Krankenpflege

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Aufwand beim Vollzug der Erzwingungshaft

Neben dem Aufwand bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften war ein erheblicher Aufwand beim Justizvollzug feststellbar.

In Nordrhein-Westfalen sind von den insgesamt 37 Justizvollzugsanstalten 13 für die Erzwingungshaft männlicher Bußgeldschuldner und zwei für die Erzwingungshaft weiblicher Bußgeldschuldnerinnen zuständig.

Bei Haftantritt werden erkennungsdienstliche Maßnahmen wie das Fertigen von Lichtbildern und das Abnehmen von Finger- und Handflächenabdrücken vorgenommen. Darüber hinaus wird durch den Anstaltsarzt oder einen Bediensteten des Krankenpflegedienstes der Gesundheitszustand des Betroffenen erhoben und dokumentiert. Wird bei der Aufnahme festgestellt, dass der Betroffene aufgrund seines Krankheits- oder Gemütszustands einer besonderen Beobachtung bedarf, sind im Hafthaus besondere Maßnahmen notwendig.

Der Betroffene wird zudem nach hilfsbedürftigen Angehörigen oder nicht versorgten Haustieren befragt. Besteht bei hilfsbedürftigen Angehörigen die Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen, müssen die Vollzugsbediensteten die zuständige Verwaltungsbehörde des Ortes, an dem sich die Angehörigen aufhalten, unverzüglich benachrichtigen. Bei zu versorgenden Haustieren wird der Kontakt zu nahen Angehörigen gesucht.

Im Anschluss hieran erhält der Betroffene in der Kleiderkammer die übliche Gefangenenausstattung (Bettwäsche, Geschirr, Besteck etc.) und ggf. die entsprechende Anstaltskleidung. Der Betroffene darf nur mit seiner Einwilligung zusammen mit anderen Gefangenen untergebracht werden, sodass vor einer Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle erst das Einverständnis eingeholt werden muss.

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Die Vollzugsbeamten erfassen den Betroffenen im Zugangsbuch und berechnen sodann minutengenau ab dem Zeitpunkt der Festnahme die zu verbüßende Haftzeit. Unter Umständen befindet sich der Betroffene nur für ein paar Stunden in Haft. Aufgrund der minutengenauen Haftzeitberechnung sind die Betroffenen auch manchmal spätabends oder nachts zu entlassen.

Im Justizvollzug sind für die Erzwingungshaft die Haftkostensätze je Gefangenem und Hafttag anzusetzen. Im Jahr 2008 betrug dieser Haftkostentagessatz 77,24. Nach den dem LRH zur Verfügung gestellten Daten sind im Jahr 2008 landesweit insgesamt 9.864 Tage Erzwingungshaft vollstreckt worden und somit Erzwingungshaftkosten in Höhe von rund 760.000 entstanden.

Hat der Betroffene die Erzwingungshaft verbüßt, erhält er seine persönliche Habe zurück und wird sodann aus der Haft entlassen. Soweit seine eigenen Mittel nicht ausreichen, gewährt die Anstalt dem Entlassenen eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie auf Wunsch Reiseverpflegung, wenn er das Entlassungsziel erst nach vier Stunden erreichen kann. Die Verpflegung wird nicht in Naturalien, sondern in Form eines Barbetrages entsprechend einem viertel, halben oder vollen Tagessatz ausgegeben.

Nach den Feststellungen des LRH erhielten Erzwingungshäftlinge häufig Beihilfen zu ihren Reisekosten, da sie ohne finanzielle Mittel für die Rückfahrt eingeliefert wurden. Verpflegungsbeihilfen waren weitaus seltener, kamen jedoch auch vor.

Würdigung

Der LRH hat gegenüber dem Justizministerium (JM) als Ergebnis seiner Prüfung am 01.02.2010 dargelegt, dass durch die Erzwingungshaftverfahren allein im Justizhaushalt des Jahres 2008 Personalkosten von mindes- 65 - JM tens 2,7 Mio. bei den Amtsgerichten und weiteren rund 1,9 Mio. bei den Staatsanwaltschaften sowie Haftkosten von rund 760.000 verursacht wurden. Rechnet man weitere, vom LRH nicht quantifizierte Personalkosten für Boten- und Wachtmeisterdienste sowie Sachkosten, insbesondere Auslagen für Zustellungen, hinzu, so kann die Gesamtbelastung des Justizhaushalts 2008 durch Erzwingungshaftverfahren mit wenigstens 6 Mio. veranschlagt werden.

Der weit überwiegende Teil der Bußgeldschuldner zahlte spätestens angesichts der den Haftbefehl vollstreckenden Polizei. Allerdings wurde regelmäßig auch nur das Bußgeld von oft lediglich 10 gezahlt, da dies nach geltender Rechtslage zur Abwendung der Erzwingungshaft ausreicht und zwar unabhängig vom Fortschritt des Verfahrens. Die Verfahrenskosten (Verwaltungsgebühren und Auslagen) können nicht im Erzwingungshaftverfahren beigetrieben werden, d. h. die Betroffenen können nicht durch Androhung von Erzwingungshaft zur Zahlung der Kosten angehalten werden. Zwar hätten die Verwaltungsbehörden ihre Kosten im Wege der Vollstreckung beitreiben können, verzichteten aber in der Regel darauf und schlugen diese Forderungen unbefristet nieder. Dies führte im Ergebnis dazu, dass derjenige, der mit der Zahlung seiner Geldbuße am längsten wartete und die meisten Kosten verursachte, rückwirkend betrachtet weniger zahlen musste als derjenige, der unmittelbar nach Erhalt des Bußgeldbescheides die Geldbuße und die Kosten der Verwaltungsbehörde freiwillig beglich.

Der LRH hat u. a. darauf hingewiesen, dass Kommunen, die seitens der Amtsgerichte aufgefordert worden waren, die eigenen Vollstreckungsmaßnahmen zu intensivieren, deutlich weniger Erzwingungshaftanträge stellten als vergleichbare Kommunen. Zu intensiveren Vollstreckungsbemühungen zählen neben Fahrzeug- und Kontenpfändungen auch die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, von der die Kommunen - soweit erkennbar - keinen Gebrauch machten.