Glücksspiel

Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen.

Die Ministerpräsidentin hat die Kleine Anfrage 805 für die Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien wie folgt beantwortet: Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Galopprennen sind die wie für andere Nutztierrassen vom Staat gesetzlich vorgeschriebenen Leistungsprüfungen mit dem Ziel, eine planvolle und erfolgsorientierte Tierzucht zu ermöglichen. Nur mit denjenigen Vierbeinern, die dem Zuchtziel gerecht werden, soll künftig weiter gezüchtet werden. Wer dem Zuchtziel des Vollblutpferdes am besten entspricht, darüber geben die Galopprennen auf den deutschen Galopprennbahnen Auskunft. Der Galopprennsport und die Zucht von Vollblutpferden bieten Arbeitsplätze für rund 3.150 Menschen. Daneben besuchen im Jahr knapp eine Millionen Menschen gern als Zuschauer diese Leistungsprüfungen für Vollblüter auf den 40 deutschen Galopprennbahnen, von denen allein sieben in Nordrhein-Westfalen ansässig sind.

Nach dem Tierzuchtgesetz (§ 1 Abs. 2 ist der staatliche Gemeinwohlauftrag durch die Bereitstellung öffentlicher Mittel zu fördern. Dies geschieht derzeit vor allem über die rechtlich im Rennwetten- und Lotteriegesetz abgesicherte Rennwettsteuerrückvergütung.

Letztere liegt als vorkonstitutionelles Recht von 1922 in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und begründet so eine Ausnahmeregelung für das grundsätzliche Beihilfeverbot für neues Recht nach EU-Beihilferecht.

Am 6. April 2011 haben die meisten Ministerpräsidenten der Länder einen Kompromiss zum neuen Glücksspielstaatsvertrag gefasst. Dieser soll gemäß § 27 zukünftig auch die Pferdewette erfassen. Fraglich ist, ob es durch diese Einbeziehung nicht zu einer Neubewertung des Galopprennsports durch die EU käme und dadurch die Rennwettsteuerrückvergütung als Instrumentarium wegfallen könnte. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für den deutschen Galopprennsport, insbesondere für dessen Finanzierbarkeit und damit für den Erhalt vieler Arbeitsplätze auch in Nordrhein-Westfalen. Weder der Bund noch die Länder konnten den Vertretern des Galopprennsports bisher eine abschließende verlässliche Antwort auf diese rechtliche Bewertungsfrage geben, was bei den Betroffenen verständlicherweise zu nicht unerheblichen Irritationen geführt hat.

Außerdem sieht der neue Glückspielstaatsvertrag vor, dass die Vermittlung von Wetten in das Ausland sowohl auf deutsche als auch auf ausländische Wetten verboten werden soll.

Diese Wettvermittlung in das Ausland ist durch gerichtliche Entscheidungen ausdrücklich als rechtmäßig und sogar geboten bezeichnet worden. Ferner ist durch das OVG Hamburg klargestellt worden, dass die Länder die Materie des Rennsports nicht originär regeln können.

Darüber hinaus ergibt sich durch die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern im Bereich des Galopprennsports eine weitere Problematik: Im vorliegenden Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags wird vorgeschrieben, dass die Wette am Ort des Wetters besteuert wird. Dies führt bei der Vermittlung von Wetten an ausländische Totalisatoren ­ wie zum Beispiel dem staatlichen französischen Anbieter PMU ­ dazu, dass die Wette doppelt besteuert wird: einmal in Deutschland bei der Wettabgabe und ein zweites Mal in Frankreich.

Derlei Resultate aus der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages können nicht ernsthaft beabsichtigt sein. An verschiedenen anderen Stellen bemüht sich der deutsche Staat zu Recht darum, mit Doppelbesteuerungsabkommen eine mehrfache Veranlagung desselben Sachverhaltes durch bilaterale Abkommen ausdrücklich zu vermeiden.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Das Recht der Pferdewetten ist in Deutschland durch das Rennwett- und Lotteriegesetz (RWLG) vom 8. April 1922 (BGBl. I S. 393), zuletzt geändert durch Artikel 119 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), geregelt. Dieses Gesetz gilt gemäß Artikel 125 Nr. 1 GG als Bundesrecht fort, wobei die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) bzw. aus Artikel 105 Absatz 2 GG abgeleitet wird, soweit steuerrechtliche Regelungen getroffen wurden. Dementsprechend unterfallen Pferdewetten bislang nicht dem Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages, da sie dem kompetenziellen Zugriff der Länder entzogen sind.

