Vertriebenen und Spätaussiedler aus Polen

Warum werden die deutschsprachige Minderheit in Polen sowie die Vertriebenen und Spätaussiedler aus Polen, die in NRW eine Heimat gefunden haben, so gut wie nicht in die Gestaltung des Polen-NRW-Jahres 2011/2012 eingebunden?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage:

Mit Datum vom 21. Januar 2011 hat die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NRW, Dr. Angelica Schwall-Düren, den Bericht über den aktuellen Umsetzungsstand zum Polen-NRW-Jahr 2011/12 vorgelegt.

Die Ministerin betont, dass Millionen deutscher Vertriebene in NRW eine Heimat gefunden haben, sowie in den letzten Jahrzehnten zusätzlich über 300.000 Spätaussiedler aus Polen und 112.000 polnische Staatsbürger. Es wird auf die Patenschaft des Landes NRW über die Landsmannschaft der Oberschlesier verwiesen, die seit 1964 besteht. Die Landesregierung unterstütze mit der Patenschaft das wertvolle kulturelle Erbe und will die Oberschlesier in ihrer Funktion als Brückenbauer zu Polen fördern. All die aufgeführten Menschen wirken heute - so die Ministerin ­ entscheidend an der Verständigung und Versöhnung mit und gehören zu den wichtigsten Multiplikatoren Nordrhein-Westfalens zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit Polen.

Die Liste der Aktivitäten im Rahmen des politisch-gesellschaftlichen Dialogs, Stand 30.03.2011, weist jedoch ausgerechnet für diese, nach eigenem Bekunden der Landesregierung, so wichtigen Gruppen kaum eine Beteiligung bzw. Einbindung auf.

Weder der Bund der Vertriebenen NRW, noch eine der Landesgruppen der Landsmannschaften (z.B. Landsmannschaft der Oberschlesier NRW, Landsmannschaft Schlesien NRW, Landsmannschaft Westpreußen etc.), geschweige denn einzelne Kreisgruppen dieser Landsmannschaften oder des NRW sind vertreten. Die gesamte Deutsch-Polnische Gesellschaft, die Städtepartnerschaftsvereine, Institutionen oder Gruppen der deutschen Volksgruppe des NRW-Partnerlandes Woiwodschaft Schlesien sind nicht in die Aktivitäten des Veranstaltungsjahres eingebunden. Dabei wirken besonders letztere an der Zukunft der deutsch-polnischen Partnerschaft z. B. durch bilinguale sprachliche Ausbildung mit.

1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung im Vorfeld des Polen-NRW-Jahres 2011/12 ergriffen, um Personen, gesellschaftliche Gruppen und Institutionen auf die Bewerbungsfrist und die Bewerbungsanforderungen für die Mittelvergabe aufmerksam zu machen? (Bitte einzeln mit Datum aufführen.)

Mit Schreiben vom 20. August 2010 wurden über 500 Multiplikatoren und Institutionen, welche im Bereich der deutsch-polnischen Beziehungen aktiv sind, angeschrieben und über den Wettbewerb zum bürgerschaftlichen Engagement im Rahmen des 2011/2012 informiert.

Parallel wurde auf der Internetseite der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien für den Wettbewerb geworben. Dort wurden die Teilnahmebedingungen veröffentlicht und die Bewerbungsunterlagen zum Herunterladen angeboten.

In einer Presseerklärung vom 6. Oktober 2010 wurde auf den Wettbewerb und alle formalen Aspekte detailliert hingewiesen. Über den Wettbewerb wurde in vielen Medien berichtet.

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Ausgewogenheit bzw. Differenziertheit der Träger, Vereine, Gruppen und Institutionen, die für Projekte im Rahmen des Polen-NRW-Jahres 2011/12 ausgewählt wurden?

Die Projekte sind ausgewogen und spiegeln die Bandbreite des bürgerschaftlichen Engagements in der Zusammenarbeit mit den polnischen Partnern wider.

3. Wer hat nach welchen Kriterien die 24 Projektträger aus den mehr als 100 Einsendungen ausgewählt? (Bitte sowohl die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums als auch die einzelnen Entscheidungskriterien differenziert aufführen.)

Die 24 Projektträger wurden von einer unabhängigen deutsch-polnischen Jury ausgewählt.

Mitglieder der Jury waren: Herr Prof. Dr. Dieter Bingen, Deutsches Polen-Institut, Darmstadt Herr Dr. Herbert Jakoby, Staatskanzlei NRW, Düsseldorf Herr Dr. Stephan Kaiser, Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen Frau Generalkonsulin Jolanta Koslowska, Polnisches Generalkonsulat, Köln Frau Katarzyna Sokolowska, Direktorin des Polnischen Instituts, Düsseldorf Herr Ministerialrat i.R. Klaus Weßler,

Die Bewertungskriterien der Jury waren detailliert im Leitfaden für Bewerber niedergelegt.

Dazu zählten insbesondere:

- der innovative und zukunftsweisende Charakter,

- die Modellhaftigkeit,

- die Intensität der Zusammenarbeit zwischen den nordrhein-westfälischen und polnischen Partnern sowie

- die Tragweite/Auswirkung/Multiplikatorwirkung der eingereichten Projekte.

Die von der Jury ausgewählten Projekte wurden durch die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien gebilligt.

4. Unterstützt die Landesregierung die Zielsetzungen des Projektträgers Humanistische Union, die für das Projekt Europäische Perspektiven der Erinnerungskultur ausgewählt wurde?

Die Auswahl und Förderung des Projektes Europäische Perspektiven der Erinnerungskultur lässt keine Rückschlüsse auf die Haltung der Landesregierung zur Humanistischen Union zu.

Das Bildungswerk der Humanistischen Union NRW, der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in NRW und die Landeszentrale für politische Bildung führen das o. g. Projekt im Sinne einer Kooperation gemeinsam durch. Die Humanistische Union ist eine 1961 gegründete, unabhängige Bürgerrechtsorganisation. Eine wichtige Voraussetzung für eine Kooperation ist die gegebene Verfassungsmäßigkeit der Organisation. Die Kooperationspartner orientieren sich an der gemeinsam erkannten Notwendigkeit eines stärkeren fachlichen Austausches zwischen den professionellen Akteuren der Geschichtskulturen in Deutschland und Polen und bringen ihre jeweilige fachliche Expertise sinnstiftend ein.

5. Mit welcher Begründung schließt die Landesregierung alle (mit Ausnahme des Oberschlesischen Landesmuseums Ratingen-Hösel) in NRW ansässigen und mit den Themenkreisen Flucht, Vertreibung, Aussiedlung, Spätaussiedlung und Deutsche Volksgruppe in der Republik Polen befassten gesellschaftlichen Gruppen (z. B. NRW, Landsmannschaften, Patenschafts- und Partnervereine, Deutsch-Polnische Gesellschaften), Institutionen (z. B. Westpreußen-Museum Münster, Haus Schlesien Königswinter) sowie Einrichtungen der Deutschen Volksgruppe im NRW-Partnerland Woiwodschaft Schlesien (z. B. Deutsche Freundschaftskreise) von den Projektumsetzungen aus?

Wie in Frage 1 ausgeführt, hat die Landesregierung auch den in Frage 5 genannten Organisationen die Möglichkeit eingeräumt, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen. Es ist unzutreffend, dass die Landesregierung die genannten Organisationen vom Wettbewerb oder Projektumsetzungen ausgeschlossen hat.