Steuer für sexuelle Vergnügungen

Am 18. Juni 2009 stellte der 14. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW in Münster fest, dass die erstmalige Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Vergnügen jeder Art in Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder ähnlichen Einrichtungen in einer Gemeinde der Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums nach § 2 Abs. 2 KAG bedarf. Auf Grundlage dieses Urteils genehmigten der frühere Innenminister Wolf und der frühere Finanzminister Linssen am 10. Mai 2010 die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Dienstleistungen in den Städten Köln und Dorsten. Laut Zeitungsberichten planen auch weitere Kommunen in NRW nun die Einführung dieser Steuer.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz ­ am 01. Januar 2002 gilt Prostitution als legale Erwerbstätigkeit. Prostituierte zahlen bereits heute Umsatz-, Einkommens- und ggf. Gewerbesteuer. Die Einführung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Dienstleistungen bedeutet für die betroffenen Prostituierten eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Kleine Anfrage betrifft eine gemeinsame Entscheidung des Innen- und des Finanzministeriums vom 10. Mai 2010. Diese Entscheidung fällt somit in die Zeit der alten Landesregierung. Die kleine Anfrage wird auf der Basis der seinerzeit in den zuständigen Abteilungen der beiden Ministerien erfolgten Prüfungen und Vorbereitungen der o. g. gemeinsamen Entscheidung beantwortet.

Im Kern geht es um die Genehmigung und Einführung einer kommunalen Aufwandsteuer.

Die Frage, ob eine Steuer auf sexuelle Vergnügungen der in § 2 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) geregelten Genehmigungspflicht des Innen- und des Finanzministeriums unterliegt, ist bereits im Jahre 2003 geprüft worden. Seinerzeit hatte die Stadt Köln im Vorfeld der von ihr beabsichtigten Einführung einer Steuer auf sexuelle Vergnügungen eine entsprechende Anfrage an das Innenministerium gerichtet.

In Abstimmung mit dem Finanzministerium hat das Innenministerium seinerzeit die Genehmigungspflicht für eine solche Steuer verneint. Über die Anfrage der Stadt Köln und die hierzu seinerzeit seitens des Innen- und des Finanzministeriums vertretene Rechtsauffassung wurde der Ausschuss für Kommunalpolitik in seiner Sitzung vom 04.02.2004 unter Tagesordnungspunkt 1 - Neue Steuergegenstände der Vergnügungssteuer nach Aufhebung des Vergnügungssteuergesetzes - informiert (s. auch Ausschussprotokoll 13/1130). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf dieses Ausschussprotokoll verwiesen.

Die Stadt Köln hat sodann die Steuer auf sexuelle Vergnügungen durch entsprechende Satzungsregelung ab dem 01.01.2004 eingeführt. Bereits zum 01.01.2003 hatten die Städte Gelsenkirchen und Dorsten diese Steuer eingeführt. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 2009 - 14 A 1611/07 - betraf die entsprechende Satzung der Stadt Gelsenkirchen. Bekanntermaßen hat sich das OVG NRW der bis dahin seitens des Innen- und des Finanzministeriums vertretenen Rechtsauffassung nicht angeschlossen, sondern eine Genehmigungspflicht nach § 2 Abs. 2 KAG für die die Steuer auf sexuelle Vergnügungen regelnde Satzung der Stadt Gelsenkirchen festgestellt. Die Satzungen der Städte Köln und Dorsten wurden seitens des Innen- und des Finanzministeriums am 10.05.2010 genehmigt, um der in der Praxis auf der Basis der seinerzeit verneinten Genehmigungspflicht erfolgten Erhebung der Steuer eine den Anforderungen des o. g. Urteils des OVG NRW entsprechende Rechtsgrundlage zu verschaffen. Den betreffenden Kommunen sollte es im Nachhinein nicht zum Nachteil gereichen, dass die für die Genehmigung zuständigen Ministerien das Genehmigungserfordernis ursprünglich nicht anerkannt hatten. Im Übrigen war auch ausschlaggebend, mit der Genehmigung die kommunale Selbstverwaltung zu respektieren.

