Nach Nr 11 sollen Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen in den Förderplan aufgenommen werden

Alltagsgestaltung teilzunehmen und sich an der Selbstverwaltung in der Jugendstrafanstalt zu beteiligen (§ 27). Hier können konkrete Pflichten oder Ziele festgelegt werden, die sich im Einzelfall aus der Organisation und der Alltagsgestaltung in der jeweiligen Jugendstrafanstalt ergeben.

Nach Nr. 11 sollen Maßnahmen zum Ausgleich der Tatfolgen in den Förderplan aufgenommen werden. Die Regelung stellt vornehmlich sicher, dass eine materielle Schadenswiedergutmachung im Rahmen des Möglichen bei der Vollzugsgestaltung berücksichtigt wird. Darüber hinaus kommen weitergehende Ausgleichsbemühungen der Jugendgefangenen beispielsweise im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleiches in Betracht.

Nr. 12 sieht vor, dass sich der Förderplan zu Möglichkeiten von Maßnahmen der Schuldenregulierung zur Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gefangenen äußert. Es soll vermieden werden, dass die Jugendgefangenen nach der Entlassung mit Schulden und wirtschaftlichen Zwangslagen belastet sind.

Die Entlassungsvorbereitung ist vom Tag der Aufnahme in die Jugendstrafanstalten an Bestandteil der Förderplanung. Alle hierauf gerichteten Maßnahmen sind gemäß Nr. 13 im Förderplan aufzuführen. Insbesondere die in

§ 7 vorgesehene Einbeziehung Dritter hat - auch - unter dem Gesichtspunkt der Entlassung bzw. Nachsorge zu erfolgen (vgl. § 18 Abs.1 Satz 1). Soweit schulische und berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen beabsichtigt sind, ist bereits bei deren Beginn die Fortsetzung in Freiheit einzuplanen, falls eine Beendigung während der Vollzugszeit nicht in Betracht kommt.

Nach Nr. 14 ist im Förderplan auch die Person zu benennen, die dafür verantwortlich ist, die Entlassungsplanung zu koordinieren. Diese Person soll den Jugendgefangenen schon zu Beginn des Vollzuges bekannt sein. Ziel dieser Zuordnung ist zum einen, dass die Jugendgefangenen einen bestimmten Ansprech- und Gesprächspartner haben, an den sie sich ohne lange Anmeldungs- und Terminformalitäten mit ihren Sorgen und Nöten wenden können. Zum anderen ist unter pädagogischen Gesichtspunkten die Möglichkeit des Kontaktes zu einer bestimmten und nicht fortlaufend wechselnden Person geeignet, ein Vertrauens- und besonderes Betreuungsverhältnis entstehen zu lassen, das die Möglichkeiten einer positiven Einwirkung auf die Jugendgefangenen im Sinne des Erziehungsziels wesentlich verbessern kann.

Nr. 15 sieht Ausgleichsmaßnahmen vor, falls die in den zuvor genannten Ziffern aufgeführten Maßnahmen nicht oder nur unzureichend angeboten werden. Insbesondere in den zentralen Bereichen der schulischen und beruflichen Fördermaßnahmen sind die Jugendstrafanstalten aufgerufen, nach geeigneten Alternativ- bzw. Ersatzangeboten zu suchen. Dies wird in Hessen insbesondere die weiblichen Jugendgefangenen betreffen, die nicht in selbstständigen Jugendstrafanstalten untergebracht werden und denen deswegen vor Ort nicht immer jugendgerechte Angebote der schulischen und beruflichen Bildung gemacht werden können.

In jedem Förderplan sollen zudem mit den Jugendgefangenen konkrete Fristen vereinbart werden, innerhalb derer der Förderplan überprüft und fortgeschrieben wird (Nr. 16). Die in Abs. 2 genannten Fristen stellen eine Mindestbedingung dar. Insbesondere bei kurzen Haftzeiten kann es sinnvoll sein, die Frist von drei Monaten zu unterschreiten.

Nach Abs. 4 werden auch die Personensorgeberechtigten in die Förderplanung einbezogen, indem ihnen Gelegenheit gegeben wird, eigene Anregungen und Vorschläge zu machen. Hierdurch wird nicht nur sichergestellt, dass der Vollzug diese besonders wichtige Erkenntnisquelle zur Entwicklung der Gefangenen ausschöpft, sondern auch, dass die vor und nach dem Vollzug für die jungen Menschen verantwortlichen Personen über den Vollzug ausreichend informiert werden und das Recht zur Entscheidung über deren Angelegenheiten während des Vollzuges soweit wie möglich aufrecht erhalten bleibt. Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begrenzt die Möglichkeit zur Verpflichtung minderjähriger Gefangener, etwa im Bereich der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung oder der Arbeit. Das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG rechtfertigt es nicht, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes entsprechende bestmögliche Förderung zu sorgen. Das Grundgesetz hat die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg des Kindes nach Abschluss der Grundschule zunächst den Eltern als den natürlichen Sachwaltern für die Erziehung des Kindes überlassen. Die primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.

