Phantomstudierende in Deutschland und Nordrhein-Westfalen

In Ostdeutschland gab es in der Vergangenheit keine Studienbeiträge zu entrichten. Das führte dazu, dass ­ so das Nachrichtenmagazin. Der Spiegel ­ sich Studierende an Hochschulen anmeldeten, ohne tatsächlich vor Ort ein Studium aufzunehmen.

Laut Spiegel hat sich z. B. ein Student nach dem Abschluss der Politikwissenschaften in München in Greifswald für ein Mathematikstudium eingeschrieben. Der Phantomstudent studiert dort ein Fach, an dem er kein Interesse hat und in einer Stadt, die er noch nie gesehen hat. Der Spiegel zitiert den Student mit den Worten Aber ich wahre für 50 Euro im Semester den Studentenstatus, kann mich günstig versichern und muss in meinem Job weniger Steuern bezahlen.

Im gleichen Artikel rät ein angehender Lehrer in einem Internetforum Schreib dich in Greifswald ein, günstiger gehts nirgends in der Bi-Ba-Bundesrepublik.

In: Der Spiegel (48/2010), Naher Osten, 29.11.2010. Ebd.

1. Wie bewertet sie den in dem Artikel geschilderten Missbrauch des Studierendenstatus, um dadurch an Vorteile zu gelangen, die eigentlich nur ordentlichen Studierenden zukommen sollten?

Aus Sicht der Landesregierung ist es mit Blick auf den Bildungsauftrag der Hochschulen nicht tragfähig, wenn die mit dem Studierendenstatus verbundenen Vorzüge genutzt werden, ohne dass tatsächlich studiert wird.

2. Sieht sie nach der Abschaffung auch der Langzeitstudienbeiträge die Gefahr, dass derartige Phantomstudenten in Nordrhein-Westfalen auf gleiche oder ähnliche Weise die Allgemeinheit ausnutzen?

Mit dem Gesetz zur Verbesserung von Chancengleichheit beim Hochschulzugang in Nordrhein-Westfalen sind keine Langzeitstudiengebühren abgeschafft worden. Langzeitstudiengebühren sind vielmehr bereits in der letzten Legislatur durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren (Artikel 1 des Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen vom 21. März 2006 (GV. NRW. S. 119) abgeschafft worden.

Nach § 64 Absatz 3 Satz 1 Hochschulgesetz können die Hochschulen durch Prüfungsordnung oder durch Ordnung regeln, dass die Anmeldung zum Erstversuch einer Prüfung spätestens drei Semester

a) nach dem Semester, in dem der Besuch der Lehrveranstaltung, dem die Prüfung nach dem Studienplan oder dem Studienablaufplan zugeordnet ist, nach diesen Plänen vorgesehen war, oder

b) nach dem Besuch dieser Lehrveranstaltung erfolgen muss. Desgleichen können in der Prüfungsordnung oder in einer Ordnung Fristen für die Wiederholung der Prüfung festgesetzt werden.

Falls die Hochschulen Fristen nach § 64 Absatz 3 Satz 1 Hochschulgesetz festgesetzt haben, verlieren gemäß § 64 Absatz 3 Satz 2 Hochschulgesetz diejenigen Studierenden ihren Anspruch auf Ablegung ihrer Prüfung, die nicht innerhalb des durch die Frist vorgegebenen Zeitraumes die Lehrveranstaltung besuchen oder sich zur Prüfung oder zur Wiederholungsprüfung melden. Anders ist dies dann, wenn die betreffenden Studierenden nachweisen, dass sie das Versäumnis der Frist nicht zu vertreten haben. Zudem gibt es Nachteilsausgleiche für besondere Lebenslagen, etwa für den Fall der Kindererziehung, der Gremienmitarbeit oder der studienzeitverlängernden Folgen einer Behinderung.

Diejenigen Studierenden, die auf der Grundlage des § 64 Absatz 3 Satz 2 Hochschulgesetz ihren Anspruch auf Teilnahme an einer nach der Prüfungsordnung erforderlichen Prüfung verloren haben, können nach § 51 Absatz 3 Buchstabe f Hochschulgesetz auch gegen ihren Willen exmatrikuliert werden.

