Barrierefreie Nutzung der gestalteten Lebensbereiche: Beabsichtigt die Landesregierung die DIN 18040 in die Liste der technischen Baubestimmung aufzunehmen?

Das Land Nordrhein-Westfalen verfolgt das Ziel, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. (Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 1)

Um die gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe (BGG § 4) zugänglich und nutzbar zu machen, werden in § 55 der Landesbauordnung NRW) Anforderungen an die Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher baulicher Anlagen formuliert.

In Absatz (4) wird beispielhaft aufgeführt, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um diese Barrierefreiheit herzustellen. Die aufgeführten Maßnahmen (stufenlos erreichbarer Eingang, lichte Durchgangsbreite von Türen, Abmessungen von Rampen und Podesten etc.) sind jedoch vor allem auf die Belange mobilitätseingeschränkter Menschen hin formuliert. So wird ausdrücklich ein Toilettenraum, der für Benutzerinnen und Benutzer von Rollstühlen geeignet und erreichbar ist, gefordert.

Die Belange von Menschen mit anderen Behinderungen, beispielsweise von Blinden oder Sehbehinderten, von Hörgeschädigten oder von geistig behinderten Menschen, werden nicht beachtet.

In der Praxis der Bauaufsichtsämter trägt dies dazu bei, dass Bauanträge für öffentlich zugängliche Gebäude genehmigt werden, die nur eingeschränkt barrierefrei sind. Umfassendere Anforderungen an die Barrierefreiheit werden beispielsweise in DIN-Normen aufgeführt. Diese DIN-Normen können angewendet werden, sie müssen es aber nicht. Sie werden erst dann verbindlich, wenn beispielsweise in einem Vertrag, in einem Gesetz oder in einer Verordnung auf sie Bezug genommen wird.

In der großen Mehrzahl der Bundesländer sind die DIN 18024-1, DIN 18024-2, DIN 18025-1 und DIN 18025-2 Bestandteil der dort geltenden Landesbauordnungen, indem sie in die Liste der technischen Baubestimmungen aufgenommen worden sind. Dadurch besteht Klarheit, dass sie auch bei Baugenehmigungen zugrunde zu legen sind.

Allein die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen haben keine dieser DIN-Normen als technische Baubestimmung eingeführt.

Seit Oktober 2010 ist die DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude erhältlich. Diese Norm stellt in den entsprechenden Überschneidungsbereichen den Ersatz für DIN 18024-2 dar; DIN 18024-2 wurde zurückgezogen.

In dieser neuen Norm werden noch stärker als in den älteren Normen die verschiedenen Einschränkungen berücksichtigt.

1. Beabsichtigt die Landesregierung, die DIN 18040 in die Liste der technischen Baubestimmung aufzunehmen?

2. Welche weiteren Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung zu ergreifen, um die barrierefreie Nutzung der gestalteten Lebensbereiche in NRW zu verbessern?

Paragraph 55 Absatz 1 NRW bestimmt, dass bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.

Dies bedeutet, dass im Gesetz selbst der Umfang und das Niveau der Barrierefreiheit geregelt wird. Außerdem gilt die Anforderung für Menschen mit allen Arten von Behinderungen.

Die gesetzliche Forderung, wonach die betreffenden Gebäude ohne fremde Hilfe zweckentsprechend nutzbar sein müssen, führt zur Gleichstellung mit allen anderen Nutzern des jeweiligen Gebäudes. Eine weitergehende Anforderung ist nicht möglich.

Diese umfassende Anforderung an die Barrierefreiheit nach § 55 Absatz 1 NRW wird durch § 55 Absatz 4 NRW nicht eingeschränkt. Der Gesetzgeber hat seinerzeit bestimmte Voraussetzungen für die Barrierefreiheit hervorgehoben, weil die in Absatz 4 genannten baulichen Maßnahmen nicht oder nur mit sehr großem technischen Aufwand nachträglich vorgenommen werden könnten.

In Nordrhein-Westfalen sind einschlägige Normen gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 als allgemein anerkannte Regeln der Technik einzuhalten. Danach sind bauliche Anlagen unter anderem so zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Die der Wahrung dieser Belange dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik sind zu beachten.

Anders als andere Länder hat Nordrhein-Westfalen nicht in § 3 bestimmt, dass lediglich die eingeführten technischen Baubestimmungen beachtet werden müssen. Daher gilt für die Bauaufsichtsbehörden in Nordrhein-Westfalen, dass sie bei jedem öffentlich zugänglichen Gebäude zu prüfen haben, ob die in § 55 Absatz 1 gestellten Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden; die einschlägigen Normen, zu denen selbstverständlich auch die DIN 18040 zählt, geben dabei vor, wie die gesetzlichen Anforderungen technisch umzusetzen sind.

Das Thema Barrierefreiheit ist seit einer Reihe von Jahren einer der Schwerpunkte auf den jährlichen Dienstbesprechungen mit den unteren Bauaufsichtsbehörden, an denen auch Vertreter der Baukammern teilnehmen.

Die oberste Bauaufsichtsbehörde hat außerdem in Zusammenarbeit mit den Baukammern und der Landesarbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände eine Checkliste für Planerinnen und Planer erstellt, um zu gewährleisten, dass bereits die Planungen für Gebäude gemäß § 55 NRW auf die Belange aller Menschen mit Behinderung Rücksicht nehmen.

Diese ist auf der Homepage des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr abrufbar, ebenso wie Erläuterungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 NRW.

Die Landesregierung hat daher derzeit keinen Anlass, die DIN 18040 als Technische Baubestimmung einzuführen. Im Zuge der für diese Legislaturperiode geplanten Erstellung eines Gesetzentwurfes zur Änderung der Landesbauordnung sollen auch etwa erforderliche Änderungen des § 55 NRW erörtert werden.