Diese Verfahrensweise bietet zwei Vorteile: Zum einen erhalten die Personensorgeberechtigten die Chance zur aktiven Mitgestaltung von Anbeginn des Vollzuges an, zum anderen kann der Vollzug die Personensorgeberechtigten in die Bemühungen zur Erreichung des Erziehungszieles als Partner einbeziehen, die nach der Entlassung in diesem Sinne weiterwirken können.

Das kann allerdings nur insoweit gelten, als sich die Vorstellungen der Personensorgeberechtigten in einem realistischen Rahmen bewegen und sich mit den vollzuglichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten decken. Zudem müssen das Kindeswohl und die wachsende Selbständigkeit der Jugendgefangenen berücksichtigt werden.

Gemäß Abs. 5 werden der Förderplan und seine Fortschreibungen der Vollstreckungsleitung bekanntgegeben, damit diese sie zur Grundlage für ihre Entscheidungen nehmen kann. Gegenüber den Personensorgeberechtigten ist eine Bekanntgabe vorgesehen, sofern sie das Verlangen danach äußern. Mit dieser Einschränkung wird der Erfahrung Rechnung getragen, dass viele Angehörige von Jugendgefangenen kein oder nur ein sehr geringes Interesse zeigen, an der Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges mitzuwirken.

Zu § 11 (Verlegung und Überstellung)

Die Vorschrift enthält die allgemeine Grundlage für Verlegungen und Überstellungen im Verlauf des Vollzuges. Ihr gehen § 57 (Verlegung aus medizinischen Gründen) und § 66 (sichere Unterbringung) als speziellere Vorschriften vor.

Abs. 1 kennt zwei Formen der Verlegung oder Überstellung: Nur mit ihrer Zustimmung können Jugendgefangene abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn dies dem Erziehungsziel oder der Eingliederung nach der Entlassung dient. Darunter fallen etwa Fälle, in denen die andere Anstalt näher am Wohnort wichtiger Angehöriger liegt oder eine spezielle Ausbildung ermöglicht (Satz 1). Eine Verlegung oder Überstellung aus pädagogischen Gründen ohne Zustimmung des Betroffenen verstößt gegen das Prinzip der Freiwilligkeit. Es kann für den Verlegten zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen führen, weil soziale Beziehungen in der ursprünglichen Jugendstrafanstalt abgebrochen werden und in der neuen Anstalt wieder aufgebaut werden müssen (vgl. BVerfG Beschl. v. 27. Juni 2006 - 2 BvR 1295/05).

Ohne ihre Zustimmung können Jugendgefangene daher nach Satz 2 nur dann verlegt oder überstellt werden, wenn erhebliche Störungen der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt nicht anders abgewendet werden können oder wenn andere zwingende Gründe es verlangen. Die Gründe für die Verlegung oder Überstellung müssen von Gewicht sein. Eine willkürliche Verlegung oder Überstellung unbequemer Jugendgefangener ist unzulässig, weil sie in den meisten Fällen durch die Herauslösung aus den Zusammenhängen der Jugendstrafanstalt und ihren sozialen Beziehungen die Förderung beeinträchtigt. Die Verlegung oder Überstellung aus zwingenden Gründen erfordert zudem weitere Verfahrensschritte: Die Gründe sind den Jugendgefangenen zu erläutern und zu begründen, und es muss eine Rechtsbehelfsbelehrung durchgeführt werden (Satz 4). Die Verlegung oder Überstellung muss den Jugendgefangenen rechtzeitig mitgeteilt werden, damit sie sich auf die Veränderung einstellen können (Satz 5). Sie müssen Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen (Satz 6). Abs. 2 regelt, welche Personen und Stellen von einer Verlegung oder Überstellung informiert werden müssen. Die Unterrichtung hat unverzüglich zu erfolgen.

Zu § 12 (Sozialtherapie)

Die Sozialtherapie gehört im Erwachsenenvollzug für bestimmte Gefangenengruppen zum gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungsstandard (§§ 9, 123 StVollzG). Sie wird mit dieser Vorschrift auch für den Jugendstrafvollzug verbindlich eingeführt. Damit wird die Forderung des Bundesverfassungsgerichts aus seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 umgesetzt, wonach der Staat den Vollzug so ausgestalten muss, dass pädagogische und therapeutische Angebote in dem Maße vorhanden sind, wie es zum Erreichen des Vollzugsziels erforderlich ist.

Anders als im Erwachsenenvollzug wird die Sozialtherapie im Jugendstrafvollzug nicht nur für Sexualstraftäter vorgesehen. Für die sozialtherapeutische Behandlung kommen auch Jugendgefangene in Frage, die andere schwere Taten mit erheblichen Folgen für ihre Opfer begangen haben. Die Sozialtherapie ermöglicht so eine intensive und fokussierte Auseinandersetzung auch mit schweren Gewalttaten und mit Tätern mit hohem Aggressionspotential. Allerdings bedeutet diese Vorschrift nicht, dass die Auseinandersetzung mit Gewaltdelikten künftig nur noch in sozialtherapeutischen

Einrichtungen oder Abteilungen stattfinden sollte. Die meisten jugendlichen Gefangenen haben Erfahrungen mit Gewalt - sei es als Täter, als Opfer oder in beiden Rollen. Die Auseinandersetzung mit Gewalt, Aggression und friedlichen Konfliktlösungsstrategien muss deswegen ein integraler Bestandteil des gesamten Jugendstrafvollzuges bleiben (vgl. Walter ZfJ 2006, 402).