Darüber hinaus können nach § 64 Absatz 3 Satz 3 Hochschulgesetz vorbehaltlich anderweitiger staatlicher Regelungen oder Regelungen in Leistungspunktsystemen die Hochschulen in Hochschulprüfungsordnungen sowie für Studiengänge mit staatlichen oder kirchlichen Prüfungen in besonderen Ordnungen vorsehen, dass die Wiederholung von Teilnahmevoraussetzungen im Sinne des § 64 Absatzes 2 Nummer 2 Hochschulgesetz beschränkt werden kann. Wenn eine derartige Beschränkung im Einzelfall greift, können die betreffenden

Studierenden endgültig in dem betreffenden Studiengang nicht mehr zur Prüfung mit der Folge zugelassen werden, dass sie gemäß § 51 Absatz 1 Buchstabe c Hochschulgesetz auch gegen ihren Willen exmatrikuliert werden müssen.

Das Hochschulgesetz gibt den Hochschulen mithin ­ und dies bereits seit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Hochschulreform aus dem Jahre 2004 (GV. NRW. S. 752) ­ hinreichende Steuerungsinstrumente zur Hand, mit denen verhindert werden kann, dass das Rechtsverhältnis des eingeschriebenen Studierenden zeitlich unbegrenzt bestehen bleiben kann, ohne dass diesem Rechtsverhältnis eine hinreichende Studienmotivation entspricht.

Es liegt allerdings im Verantwortungsbereich der Hochschulen unter Einbeziehung der Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe der Studierenden in den Fachbereichsräten derartige Regelungen in ihren Ordnungen zu verankern.

Schließlich bestehen auch im Bundessozialversicherungsrecht Anreize, ein ohne eine hinreichende Studienmotivation geführtes Studium zeitlich zu begrenzen. So ist eine Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Eltern ­ so eine solche besteht ­ gemäß § 10 Absatz 2 Nummer 3 SGB V nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres grundsätzlich möglich. Darüber hinaus steht gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 9 SGB V die studentische Krankenversicherung Studierenden grundsätzlich nur bis zum Ende des 14. Fachsemesters oder bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres offen. Für beide Versicherungsmöglichkeiten gilt, dass Ausnahmen darüber hinaus nur in gesetzlich bezeichneten besonderen Fällen zulässig sind.

3. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Aussage der ehemaligen Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft in der Begründung des Gesetzentwurfes Gesetz zur Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes, zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren sowie zur Änderung des Hochschulgesetzes vom 25. September 2002 (S. 19): Die öffentlichen Ressourcen sind jedoch nicht unbegrenzt. Die Gesellschaft kann nicht für eine beliebig lange Zeit die Kosten eines Studienplatzes übernehmen. Ein zeitlich unbegrenztes Studium ohne Eigenbeteiligung auf Kosten des Steuerzahlers ist weder hochschulpolitisch länger vertretbar, noch finanzpolitisch zu rechtfertigen. [...]

Diese Gebühren sind bildungspolitisch ein zukunftsorientiertes Steuerungsmittel, das die Hochschulen entlastet und volkswirtschaftliche Vorteile erzielt.?

Siehe Antwort zu Frage 2.

4. Welche Informationen hat sie darüber, wie die Zahl der Phantomstudierenden nach Einführung des Gesetzes im Jahr 2003 zurückgegangen ist?

Der Landesregierung liegen keine Zahlen zu sog. Phantomstudierenden vor. Dies liegt schon daran, dass dieser Begriff nicht eindeutig definiert werden kann.

5. Was wird sie unternehmen, um die nordrhein-westfälischen Hochschulen dabei zu unterstützen, damit es nicht wieder zu Phantomstudierenden wie vor 2003 in Nordrhein-Westfalen oder wie im Spiegel Artikel beschrieben kommt?

Siehe die Antworten zu Frage 2 und 4.