Warum kassiert die Kirche bei konfessionslosen Bürgerinnen und Bürgern Kirchgeld ein?
Am 14. Februar 2001 führte die damalige rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Wolfgang Clement auf Wunsch der evangelischen Landeskirche das sogenannte Kirchgeld in Nordrhein-Westfalen ein. Danach können bekenntnislose Ehepartner zu Zahlungen an die Kirche herangezogen werden, wenn der andere Partner Kirchenmitglied ist und über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt.
Die damalige Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN Sylvia Löhrmann seinerzeit u. a.: Wir haben ferner gesagt, die Kirchen leisten wichtige Arbeit, die wir in vielen Fällen unterstützen.
Es geht um Flüchtlingspolitik, es geht um viele soziale Aufgaben. Wir haben auch die Erwartung, dass die Kirchen etwa in der Frage der Kindergärten weiterhin ihre wichtige sozialpolitische Funktion wahrnehmen, und sehen das Kirchgeld als einen Baustein für eine gute Kooperation mit den Kirchen, auf die wir Wert legen, weil wir auch Ansprüche an die Kirchen haben. (Plenarprotokoll 13/21)
Nach Informationen der inzwischen eingestellten Wochenzeitung Rheinischer Merkur (Ausgabe vom 25.02.2010) werden von den Einnahmen aus Kirchensteuer und Kirchgeld etwa fünf Prozent für soziale Zwecke verwendet.
Vorbemerkung der Landesregierung:
Es wird auf die Antworten zu den Kleinen Anfrage 896 und 917 des Abgeordneten Ralf Michalowsky der Fraktion DIE LINKE, die nahezu zeitgleich gestellt wurden und thematisch ebenfalls die Finanzierung der Kirchen betreffen, verwiesen.
Das besondere Kirchgeld ist eine Form der Kirchensteuer. Es wird erhoben, damit auch ein in einer glaubensverschiedenen Ehe verheiratetes kirchensteuerpflichtiges Kirchenmitglied, das über kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen verfügt, nach Maßgabe der Steuergerechtigkeit und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Kirchensteuer zahlen und dadurch zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben beitragen kann.
Das besondere Kirchgeld ist keine an die Einkommenssteuer anknüpfende Steuer (Annexsteuer), sondern eine Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht.
Sie wird ausschließlich im Fall der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer erhoben, sofern ein Ehegatte der Kirche und der andere Ehegatte keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört. Sie wird nicht erhoben, wenn die Ehegatten getrennt oder besonders zur Einkommensteuer zu veranlagen sind.
Das besondere Kirchgeld wird dabei nach Maßgabe gestaffelter Steuertabellen erhoben. Es bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen der Ehegatten. Auch beim besonderen Kirchgeld wird somit das Kirchenmitglied besteuert, so dass keine Besteuerung nach in der Person des nicht kirchenangehörigen Ehegatten liegenden Kriterien gegeben ist.
1. In wie vielen Fällen wurde zwischen 2001 und 2011 das Kirchgeld erhoben?
2. Wie viel Geld haben die Kirchen zusätzlich neben der Kirchensteuer durch das Kirchgeld seit 2001 eingenommen? (bitte im Einzelnen nach Religionsgemeinschaften und Jahren auflisten)
Da es sich beim besonderen Kirchgeld nicht um eine Steuer des Landes handelt, obliegt die Feststellung sowohl über die Zahl der Fälle, in denen das besondere Kirchgeld erhoben wurde als auch über die Höhe des Aufkommens aus dem besonderen Kirchgeld nicht dem Land, sondern den jeweiligen Religionsgemeinschaften. Aus diesem Grund sind die erbetenen Zahlen hier nicht bekannt.
3. Sieht die Landesregierung nach wie vor die Notwendigkeit des Kirchgeldes vor dem Hintergrund, dass nur fünf Prozent der Einnahmen für soziale Zwecke ausgegeben werden?
Ob und welche Notwendigkeit zur Erhebung eines Kirchgeldes besteht, hat nicht der Staat, sondern die diese Steuer erhebende Religionsgemeinschaft zu entscheiden. Gleiches gilt für die erbetene Bewertung der Verwendung der solchermaßen erhobenen Mittel.
Die Landesregierung ist gleichwohl überzeugt, dass die Kirchen mit den von ihnen erhobenen Steuern dazu beitragen, wichtige Leistungen für die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu erbringen.
4. Wie viele Klagen von nordrhein-westfälischen Bürgern gegen das Kirchgeld sind der Landesregierung bekannt (bitte chronologisch auflisten)? Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgelds sind nicht gegen das Land, sondern gegen die jeweilige Steuer erhebende Religionsgemeinschaft zu richten. Der Landesregierung ist daher die Anzahl der Klagen gegen das besondere Kirchgeld nicht bekannt. In diesem Zusammenhang sei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.10.2005 (I R 76/04) verwiesen, in dem die Verfassungsmäßigkeit des Kirchgeldes festgestellt worden ist.
5. In welche Daten von nicht-konfessionell gebundenen Bürgerinnen und Bürgern haben die Kirchen durch die Erhebung des Kirchgeldes Einsicht?
Durch die Erhebung des besonderen Kirchgelds haben die Kirchen grundsätzlich keinen Einblick in Daten von nicht konfessionell gebundenen Bürgerinnen und Bürgern. Legt der kirchensteuerpflichtige Ehegatte seiner Religionsgemeinschaft bzw. dem Finanzgericht im Rahmen eines Einspruchs- bzw. Klageverfahrens gegen das besondere Kirchgeld seinen Einkommensteuerbescheid vor, so sind daraus die im Einkommensteuerbescheid abgebildeten Daten des nicht konfessionell gebundenen Ehegatten ersichtlich.