Mit der ordnungsgemäßen Bekanntmachung der genehmigten Satzungen durch die Städte Köln und Dorsten ist die Steuer in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Es bedarf daher keiner weiteren Genehmigungen von entsprechenden Satzungen anderer NRW-Kommunen.

1. Wer (den von Bars, Bordellen, Swinger Clubs und/oder einzelne Prostituierte) muss in den Städten, in denen Steuern auf sexuelle Vergnügungen erhoben werden, die Steuer zahlen? (bitte einzeln auflisten)

2. Nach welchen Kriterien wird die Steuer in den unterschiedlichen Gemeinden erhoben?

Die Fragen werden anhand der genehmigten Satzungen der Städte Köln und Dorsten beantwortet. Es kann davon ausgegangen werden, dass die NRW-Kommunen, die die Steuer in der Vergangenheit erhoben haben und/oder in Zukunft erheben wollen, vergleichbare Regelungen in ihren Satzungen vorgesehen haben. Die Satzung der Stadt Köln weist allerdings die Besonderheit auf, dass nach § 2 Nr. 4 auch die Prostitution außerhalb einschlägiger Einrichtungen besteuert wird.

Nach § 2 der entsprechenden Satzung der Stadt Köln über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art vom 19. Mai 2010 (s. auch Amtsblatt der Stadt Köln vom 26. Mai 2010 - S. 387 ff) unterliegen die im Stadtgebiet veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen (Veranstaltungen) der Vergnügungssteuer:

1. Striptease, Peepshows und Tabledances sowie Darbietungen ähnlicher Art;

2. Veranstaltungen, bei denen - unabhängig von der Art der Aufzeichnung und Wiedergabe - Filme vorgeführt werden, die nicht gemäß § 14 Abs. 2 oder 7 des Jugendschutzgesetzes vom 23.07.2002 (BGBl I S. 2730) gekennzeichnet sind;

3. die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen;

4. das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nr. 3 genannten Einrichtungen, zum Beispiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen;

5. Sex- und Erotikmessen.

Nach § 1 a der entsprechenden Satzung der Stadt Dorsten über die Erhebung von Vergnügungssteuer in der Stadt Dorsten vom 18. Mai 2010 (s. auch Amtsblatt vom 26. Mai 2010 S. 193 ff) besteuert die Stadt Dorsten folgende im Stadtgebiet stattfindende Vergnügungen (Veranstaltungen) gewerblicher Art: ...

2. Striptease-Vorführungen und Darbietungen ähnlicher Art;

3. Betrieb von Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder sonstigen Einrichtungen, die der Prostitution dienen;

4. Vorführungen von pornographischen und ähnlichen Filmen oder Bildern - auch in Kabinen -; ...

Die weiteren in dieser Regelung genannten Steuertatbestände betreffen vorwiegend die klassische Spielapparatesteuer.

Steuerschuldner ist der Unternehmer der Veranstaltung, in den Fällen des § 1 a Nr. 3 der Dorstener Satzung ist Veranstalter der Mieter bzw. der Eigentümer/Erbbauberechtigte der Räume, in denen der Betrieb stattfindet. Nach § 3 Abs. 2 der Kölner Satzung gilt als Unternehmer (Mitunternehmer) auch der Inhaber der Räume oder Grundstücke, in oder auf denen die Veranstaltung stattfindet, wenn er im Rahmen der Veranstaltung Speisen oder Getränke verkauft oder an den Einnahmen oder dem Ertrag aus der Veranstaltung beteiligt ist.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Steuer grundsätzlich auf den eigentlich zu Belastenden (= derjenige, dessen Leistungsfähigkeit die Steuer in einem bestimmten Vorgang, hier dem Aufwand für das sexuelle Vergnügen, erfassen soll) abwälzbar ist. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu entwickelten Grundsätzen (s. zuletzt Beschluss vom 04. Februar 2009 - 1 8/05 - Juris - m. w. N.) genügt bei einer solchen indirekt erhobenen Steuer wie der Vergnügungsteuer die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den eigentlichen Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (vgl. 110, 274 <295>).

