Erneute Öffnung der B 256 (Schladernring) für Motorradfahrer an Wochenenden

Wie verantwortlich geht die Landesregierung mit sich abzeichnenden Gefahren um?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage:

In einer Pressemitteilung vom 31.03.2011 warnte Innenminister Jäger zum Auftakt der Motorradsaison unter der Überschrift Fahrspaß ja - aber sicher! u.a. vor zu schnellem Fahren vor allem auf Landstraßen und in unübersichtlichen Kurven. Bereits bis Ende März 2011, so ließ sich der Pressemitteilung entnehmen, seien zehn Motorradfahrer zu Tode gekommen, 166 Biker wurden schwer und 310 leicht verletzt.

Nach einer erschreckenden Unfallentwicklung bei Motorradunfällen mit vielen Toten und Schwerverletzten die bereits in den 90er Jahren begann, hat der Oberbergische Kreis in Abstimmung mit dem Rhein-Sieg-Kreis und der Bezirksregierung Köln das unter Motorradfahrern als sog. Schladernring bekannte Teilstück der B 256 zwischen Waldbröl und Windeck von April bis Oktober an Wochenenden für Kradfahrer gesperrt. Diese Sperrung hat bei der Verkehrsunfallentwicklung zu einer Reduzierung der Kradunfälle im Mittel um 2/3 geführt.

Auch die Zahlen der Kradunfälle im gesamten Oberbergischen Südkreis (Bereich der Polizeiwache Waldbröl) gingen um nahezu die Hälfte zurück.

Als Ergebnis dieser Sperrung lässt sich also festhalten, dass eine aus Sicht vieler Beteiligter erfreuliche Entwicklung sich verstetigt hat. Sowohl der Oberbergische Kreis und der Rhein Sieg-Kreis als auch die jeweiligen Kreispolizeibehörden und die Bezirksregierung sprechen sich daher für eine Beibehaltung bzw. Fortschreibung dieser Sperrung aus.

Durch Ablauf der Befristung dieser Maßnahme wird jedoch nun seitens des Landesbetriebs Straßen NRW und des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr in Besprechungen und Schriftverkehr eine Tendenz übermittelt, die sich für eine erneute Öffnung dieser Teilstrecke der B 256 für Motorradfahrer auch an Wochenenden ausspricht.

Obwohl verschiedenste bauliche Maßnahmen bereits ausreichend diskutiert wurden, kommen das MWEBWV und der Landesbetrieb Straßen NRW, zuletzt am 14.03.2011, zu dem Ergebnis, dass auch über den gesperrten Bereich hinaus, mit sog. Rüttelstreifen an 6 Stellen der Versuch unternommen werden soll, der Strecke ihre Attraktivität für Motorradfahrer, speziell an Wochenenden, zu nehmen. und weiter: ... dass das Landesverkehrsministerium, nachdem dort ein Rechtsgutachten erstellt worden sei, unmissverständlich ausgeführt habe, dass vor einer dauerhaften (unbefristeten) Sperrung zunächst alle verkehrs- und bautechnischen Maßnahmen auszuschöpfen sowie notwendige Überwachungsmaßnahmen durchzuführen sind.

Die Umsetzung der baulichen Maßnahmen (Rüttelstreifen, Entfernung von Straßenbäumen, Aufstellen zusätzlicher Gefahrenzeichen) soll in der Zeit vom 15.08.2011 - 30.08.2011 erfolgen.

1. Hält die Landesregierung die seit 2004 bestehende Sperrung für eine erfolgreiche Maßnahme zur Reduzierung von Motorradunfällen auf Landstraßen und kurvenreichen Strecken im Sinne der Pressemitteilung des Innenministeriums vom 31.03.2011?

Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen müssen nach den Vorschriften der stets verhältnismäßig sein. Deshalb kommen Streckensperrungen für einzelne Kraftfahrzeugarten erst in Frage, wenn weniger einschneidende Maßnahmen bereits ausgeschöpft wurden bzw. nicht erfolgreich waren. Dies wurde vorliegend noch nicht geprüft. Außerdem bedürfen auf Dauer angelegte Streckensperrungen straßenrechtlich einer Abstufung. Die B 256 ist nun bereits seit sieben Jahren an den Wochenenden für Motorradfahrer gesperrt. Nach dieser langen Zeit ist es aus den genannten Gründen geboten nach einer der Streckensperrung gleichwertigen - Alternative zu suchen.

2. Ist es zutreffend, dass trotz gegenteiliger Auffassung der beteiligten Kreise, der Kreispolizeibehörden und der Bezirksregierung die teilweise Sperrung nicht verlängert und stattdessen im genannten Zeitraum mit Baumaßnahmen begonnen werden soll?

