Stellenausstattung der Polizeipräsidien in Hessen

Vorbemerkung der Fragesteller: Innenminister Bouffier hat in den vergangenen Jahren nicht nur in massiver Weise Planstellen von Vollzugspolizeibeamten und Angestellten der Polizei abgebaut, sondern will auch nach eigenen Angaben bis 2008 zusätzliche 608 Angestelltenund 358 Polizeibeamtenstellen ersatzlos streichen. Damit verringert sich die Anzahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die für den Einsatz und die Gewährung der inneren Sicherheit vor Ort zur Verfügung stehen, immer mehr.

Doch damit nicht genug, selbst im Rahmen der jährlichen Stellenzuweisungserlasse des Innenministeriums sollen weitere Reduzierungen durch das Landespolizeipräsidium vorgenommen worden sein, sodass die Anzahl der Planstellen für Polizeivollzugsbeamte, die den einzelnen Polizeipräsidien zur Verfügung stehen, nochmals geringer ausfällt.

Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Entgegen der Vorbemerkung der Fragestellter hat sich die Anzahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die für den Einsatz und die Gewährung von unserer Sicherheit vor Ort zur Verfügung stehen, nicht reduziert, sondern - sogar erheblich - erhöht.

Zwar trifft es zu, dass die Landesregierung vor dem Hintergrund der anhaltend angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation und der damit verbundenen negativen Folgen für die öffentlichen Haushalte mit der "Operation Sichere Zukunft" das größte Sparpaket in der hessischen Geschichte verabschiedet hat.

Ein wesentliches Element ist dabei die strukturelle Begrenzung der Personalkosten, die dauerhaft nur über einen Stellenabbau zu gewährleisten ist.

Um der besonderen Bedeutung der inneren Sicherheit Rechnung zu tragen, wurde der Polizeibereich soweit als möglich ausgenommen und die zu erbringende Einsparquote reduziert.

Im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben des Zukunftssicherungsgesetzes werden bei den dem Landespolizeipräsidium nachgeordneten Behörden insgesamt 360 Stellen des Polizeivollzugsdienstes reduziert.

Hierfür werden 360 Stellen von Beamtinnen und Beamte herangezogen, die in den Jahren 2007 und 2008 aus Altersgründen ausscheiden und bis zur Pensionierung bei ihren Dienststellen verbleiben.

Jedoch konnte durch gezielte Maßnahmen zur Optimierung im Personal- und Organisationsbereich - auch ohne Berücksichtigung der Erhöhung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten - erreicht werden, dass heute landesweit Polizistinnen und Polizisten in größerem Umfang vor Ort präsent sind, als dies früher der Fall war:

Mit der 2001 begonnenen und im August dieses Jahres abgeschlossenen Ausbildungsoffensive im gehobenen Polizeivollzugsdienst wurde ein über die Ausscheiderate hinausgehender Personalzuwachs von rund 500 ausgebildeten Polizisten erzielt, wodurch die durch die rot-grüne Vorgängerregierungen verursachten Besetzungslücken der Vergangenheit geschlossen wurden.

Darüber hinaus hat die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn und die damit verbundene Einführung des zweijährigen Qualifikationsstudiums - gegenüber der zuvor bestehenden Ausbildungsbelastung - eine deutliche Reduzierung des ausbildungsbezogenen Personalausfalls erbracht: Seit dem Jahr 2004 stehen landesweit etwa 450 Beamtinnen und Beamte den Dienststellen zusätzlich zur Verfügung.

Dies bedeutet, dass dem Polizeivollzugsdienst trotz des durch die notwendigen Einsparungen erfolgenden Abbaus von 360 Stellen - auch ohne Berücksichtigung der Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten - tatsächlich 950 Beamtinnen und Beamten mehr zur Verfügung stehen.

Zusätzlich ist durch die Erhöhung der Arbeitszeit ein weiterer Kapazitätszuwachs im rechnerischen Gegenwert von landesweit insgesamt rund 1.

Beamtinnen und Beamten erwachsen.