Bereits im Vertragsverletzungsverfahren, das die Kommission im Jahre 2007 gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat, wurde auf Bedenken gegen die Stimmigkeit der deutschen Glücksspielregulierung u.a. deshalb hingewiesen, weil Pferdewetten auf der Basis des RWLG im Internet angeboten würden, für sonstige Glücksspiele aber ein umfassendes Internetverbot gelte (Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31. Januar 2008 im Vertragsverletzungverfahren Nr. 2007/4866, abgedruckt in 2008, 32, 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in den Urteilen vom 8. September 2010 (Rs. Markus Stoß, C316/07, Tz. 100, und Rs. Carmen Media, C-46/08, Tz. 67) im Rahmen der Ausführungen zur geforderten Kohärenz der Glücksspielregulierung zudem angemerkt, dass im Bereich der Pferdewetten ­ anders als derzeit etwa auf dem Feld der sonstigen Sportwetten ­ private Glücksspielanbieter legal tätig sind. An die genannten Entscheidungen anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Urteilen vom 24. November 2010 (8 C 13.09, 8 C 14.09, 8 C 15.09) eine rechtlich und tatsächlich widerspruchsfreie Ausgestaltung der Glücks spielregulierung an den vom Gesetzgeber angestrebten Zielen als erforderlich angesehen.

Bund und Länder sind sich daher einig, dass das Recht der Pferdewetten unter Berücksichtigung der historischen und tatsächlichen Besonderheiten dieses Bereichs dem Recht der übrigen Sportwetten anzunähern ist, um Widersprüchlichkeiten zu vermeiden und einen vergleichbaren Spielerschutz zu gewährleisten. Änderungen am System der Steuerrückvergütung nach § 16 RWLG ­ das nicht nur dem Galopp-, sondern auch dem Trabrennsport zugute kommt ­ sind dazu weder erforderlich, noch wurden diese in Aussicht genommen. Die ergänzenden Regelungen betreffen vielmehr Vorschriften über das Veranstalten und Vermitteln von Pferdewetten durch Buchmacher, über eine Spielersperre im Bereich der Buchmachertätigkeit, über Spielwerbung und den Schutz Minderjähriger, über die Gefahrenaufklärung, sowie hinsichtlich der Vermittlung von Pferdewetten über das Internet und in das Ausland. Vorgesehen ist dabei nicht, die Vermittlung von Wetten in das Ausland zu verbieten, sondern klarzustellen, dass Wetten nur an solche ausländischen Anbieter vermittelt bzw. nur von solchen ausländischen Veranstaltern angeboten werden dürfen, die über eine Erlaubnis hierzu nach deutschem Recht verfügen.

1. Aus welchen einzelnen inhaltlichen Erwägungen heraus soll die bislang durch das Rennwett- und Lotteriegesetz auf Bundesebene regulierte Pferdewette zukünftig durch die Länder geregelt werden, obwohl der Bund die Kompetenz hierfür nicht an die Länder übertragen hat?

Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Der Bund beabsichtigt, das RWLG um eine erweiterte Verordnungsermächtigung und eine Öffnungsklausel zu ergänzen. Dies wird es den Ländern gemäß Artikel 72 Absatz 1 GG ermöglichen, ergänzende rechtliche Regelungen zu treffen, um die notwendige Kohärenz des Regulierungssystems in den angesprochenen Punkten sicherzustellen.

2. Wie genau bewertet die Landesregierung die Gefahr und deren Folgen, dass bei einer Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes in der dargestellten Art eine neue beihilferechtliche Überprüfung der Rennwettsteuerrückvergütung durch die Europäische Kommission ausgelöst wird?