Der Landrat des Oberbergischen Kreises hat am 7. Februar 2011 die Sperrung der B 256 für Krafträder und die ausgewiesene Umleitungsstrecke (in der bis 2010 verfügten Art und Weise) auch für das Jahr 2011 verkehrsrechtlich angeordnet. Diese verkehrsrechtliche Anordnung bleibt unangetastet.

Unabhängig davon haben aufgrund erfolgreicher Maßnahmen mit Rüttelstreifen an anderen Orten in Nordrhein-Westfalen (z.B. B 514 Kalldorf, L 755 Altenbeken, L 165 Hardtbrücke, L 439 Velbert) der Landesbetrieb Straßenbau NRW und das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr Überlegungen angestellt, ob mit Rüttelstreifen die Sperrung der B 256 ggf. aufgehoben werden könnte. Diese Überlegungen sind noch nicht abge schlossen. Im Fall der gesperrten B 256 konnten sechs Stellen gefunden werden, wo Rüttelstreifen ohne Gefährdungspotential für Motorradfahrer (d.h. auf geraden Straßenabschnitten) angelegt werden können. Aufgrund dieser Anzahl wird ein ausreichender Verlust an Attraktivität für rennsportähnlich fahrende Motorradfahrer erwartet. Durch die Rüttelstreifen werden auch normale Freizeitkradfahrer daran erinnert, mit angepasster Geschwindigkeit zu fahren. In einer Besprechung am 1. Dezember 2010 haben sich neben den Polizeibehörden die örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde und die Bezirksregierung Köln gegen eine Öffnung der B 256 für Krafträder ausgesprochen, weil sie eine Zunahme von schweren Unfällen unter Beteiligung von Motorradfahrern befürchteten. Für diese Entscheidung war maßgeblich, dass bis zum damaligen Zeitpunkt nur zwei Stellen für den Einbau von Rüttelstreifen vorgesehen waren, so dass den genannten Behörden die baulichen Maßnahmen als Ersatz für die Sperrung nicht ausreichend erschienen. Mittlerweile konnten im Verlauf der B 256 sechs geeignete Stellen für den Einbau von Rüttelstreifen gefunden werden, so dass im Streckenverlauf von den vernünftig fahrenden Motorradfahrern eine weitgehend durchgängig angepasste Geschwindigkeit erwartet werden kann.

Das Ergebnis der weiteren Abstimmungsgespräche, in die auch die Polizei einbezogen wird, bleibt abzuwarten.

3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass ein Versuch eine angemessene staatliche Maßnahme im Hinblick auf sich abzeichnende Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit vieler Motorradfahrer und anderer Verkehrsteilnehmer ist, obwohl die teilweise Sperrung zum gewünschten Ergebnis geführt hat?

In der Antwort zur Frage 1 wurde dargelegt, warum grundsätzlich eine Sperrung nur das letzte Mittel sein kann, unzureichende Verkehrsverhältnisse zu verbessern. Deshalb kann die versuchsweise Öffnung der B 256 am Wochenende in Verbindung mit der Anordnung einer ausreichenden Anzahl von Rüttelstreifen und Polizeipräsenz ein probates Mittel sein, eine durchgängig angepasste Fahrweise der Motorradfahrer zu erreichen.

4. Hält die Landesregierung die geplanten baulichen Maßnahmen im Hinblick auf die besondere Straßensituation des Schladernrings (unmittelbar ineinander übergehende Kurven ohne ausreichend längere gerade Strecken) für geeignet, um zukünftig Unfälle -im gleichen Maß wie durch die Sperrung geschehen - zu vermeiden?

Eine Unfallvermeidung im gleichen Maß wie durch die Sperrung kann nicht eintreten, weil die Strecke im Gegensatz zu VORHER nicht mehr für Motorradfahrer gesperrt ist. Durch die sechs eingebauten Geschwindigkeitsbremsen wird jedoch mit einer - hinsichtlich Motorradfahrern - unauffälligen Unfallentwicklung gerechnet.

5. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund mehrerer im Internet unter einsehbarer Videos, die den besonderen Fahrgenuss dieser Strecke für Kradfahrer herausstellen, die Gefahr, das mit einer erneuten Öffnung an Wochenenden geradezu ein Run auf diese Strecke einsetzen wird?

Für nahezu jeden Motorradtreff und nahezu jede sog. Motorradstrecke finden sich mittlerweile im Internet zahlreiche Hinweise. Deshalb ist es auch wenig Erfolg versprechend, Strecken für Motorradfahrer auf Dauer zu sperren, weil diese dann auf andere Straßen ausweichen. Wesentlich wichtiger ist es daher, Motorradstrecken für rennsportähnlich fahrende Motorradfahrer unattraktiv zu machen, um damit die Anzahl und die Schwere von Verkehrsunfällen abzusenken. Dazu dienen die Bemühungen des Landesbetriebes Straßenbau NRW und der Landesregierung.