Altenpflege

Gesetzentwurf der Landesregierung Gesetz zur Änderung des Landesaltenpflegegesetzes A Problem

Mit dem Erlass des Altenpflegegesetzes auf Bundesebene ist im Jahr 2003 die bisherige landesrechtliche Grundlage für eine Umlagefinanzierung der Altenpflegeausbildung entfallen (Umlageverordnung vom 28.9.1994). Das Umlageverfahren in NRW ist damit ausgelaufen. Gleichzeitig wurden durch den Bund besondere Anforderungen für ein Umlageverfahren eingeführt.

Nach § 25 Altenpflegegesetz ist ein sogenanntes Ausgleichsverfahren (Umlage) nur zulässig, um einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern oder zu beseitigen. Liegen die Voraussetzungen vor, werden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass zur Aufbringung der Mittel für die Kosten der Ausbildungsvergütung von den Pflegeeinrichtungen Ausgleichsbeiträge erhoben werden, und zwar unabhängig davon, ob dort Abschnitte der praktischen Ausbildung durchgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Voraussetzungen dabei für das konkrete Bundesland auf der Grundlage einer spezifischen Analyse begründet werden. Allgemeine Prognosen zur Ausbildungsplatzentwicklung und Gerechtigkeitserwägungen für die Begründung eines Ausgleichsverfahrens alleine sind nicht ausreichend.

Die genannten Voraussetzungen für die auf § 25 Altenpflegegesetz gestützte Einführung eines Ausgleichsverfahrens liegen konkret auf NRW bezogen aktuell vor.

B Lösung:

1) Mangel an Ausbildungsplätzen Grundlage für die konkret auf NRW bezogene Berechnung des Ausbildungsbedarfs ist die Landesberichterstattung Gesundheitsberufe 2010 2010) aus dem Frühjahr 2010 mit der - erstmals mittels einer sektorenübergreifenden Erhebung in den Bereichen Alten und Krankenpflege - eine Analyse der Beschäftigungssituation und des Ausbildungsplatzbedarfes im Bereich der Pflegeberufe vorgenommen wurde.

Der 2010 lagen die Datenbestände der Landesstatistiken aus dem vierten Quartal 2007 sowie die Ergebnisse einer eigens durchgeführten empirischen Erhebung in den ausbildenden und versorgenden Einrichtungen Nordrhein-Westfalens im Dezember 2009 zugrunde. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) Köln hatte bereits auf der Grundlage dieser Daten festgestellt, dass in NRW im Jahr 2010 mindestens 1200 Absolventinnen und Absolventen im Bereich der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege fehlten.

Seitdem hat sich die Situation nochmals verschärft. U.a. ist laut Pflegestatistik im Zeitraum vom 15.12.2007 bis zum 15.12.2009 die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW von 485.000 auf 509.000 deutlich gestiegen. Mit den inzwischen vorliegenden statistischen Daten aus dem vierten Quartal 2009 ließ sich nunmehr eine Synchronisierung mit den Ergebnissen der empirischen Erhebung im Dezember 2009 herstellen und ein genaueres Bild des Personalbedarfes zeichnen. Die Berechnungen der 2010 wurden deshalb aktualisiert. Es hat sich nunmehr ein deutlich höherer Fehlbedarf bei den Absolventenzahlen im Jahr 2010 ergeben:

Bereits Ende 2010 fehlten in NRW rund 3000 Absolventinnen und Absolventen in den Pflegeberufen. Der Schwerpunkt liegt im Bereich der dreijährigen Altenpflegefachkraftausbildung. Es wurden rund 2500 Altenpflegerinnen und Altenpfleger zu wenig ausgebildet.

Da es sich hierbei um Vollzeitäquivalente handelt, ist die tatsächliche Anzahl der benötigten Absolventinnen und Absolventen aufgrund der hohen Teilzeitquote noch deutlich höher.

Da die Fachseminare für Altenpflege ihre Kapazitäten bisher weitgehend der Zahl der Ausbildungsplätze anpassen konnten, ist der Mangel an Absolventinnen und Absolventen vorrangig auf fehlende Ausbildungsplätze/-verträge bei den Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten zurückzuführen. Es besteht ein direkter Zusammenhang.

Die gesetzliche Voraussetzung Mangel an Ausbildungsplätzen liegt damit konkret auf NRW bezogen wissenschaftlich belegt vor. Die Feststellung bezieht sich zudem - anders als in den zum Teil gerichtlich beanstandeten Verordnungsbegründungen anderer Bundesländer - auf einen bereits eingetretenen Mangel und stellt damit nicht lediglich eine Mangelprognose dar.

