Demokratische Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken Kumulieren und Panaschieren bei Kommunalwahlen in NRW einführen
Nordrhein-Westfalen gehört zu den letzten Bundesländern, in denen die Bürgerinnen und Bürger kaum beeinflussen können, durch wen sie in den kommunalen Räten und Kreistagen vertreten werden. Grund hierfür ist das sogenannte personalisierte Verhältniswahlrecht mit starrer Liste, bei dem die Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen an Parteien vergeben. Die Parteien dürfen ihre Kandidaten dabei frei bestimmen und eine Rangfolge für den Einzug in die Parlamente festlegen. Die Abstimmenden haben hierauf keinen Einfluss.
Im Gegensatz dazu sehen die meisten anderen Bundesländer ein Wahlrecht vor, in dem die Bürgerinnen und Bürger über mehrere Stimmen verfügen, die sie direkt auf die Kandidaten einer oder mehrerer Parteien verteilen können. Dieser Vorgang heißt Panaschieren. Einzelne Bewerber dürfen dabei besonders gewichtet werden, indem ihnen mehrere Stimmen zugeordnet werden. Dieser Vorgang heißt Kumulieren. Durch Kumulieren und Panaschieren können die Bürgerinnen und Bürger also nicht nur die Partei ihrer Wahl unterstützen, sondern auch unmittelbaren Einfluss auf die jeweiligen Kandidatenlisten nehmen. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden somit selbst über die personelle Zusammensetzung ihrer lokalpolitischen Vertretungen. Alternativ ist es ihnen weiterhin möglich, auf herkömmliche Weise zu wählen und eine sogenannte Listenstimme an die gewünschte Partei zu vergeben.
Insgesamt werden die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger durch Wahlsysteme mit Kumulieren und Panaschieren also substanziell gestärkt. Darüber hinaus gibt es beim Kumulieren und Panaschieren keine Direktkandidaten und somit auch keine Ausgleichs- und Überhangmandate. Anders als in Nordrhein-Westfalen werden die lokalen Gremien also nicht künstlich ausgeweitet. Dies kann mitunter zu erheblichen Kosteneinsparungen und Effektivitätssteigerungen führen.
Obwohl der Vorgang des Kumulierens und Panaschierens von höherer Komplexität ist als das bestehende Wahlsystem in NRW, hat es sich in anderen Bundesländern bewährt und wird von den Wählerinnen und Wählern angenommen. Die Praxis zeigt allerdings, dass insbesondere die süddeutschen Varianten des Kumulierens und Panaschierens deutlich aufwändiger sind als die einzelner norddeutscher Länder.
Die Wahlberechtigten in Bayern dürfen beispielsweise so viele Stimmen abgeben, wie Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieder zu wählen sind. Dies kann insbesondere in größeren Kommunen mit vielen Rats- oder Kreistagsvertretern unübersichtlich werden und Irritationen hervorrufen. Für eine Übertragung auf Nordrhein-Westfalen mit seinen zahlreichen Oberzentren erscheint das Bayerische Kommunalwahlsystem daher nur bedingt geeignet.
Im Gegensatz dazu hat das Land Niedersachsen eine kompaktere Variante des Kumulierens und Panaschierens eingeführt, nach der die Wahlberechtigten jeweils drei Stimmen vergeben können. Dabei bleibt es den Wählerinnen und Wählern grundsätzlich selbst überlassen, ob sie ihre Stimmen auf verschiedene Listen bzw. Wahlvorschläge verteilen oder diese auf einen einzelnen Vorschlag konzentrieren.
Eine Übertragung des Niedersächsischen Wahlsystems auf Nordrhein-Westfalen würde die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger erheblich erweitern, ohne die praktische Durchführbarkeit des Wahlvorgangs übermäßig einzuschränken.
II. Der Landtag beschließt:
1. Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass das derzeitige Kommunalwahlsystem in NRW nicht mehr den Anforderungen einer modernen Bürgergesellschaft an ihre demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten entspricht.
2. Der Landtag spricht sich dafür aus, die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger durch die Einführung eines Kommunalwahlsystems mit Kumulieren und Panaschieren auszuweiten.
3. Die Landesregierung erhält den Auftrag, einen Gesetzentwurf zur Einführung des Kumulierens und Panaschierens bei kommunalen Rats- und Kreistagswahlen in Anlehnung an das Modell Niedersachsens zu erarbeiten und in den Landtag einzubringen.