Insgesamt konnte also - trotz der notwendigen Begrenzungen bei den Personalausgaben - durch gezielte Optimierungen die Polizeipräsenz vor Ort erhöht werden und die Präsenz in der Fläche gewahrt bleibe n.

Generell ist auch darauf hinzuweisen, dass ein bloßer Vergleich von Planstellen wenig aussagekräftig ist. So wurden unter rot-grünen Vorgängerregierungen Planstellen von Polizeivollzugsbeamten geführt, die jedoch häufig nicht besetzt oder für Angestellte verwandt wurden. Für eine sachgerechte Beurteilung ist deshalb auch die tatsächliche Besetzung darzustellen.

Um den Personaleinsatz der hessischen Polizei weiter zu optimieren und mehr Gerechtigkeit und Ausgewogenheit bei der Personalverteilung zu erreichen, wurde darüber hinaus die Verteilung des Personals auf die Polizeipräsidien einer intensiven und wissenschaftlich fundierten Prüfung unterzogen.

Aus diesem Grund wurde die sogenannte Arbeitsgruppe "AG Personal" eingerichtet.

Die Arbeitsgruppe hat - unter wissenschaftlicher Begleitung der Bergischen Universität Wuppertal - Institut für Arbeitsgestaltung, Qualifizierung und Analyse (AQA) - die Arbeitsbelastung und das zur Verfügung stehende Personal der Polizeipräsidien untersucht. Als Belastungsparameter wurden die folgenden "harten Daten" erfasst, die rund 90 v.H. der polizeilichen Daten der Polizeipräsidien abbilden:

- Straftaten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS - 16 Deliktsgruppen),

- Verkehrsunfälle,

- Verkehrsstraftaten.

Zur Erhöhung der Transparenz und Akzeptanz wurden weitere Daten hinzugezogen:

- Haft- und Vorführungsbefehle,

- Leichensachen (nicht erfasst von der PKS),

- Brände (nicht erfasst von der PKS),

- Telekommunikationsüberwachungen,

- Vermisstenfälle,

- Falschgeld (außerhalb der PKS),

- Staatsschutz (außerhalb der PKS).

Mögliche Schwankungen beim Deliktsaufkommen wurden ebenfalls berücksichtigt.

Die Berechnungen ergaben, dass zwar einige Präsidien im Hinblick auf die Belastung im Wesentlichen personell bedarfsgerecht ausgestattet sind, bei anderen Polizeipräsidien aber Abweichungen hinsichtlich der Arbeitsbelastung im Vergleich zur Personalausstattung bestehen.

Danach steht den Polizeipräsidien in Mittelhessen und Südosthessen wegen ihrer im Verhältnis hohen Aufgabenbelastung mehr Personal zu, als sie bisher hatten. Das Polizeipräsidium Mittelhessen erhält bereits im kommenden Jahr 96 zusätzliche Polizeivollzugsbeamtenstellen und das Polizeipräsidium Südosthessen zusätzliche 18.

Anstatt Planstellen zwischen den Polizeipräsidien zu verlagern, sollen Planstellen der Bereitschaftspolizei in Anspruch genommen werden, um den Anspruch der ausgleichsberechtigten Behörden zu bedienen.

Damit kommt es in zwei großen Flächenpräsidien zu Stellenzuwächsen, die diese Behörden zu einer nachhaltigen Verbesserung der Betreuung der Bürgerinnen und Bürger nutzen werden. Dass keine einzige Stelle bei den anderen Polizeipräsidien weggenommen wird, versetzt diese Behörden wiederum in Lage, ihr bereits heute verhältnismäßig dichtes Betreuungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger auch in der Zukunft aufrechtzuerhalten.

Mit diesem Ansatz erreicht die hessische Polizei eine ausgewogene, weil an den Arbeitsbelastungen orientierte, Personalverteilung.

Die hessische Polizei hat damit ein wissenschaftlich fundiertes und anerkanntes Berechnungsmodell, auf dessen Grundlage das vorhandene Personal auf der Basis repräsentativer Daten belastungsorientiert und somit effektiv auf die jeweiligen Präsidien aufgeteilt werden kann.

Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Effektivierung polizeilicher Tätigkeit leistet die bereits im Oktober 2000 eingeführte Wachpolizei. Nachdem sie zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts bei den Polizeipräsidien Nordhessen, Mittelhessen und Frankfurt am Main mit insgesamt 110 Angestellten erprobt wurde, stehen seit 2002 bei sämtlichen Präsidien insgesamt 360 Wachpolizistinnen und Wachpolizisten zur Verfügung. Darüber hinaus erfolgte im Rahmen des PVS-Projekts "Verstärkung der Wachpolizei" in 2005 eine zusätzliche Erhöhung um weitere 24 Wachpolizistinnen und Wachpolizisten.

Die Einrichtung einer Wachpolizei dient der Entlastung der Polizeibeamtinnen und -beamten von Aufgaben, die keine hohe Sicherheitsrelevanz haben und auch von nicht voll ausgebildeten Polizeikräften erfüllt werden können.

(Anmerkung:

Bei der Beantwortung der Fragen 3,4 und 5 bzw. der analogen Betrachtung der übrigen Polizeipräsidien wurden die Zahlen zu bestimmten Stichtagen erhoben. Dagegen beziehen sich die in den Fragen 2 und 6 bzw. den in den analogen Darlegungen zu den übrigen Polizeipräsidien dargestellten Verringerungen der Stellenanzahl auf alle in dem Zeitraum zwischen zwei Zuweisungserlassen eingetretenen Veränderungen, da die Stellenanzahl der Behörden stetigen Anpassungen unterworfen ist. Die Frage nach der Anzahl der (Plan-)Stellen für die Wachpolizei, die drei Monate oder länger unbesetzt waren, lässt sich in dieser Form nicht beantworten, da die Anzahl der freien Stellen jeweils zu bestimmten Stichtagen erhoben wird. Hier wurde daher ebenfalls ein Stichtag festgesetzt. Für die Beantwortung der Frage 11 bzw. die analoge Betrachtung der übrigen Polizeipräsidien wurden die von den Behörden gemeldeten Stunden unter Zugrundelegung der 42-Stunden-Woche (entspricht 176,4 Stunden im Monat) in eine Personenanzahl umgerechnet.)

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantwortet der Minister des Innern und für Sport die Große Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Frage 1. Wie viele Planstellen für Polizeivollzugsbeamte wurden in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 dem Polizeipräsidium Nordhessen jeweils nominell zugewiesen?

Die Verringerung der Planstellenanzahl vom Jahr 2003 zum Jahr 2004 war Konsequenz einer Stellenumwandlung. Im Polizeibereich war teilweise seit mehr als zehn Jahren eine Reihe von (Plan-)Stellen entgegen der vorgesehenen Laufbahn oder Beschäftigtengruppe, z. B. Planstellen des Polizeivollzugsdienstes mit Angestellten, besetzt. Um den Grundsätzen einer klaren Haushaltsführung und dem Umstand, dass nicht von einer nur vorübergehenden anderweitigen Besetzung auszugehen ist, konsequent Rechnung zu tragen, wurden die Stellenpläne- und übersichten daher mit dem Haushalt 2004 an die tatsächliche Besetzung angeglichen, in dem landesweit insgesamt 415 Planstellen des Polizeivollzugsdienstes in Arbeiter- bzw. Angestelltenstellen sowie Planstellen für Fach- und Verwaltungsbeamte umgewandelt wurden. Damit ging keine Verringerung der tatsächlich vorhandenen Beschäftigten einher. Vielmehr werden in dem Stellenplan und den Stellenübersichten hierdurch nunmehr die tatsächlichen Verhältnisse abgebildet und die Transparenz der Darstellung erhöht. Insbesondere ging damit keine Verminderung der für die originären vollzugspolizeilichen Aufgaben vorhandenen Kräfte einher, da die umgewandelten Planstellen tatsächlich nicht mit ausgebildeten Polizeivollzugsbeamtinnen und beamten besetzt waren.