Dieser Mangel ist auch von einiger Dauer und nicht nur vorübergehender Natur. Der Fehlbedarf von z. Zt. mindestens 2.500 fehlenden Altenpflegefachkräften stellt insoweit eine Bugwelle dar, die zunächst nach und nach abgetragen werden muss. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des damit verbundenen steigenden pflegerischen Versorgungsbedarfs der Bevölkerung wird in Prognosen aber zudem von einem weiteren erheblichen Anstieg des Fachkräftebedarfs in der Altenpflege ausgegangen, weshalb die Ausbildungszahlen dauerhaft angehoben werden müssen.

2) Erforderlichkeit des Ausgleichsverfahrens

Zur Behebung dieses Mangels ist die Einführung einer Umlagefinanzierung der Ausbildungsvergütungen erforderlich.

Wie die Regelung des § 25 zeigt, sieht schon das Altenpflegegesetz eine mögliche Ursache für ein unzureichendes Angebot an Ausbildungsplätzen in der besonderen Belastung der ausbildenden Pflegeinrichtungen mit den Kosten der Ausbildungsvergütung, die zu einem

Wettbewerbsnachteil gegenüber den nichtausbildenden Pflegeinrichtungen führen. Wie das ausdrücklich fest stellt, sieht das Altenpflegegesetz die Umlagefinanzierung als Ausnahmeregelung genau für den Fall vor, dass länderbezogen abweichend von der Regelerwartung des Gesetzes durch die allgemeinen Ausbildungsrahmenbedingungen kein ausreichendes Ausbildungsangebot geschaffen wird: Eine mögliche Ursache für ein unzureichendes Angebot sieht das Gesetz in der besonderen Belastung der ausbildenden Pflegeeinrichtungen mit den Kosten der Ausbildungsvergütung, die zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber den nichtausbildenden Pflegeeinrichtungen führen kann; denn es stellt als Mittel zur Abhilfe ein Umlageverfahren bereit, durch das die unterschiedlichen Belastungen ausgeglichen wird v. 29.10.2009, 3 C 28/08).

Die dargestellten Fehlbedarfe an Absolventinnen und Absolventen belegen, dass sich die dem Bundesaltenpflegegesetz zugrunde liegende Regelerwartung, ein angemessenes Angebot an Ausbildungsplätzen werde ohne besondere Finanzierungsunterstützung bereit gestellt, in Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt hat.

Ohne die Maßnahme Abbau von Wettbewerbsnachteilen als dem tragenden Wirkungsmechanismus einer Umlagefinanzierung wird ein ausreichender Abbau des Ausbildungsplatzmangels in Nordrhein-Westfalen nicht zu bewerkstelligen sein.

Dies ergibt sich zum einen aus den besonderen Rahmenbedingungen in NRW für die Ermittlung der Leistungsentgelte der Pflegeeinrichtungen im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen. Anders als in anderen Bundesländern können in NRW die Einrichtungen die Ausbildungsvergütungen nicht durch Abrechnung der Auszubildenden auf den Personalschlüssels als Teil des allgemeinen Pflegsatzes refinanzieren. Die Ausbildungsvergütungen werden vielmehr zu 100% zu dem zur Erfüllung der allgemeinen Qualitätsanforderungen erforderlichen Pflegesatz addiert. Damit wird zwar eine Refinanzierung gewährleistet, die vollständig additive Finanzierung führt in NRW aber zu einer besonders deutlichen Verteuerung der Leistungsentgelte ausbildender Einrichtungen gegenüber nichtausbildender Einrichtungen.

Das Land hat keine rechtliche Möglichkeit, in diese Regelungen innerhalb des Pflegesatzgeschehens einzugreifen.

Die dadurch im Vergleich zu nicht ausbildenden Einrichtungen höheren Pflegesätze stellen aber einen Wettbewerbsnachteil auf dem Pflegemarkt dar. Dieses Problem haben die Einrichtungen auch bei der im Rahmen der Landesberichterstattung Gesundheitsberufe durchgeführten Befragung zurückgemeldet. Rund 15 Prozent der befragten Einrichtungen gaben sogar an, zukünftig weniger auszubilden, da die Kosten für Ausbildung die Tagessätze erhöhen.

Dieser Wettbewerbsnachteil gegenüber nicht ausbildenden Pflegeeinrichtungen ist gerade auch in NRW nach Einschätzung der hier tätigen Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste ein wichtiger Grund, weshalb die Einrichtungen in den letzten Jahren nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben.

Andere geeignete Maßnahmen zur Beseitigung des nachhaltigen Ausbildungsplatzmangels stehen nicht zu Verfügung. Insbesondere ist eine Übernahme der Ausbildungskosten durch Dritte nicht darstellbar. Eine wirkungsgleiche Entlastung der Einrichtungen von den Ausbildungskosten ist auf andere Weise nicht zu erreichen.

Es ist davon auszugehen, dass die Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste nach Einführung eines Ausgleichsverfahrens mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen werden, weil dann kein Wettbewerbsnachteil der ausbildenden Einrichtung mehr besteht.