Nur für Jugendgefangene, die wiederholt schwere Gewaltdelikte mit erheblichen Verletzungsfolgen begangen haben und bei denen eine entsprechende Störung ihrer sozialen und persönlichen Entwicklung vorliegt, erscheint eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung oder Abteilung daher sinnvoll (Abs. 1). Um den Handlungsspielraum der Anstalten nicht unnötig einzuschränken, sieht Abs. 2 eine Ausnahme für Fälle vor, in denen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen, eine Verlegung aber aus erzieherischen Gründen sinnvoll erscheint.

Die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung ist in jedem Fall von der Zustimmung des Jugendgefangenen abhängig (Abs. 1 und 2). Freiwilligkeit ist die unverzichtbare Voraussetzung für jede Form der Therapie und ist daher auch für die Verlegung in die Sozialtherapie zu fordern. Die Bereitschaft zu einer solchen Behandlung kann ermutigt, aber nicht erzwungen werden. Jugendgefangene, die der Verlegung zunächst nicht zugestimmt haben, erhalten die Gelegenheit, diese Entscheidung zu überdenken und können nach drei Monaten einen entsprechenden Antrag auf Verlegung stellen (Abs. 3). Abs. 4 ermöglicht es, die Jugendgefangenen aus der sozialtherapeutischen Einrichtung oder Abteilung zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung nicht erreicht werden kann. Erforderlich sind Gründe, die in der Person des Jugendgefangenen liegen. Ein solcher Grund liegt beispielsweise vor, wenn der Jugendgefangene über längere Zeit therapeutisch nicht erreichbar ist oder wenn er die Ordnung und Sicherheit in der sozialtherapeutischen Einrichtung oder Abteilung nachhaltig stört.

Abs. 5 betrifft die organisatorischen Voraussetzungen für sozialtherapeutische Einrichtungen und Abteilungen im Jugendstrafvollzug. Die Vorschrift erlaubt die bundesländerübergreifende Einrichtung und Nutzung sozialtherapeutischer Angebote. Eine bedarfsgerechte Planung dieser Einrichtungen und Abteilungen lässt sich auf diese Weise unter Umständen sinnvoller realisieren. Gerade für weibliche Jugendgefangene kann angesichts ihrer geringen Anzahl vermutlich nicht in jedem Bundesland ein eigenes sozialtherapeutisches Angebot eingerichtet werden. Allerdings ist dafür zu sorgen, dass auch bei der Unterbringung in einem anderen Bundesland das Prinzip der Wohnortnähe gewahrt bleibt, um die Kontinuität der sozialen Beziehungen außerhalb des Vollzuges nicht zu gefährden.

Zu § 13 (Offener und geschlossener Vollzug) Abs. 1 stellt klar, dass der Vollzug der Jugendstrafe sowohl in offenen als auch in geschlossenen Formen stattfinden kann. Offene Vollzugsformen sind dabei entsprechend § 141 StVollzG solche, in denen keine oder verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vorgesehen sind. Der geschlossene Vollzug beschreibt demgegenüber eine gegen Entweichen gesicherte Unterbringung.

Abs. 2 legt abschließend die Voraussetzungen fest, unter denen die Unterbringung im geschlossenen Vollzug zulässig ist. Die Vorschrift stellt damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des offenen Vollzuges auf, der damit zur gesetzlichen Regel wird. Diese klare gesetzgeberische Entscheidung wird schon vom Erziehungsgedanken gefordert - Erziehung bedeutet nach der Intention des Gesetzes die Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten und die kontinuierliche Ermutigung zu eigenverantwortlichem und sozialem Verhalten.

Erziehung in diesem Sinne enthält die Verpflichtung, dem Jugendgefangenen die größtmögliche Freiheit zu geben, begrenzt allein durch das Erziehungsziel selbst und durch berechtigte Sicherungsbedürfnisse der Anstalt und der Allgemeinheit. Für die Unterbringung im offenen Vollzug spricht auch der Grundsatz der Subsidiarität, nach dem weniger einschneidende Maßnahmen den Vorzug verdienen, soweit sie zur Erreichung des Vollzugsziels in gleicher Weise geeignet sind. Des Weiteren schreibt § 3 Abs. 2 den Grundsatz fest, dass das Leben im Vollzug dem Leben in Freiheit weitestmöglich angeglichen werden soll. Auch aus diesem Grund verdienen offene Vollzugsformen den Vorzug vor geschlossenen. Die schädlichen Wirkungen des Freiheitsentzuges sind hinlänglich bekannt. Der geschlossene Vollzug führt in vielen Fällen zum Abbruch der sozialen Beziehungen außerhalb des Vollzuges, fördert die Entwicklung krimineller Subkulturen in der Anstalt und stellt eine erhebliche psychische Belastung für die Gefangenen dar.