3. Welche Städte haben Anträge zur Einführung einer solchen Steuer eingereicht?

Soweit hier bekannt, haben außer Köln und Dorsten die Städte Gelsenkirchen, Gladbeck und Oberhausen sowie die Gemeinde Brüggen die Steuer bereits vor Bekanntwerden des Urteils des OVG NRW vom 18. Juni 2009 erhoben; diese Städte - mit Ausnahme von Gelsenkirchen - hatten die Genehmigung ihrer Satzungen beantragt. Ferner gingen Anträge der Städte Duisburg, Sprockhövel und Tönisvorst ein, die die Steuer zukünftig erheben wollen. Aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen bedurfte es nach den Genehmigungen der Satzungen der Städte Dorsten und Köln keiner weiteren Genehmigungen mehr.

4. Nach welchen Kriterien genehmigen das Innenministerium und das Finanzministerium die Anträge auf erstmalige Einführung dieser Steuer?

s. Vorbemerkung.

5. Handelt es sich bei dieser Steuer nach Einschätzung der Landesregierung um eine Doppelbesteuerung, da sexuelle Dienstleistung nach dem Prostitutionsgesetz legale Erwerbstätigkeiten sind und hierfür bereits entsprechende Steuern in Form von Einkommenssteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer erhoben werden?

Zu dem in der Frage thematisierten Aspekt der Doppelbesteuerung ist aus steuerfachlicher Sicht folgendes auszuführen:

Wie bereits ausgeführt, wird die Steuer zwar beim Unternehmer/Veranstalter erhoben. Sie ist jedoch als Aufwandsteuer auf Überwälzung auf den eigentlich zu Belastenden (= den Empfänger der sexuellen Dienstleitung) angelegt (siehe Antwort auf die Fragen 1 und 2). Eine Doppelbesteuerung der Prostituierten durch die Vergnügungsteuer ist bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. Ergänzend weise ich auf Folgendes hin:

Der Einkommensteuer unterliegen die von der Prostituierten erzielten Einkünfte. Hierbei handelt es sich regelmäßig um den aus der Prostitutionstätigkeit erwirtschafteten Gewinn.

Soweit die Tätigkeit der Prostituierten als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist, unterliegt der Prostitutionsbetrieb zusätzlich der Gewerbesteuer. Sowohl die Einkommensteuer als auch die Gewerbesteuer belasten die Prostituierte selbst. Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung wird jedoch vermieden, indem für die bereits mit Gewerbesteuer vorbelasteten Einkünfte eine Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer gewährt wird.

Die Umsatzsteuer soll als Verbrauchsteuer wie die Vergnügungsteuer auf sexuelle Dienstleistungen den Empfänger der sexuellen Dienstleistung und nicht die Prostituierte belasten.

Sie wird zwar von der Prostituierten als Unternehmerin geschuldet, ist aber auf Überwälzung an den eigentlichen Endverbraucher (= den Empfänger der sexuellen Dienstleitung) angelegt.

Unabhängig von diesen abgabenrechtlichen Bewertungen wird die Landesregierung einen Runden Tisch Prostitution einrichten, bei dem es um die Umsetzung des Prostitutionsgesetzes und die Erarbeitung eines Handlungskonzeptes für notwendige landesrechtliche Anpassungen geht.

Die Ausgestaltung der in der Kleinen Anfrage thematisierten Steuer liegt allerdings als kommunale Aufwandsteuer in der alleinigen Verantwortung der kommunalen Ebene.