH hergestellten Einvernehmens in diesem Fall nicht zuständig ist.

Weitere Angaben über Schriftwechsel sowie Gespräche zwischen dem Regierungspräsidium Gießen und dem Antragsteller bzw. der Kommune sind meinem Hause nicht bekannt.

Frage 5. Wie bewertet die Landeregierung die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz und die Begründung des Regierungspräsidiums Gießen?

Wie bereits in der Einleitung aufgezeigt, ist das Landesamt für Denkmalpflege in seinen Entscheidungen durch die Vorgaben durch die UNESCO und des Limes-Entwicklungsplans eingeschränkt. Bei Nichtbeachtung der UNESCO-Vorgaben müsste mit Interventionen durch die UNESCOKommission, wie in den Beispielen in Köln und Dresden, gerechnet werden.

Hieran kann die Landesregierung kein Interesse haben.

Grundsätzlich gilt, dass neue Nutzungen innerhalb der wissenschaftlich begründeten und der UNESCO-Kommission vorgelegten Pufferzone, die in der Breite je nach örtlichen Gegebenheiten abweicht, in jedem Einzelfall äußerst sensibel zu behandeln sind. Die UNESCO-Kommission wacht sorgsam über die Einhaltung der Schutzzonen, auf die öffentlichen Diskussionen über die Welterbestätten auf der "roten Liste der gefährdeten Objekte" (z.B. Dresden, Waldschlößchenbrücke) darf ich verweisen. Es muss vermieden werden, dass Konflikte wegen des Umgebungsschutzes in den Blickpunkt des (öffentlichen) Interesses der UNESCO-Kommission geraten.

Im zugrunde liegenden Fall erfüllt die geplante Putenmastanlage grundsätzlich den Privilegierungstatbestand für einen bauplanungsrechtlich zulässigen Außenbereichsbau (§ 35 BauGB). Aber auch dieser steht unter dem Vorbehalt, dass öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Zu den öffentlichen Belangen zählen nach § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB der Denkmalschutz, gleichrangig neben den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege.

Dieser ist in seiner Gewichtung zu den anderen Belangen abzuwägen und der Entscheidung zugrunde zu legen. Dabei ist auch möglich, dass die Abwägung zum Ergebnis kommt, dass eine Bebauung auch im Bereich der Pufferzone möglich ist, wenn zum Beispiel die geplante Anlage sich als Anbau an schon vorhandene Gebäude verwirklichen lässt.

Zur Argumentation des Regierungspräsidiums Gießen ist anzumerken, dass der Denkmalschutz gleichrangig neben den Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes in die Entscheidung mit einbezogen werden muss. Von einer einseitigen Betonung des Denkmalschutzes kann keine Rede sein.

Frage 6. Wird die Landesregierung gegen die Voten der kommunalen Gremien und des Landesamtes für Denkmalschutz den Bau der Putenzuchtanlage durch Weisung an das Landesamt für Denkmalschutz zur Zurücknahme der Stellungnahme ermöglichen?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

Eine anders lautende Stellungnahme als die abgegebene ist aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und aus den zuvor genannten Gründen nicht möglich.

Vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen wurde mittlerweile ein Kompromissvorschlag erarbeitet. Dieser sieht einen teilweisen Rückbau des bestehenden Hofes und die Ansiedelung der Putenzucht unmittelbar an dieser Hofanlage vor. Da sich dieser Standort in unmittelbarer Nähe des ursprünglichen geplanten befindet, wird dadurch die Eingriffsintensität abgemildert.