Jugendstrafanstalt

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetzzur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Hessen (Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz - HJStVollzG)

A. Problem:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (BVerfG 2 BvR 1673/04 und 2 BvR 2402/04 - ZJJ 2006, S. 193) festgestellt, dass die bisherigen Regelungen zum Jugendstrafvollzug mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Dem Gesetzgeber hat es aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2007 eine verfassungsmäßige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Es hat dabei umfassende inhaltliche Vorgaben für eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzuges geschaffen. Da die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen ist, sind die Länder in der Pflicht, innerhalb der Frist Regelungen zum Jugendstrafvollzug zu schaffen. Es bedarf daher eines Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Hessen. Das materielle Jugendstrafrecht fällt dagegen weiterhin in die Zuständigkeit des Bundes.

Dies gilt auch für das Strafvollstreckungsrecht und das gerichtliche Verfahren (z.B. bei Beschwerden gegen Entscheidungen der Jugendstrafanstalt). Dies kann daher nicht Gegenstand des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes sein.

B. Lösung:

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft die verfassungsrechtlich notwendige gesetzliche Grundlage für den Jugendstrafvollzug in Hessen.

Er setzt dabei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf Grundlage der internationalen Übereinkommen und Standards um.

Der Gesetzentwurf setzt dabei folgende Schwerpunke:

- Ein eigenständiges Jugendstrafvollzugsgesetz entspricht dem besonderen Charakter des Jugendstrafvollzugs gegenüber dem Erwachsenenvollzug besser, als Regelungen für den Erwachsene nvollzug nur punktuell abzuändern.

- Der besonderen Situation der jungen Strafgefangenen wird auch dadurch Rechnung getragen, dass sie durchgängig als "Jugendgefangene" bezeichnet werden.

- Als Ziel des Vollzugs wird allein das Erziehungsziel eines künftigen straffreien Lebens formuliert.

- Offene Vollzugsformen erhalten de n Vorrang vor geschlossenen Formen. Sie werden die gesetzliche Regel. Dies entspricht dem Erziehungsziel, den internationalen Erfahrungen und den Forderungen der Fachverbä nde.

- Für jeden Jugendgefangenen wird ein Förderplan erstellt, bei dem der Jugendgefangene mitwirken kann. Fördervereinbarungen werden angestrebt.

- Die Entlassungsvorbereitung ist von Anfang an Bestandteil des Förderplans.

- Die Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Stellen, Einrichtungen und Personen wird gestärkt.

- Die Jugendgefangenen werden in Wohngruppen von nicht mehr als acht Personen untergebracht.

- Die Ausbildung, Fortbildung und berufliche Bildung der Jugendgefangenen werden besonders gefördert.

- Zur Aufrechterhaltung fa miliärer und sonstiger Bindungen wird eine Mindestbesuchszeit von acht Stunden pro Monat festgelegt und die Möglichkeit von Langzeitbesuchen für Kinder, Ehegatten und Lebenspartner der Jugendgefangenen eingeräumt.

- Soweit die Jugendstrafanstalt hierzu technisch ausgerüstet ist, kann den Jugendgefangenen die Möglichkeit eingeräumt werden, neue Medien (Internet, E-Mail) unter Aufsicht zu nutzen.

- Der Arrest als Fall der Einzelhaft wird als Disziplinarmaßnahme nicht vorgesehen, weil die Einzelhaft als Bestrafung internationalen Konventionen widerspricht.

- Den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend wird eine unabhängige Beschwerdestelle bei jeder Jugendstrafanstalt eingerichtet, an die sich die Jugendgefangenen wenden können.

C. Befristung:

Das Gesetz wird nicht befristet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Jugendstrafvollzugsgesetz von Verfassungs wegen zwingend notwendig und kann daher nicht befristet werden.

D. Alternativen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (Drucks. 16/5938) und der von der Landesregierung angekündigte Gesetzentwurf.

E. Kosten

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 (a.a.O.) betont, dass die personellen und sachlichen Mittel, die zur Erfüllung der Aufgaben des Jugendstrafvollzuges erforderlich sind, laufend zur Verfügung gestellt werden müssen. Eventuell auftretende Mehrkosten, die durch die konsequente erzieherische Ausgestaltung des Vollzuges, insbesondere durch eine höhere Betreuungsdichte, entstehen und nicht an anderer Stelle eingespart werden können, sind aus Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen. Einmalige Investitionskosten entstehen durch die Einrichtung weiterer Plätze im Offenen Vollzug und die Ausgestaltung der Wohngruppen in den Jugendstrafanstalten. Inwieweit Plätze im Offenen Vollzug durch Umwidmung von bisherigen Plätzen im geschlossenen Vollzug geschaffen werden können, bedarf der genaueren Prüfung. Personeller Mehrbedarf entsteht durch die vorgesehene Betreuungsdichte. Die Mehrkosten für den Haushalt des Landes werden auf derzeit etwa 5 bis 7 Mio. jährlich geschätzt.

F. Auswirkungen, die Frauen anders oder in stärkerem Maße betreffen als Männer Keine.

G. Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen Keine.

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen: Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Hessen (Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz - HJStVollzG) Vom Erster Abschnitt: Grundsätze

§ 1 Anwendungsbereich:

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe in Hessen.

(2) Jugendgefangene im Sinne dieses Gesetzes sind Gefangene in Einrichtungen des Jugendstrafvollzugs (Jugendstrafanstalten).

§ 2 Erziehungsziel

Der Vollzug der Jugendstrafe verfolgt das Ziel, den Jugendgefangenen ein Leben ohne Straftaten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck ist die Entwicklung der Jugendgefangenen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern.

§ 3 Gestaltung des Vollzuges:

(1) Während des Vollzuges der Jugendstrafe sind alle Jugendgefangenen in der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie in der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit in Achtung der Rechte anderer zu fördern.

(2) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden. Die Belange der Sicherheit der Anstalt und der Allgemeinheit sind zu beachten. Die Jugendgefangenen sind vor wechselseitigen Übergriffen zu schützen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges wird entgegengewirkt. Der Vollzug wird von Beginn an darauf ausgerichtet, dass er den Jugendgefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit ohne Straftaten einzugliedern.

(3) Sachliche Mittel, Auswahl der erzieherischen Mittel und Methoden, personelle Ausstattung und Organisation der Einrichtunge n des Jugendstrafvollzuges sind an dessen Zielsetzung, den Inhalten und den methodischen Vorgehensweisen auszurichten.

§ 4 Mitwirkung der Jugendlichen

Die Jugendgefangene n sollen aktiv an der Erreichung des Erziehungsziels mitwirken. Ihre Bereitschaft dazu ist durch eine geeignete Förderplanung, durch die Bereitstellung motivierender Lerngelegenheiten sowie durch unterstützende Maßnahmen zu wecken und zu fördern.

§ 5 Leitlinien der Förderung und Erziehung:

(1) Grundlage der erzieherischen Förderung im Vollzug sind alle Maßnahmen und Programme, welche die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendgefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Erziehungsziels entwickeln und stärken. Hierzu ist der Vollzug aufzulockern und in geeigneten Fällen weitgehend in freien Formen durchzuführen.

(2) Durch differenzierte Angebote wird so weit wie möglich auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Förderbedarf der Jugendgefangenen eingegangen. Bei der Konzeption des Vollzuges und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Jugendgefangenen berücksichtigt.

(3) Die erzieherische Förderung richtet sich insbesondere auf die zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten und ihren Folgen sowie auf schulische Bildung.