Die Europäischen Kommission ist jederzeit und unabhängig von Gesetzesänderungen oder der Notifizierung eines Gesetzgebungsvorhabens befugt, nationale Vorschriften unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu überprüfen.

Das RWLG ist überdies seit seiner Neubekanntmachung im Jahre 1964 insgesamt sechzehnmal geändert worden, davon allein sechsmal seit dem Jahre 2000. Eine Reihe dieser Änderungen betrafen, anders als die jetzt geplanten Anpassungen, steuerrechtliche Vorschriften, ohne dass dies der Europäischen Kommission Veranlassung gegeben hätte, das System der Steuerrückvergütung zu prüfen oder zu beanstanden. Da die jetzt geplanten Änderungen von nur geringem Ausmaß sind und keine steuerrechtlichen Normen betreffen, stuft die Landesregierung die angesprochene Gefahr als gering ein.

3. Sollte eine Beihilfeprüfung durch die Europäische Kommission zu dem Schluss kommen, dass die bisherige Praxis der Steuerrückerstattung an die Rennvereine zur Sicherstellung des Zuchtauftrags aufgrund der Neuregelung dann zukünftig eine nicht genehmigte Beihilfe darstellt, die so nicht mehr aufrecht erhalten werden kann: Auf welche Art und Weise genau würde die Landesregierung dann eine Kompensation der fehlenden Mittel zur Erfüllung des staatlichen Zuchtauftrags in anderer Form sicherstellen?

Die zur Förderung der Rennpferdezucht notwendige Finanzausstattung wird in jedem Fall auch zukünftig gewährleistet bleiben. Die Landesregierung sieht aufgrund der in der Antwort zu Frage 2 wiedergegebenen Einschätzung zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch keinen Anlass, Überlegungen bezüglich einer rein hypothetischen Veränderung der Finanzierungsbasis anzustellen.

4. Wie plant die Landesregierung im Einzelnen, mit der sich aus den oben dargestellten Sachverhalten heraus entstehenden Problematik der internationalen Doppelbesteuerung umzugehen?

Die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage dargestellte Konstellation löst kein Problem der Doppelbesteuerung aus, da, wie bereits ausgeführt, die Vermittlung von Wetten an Veranstalter, die nicht über eine Erlaubnis deutscher Behörden verfügen, zukünftig untersagt sein wird und ausländische Totalisatorunternehmen in Deutschland nicht genehmigungsfähig sind. Die Regelungen über die Besteuerung von Pferdewetten ergeben sich im Übrigen auch nach der beabsichtigten Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages weiterhin allein aus dem RWLG, steuerrechtliche Vorschriften werden in diesem Zusammenhang nicht geändert.

5. Aus welchen einzelnen fachlichen Erwägungen heraus geht die Landesregierung davon aus, dass sowohl der neue Glücksspielstaatsvertrag insgesamt als auch im Besonderen die Einbeziehung der Pferdewette in den Glücksspielstaatsvertrag in der aktuell seitens der MPK beabsichtigten Form gerichtsfest und europarechtskonform ist?

Die Verhandlungen über den neuen Glücksspielstaatsvertrag sind noch nicht abgeschlossen.

Der Entwurf wird derzeit im Licht der Ergebnisse der Anhörung, sowie unter Berücksichtigung der ausstehenden Rückäußerung der EU-Kommission im Rahmen des Notifizierungsverfahrens geprüft und fortentwickelt. Dies gilt auch hinsichtlich der für den Bereich der Pferdewette vorgesehenen Regularien, die in enger Abstimmung mit der Bundesseite konzipiert werden. Eine rechtliche Gesamtbewertung erfordert zudem die Einbeziehung der bundesrechtlichen Vorgaben im Bereich des gewerblichen Automatenspiels (Spielverordnung), deren exakte Ausgestaltung abzuwarten bleibt. Die Darlegung der Begründungszusammenhänge bleibt daher den amtlichen Erläuterungen zum Staatsvertragsentwurf vorbehalten, welche mit dem Vertragsentwurf vorgelegt werden sollen.