Zunächst ist darauf hinzuweisen dass die Übermittlungspflicht nach § 87 Abs

Frage 12. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es im Bereich der grundsätzlichen Gewährleistungen (z.B. Schutz der Gesundheit) oder bei Kollision mit gleich- oder höherrangiger Rechtsgütern (z.B. ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB) keine Mitteilungspflichten für Ärzte und Krankenhauspersonal geben sollte?

Nein.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Übermittlungspflicht nach § 87 Abs. 2 AufenthG nur soweit gilt, als es sich bei den agierenden Ärzten und dem Krankenhauspersonal um im öffentlichen Dienst Beschäftigte handelt, weil diese Norm nur öffentlichen Stellen diese Verpflichtung auferlegt.

Mit einer Befreiung von den Übermittlungspflichten würden die mit diesen verbundenen Erwartungen, letztlich also die weitestgehende Vermeidung illegaler Aufenthalte, nicht erfüllt.

In der Konsequenz würde mit der gewünschten Befreiung von der Übermittlungspflicht keine bessere aufenthaltsrechtliche Situation der Betroffenen erreicht. Ihr Aufenthalt bliebe illegal und würde sich praktisch noch weiter verfestigen. Dies kann weder in deren Sinne sein noch wäre es unter dem Gesichtspunkt der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung - hier aufenthaltsrechtlich - wünschenswert.

Zur Erläuterung der Rechtslage ist darauf hinzuweisen, dass das Merkmal "Kenntniserlangung" von dem illegalen Aufenthalt Sachverhalte voraussetzt, die der öffentlichen Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben rechtmäßig zur Kenntnis gelangt sind. Hat ein im öffentlichen Dienst beschäftigter Arzt oder anderes öffentlich-rechtlich angestelltes Krankenhauspersonal lediglich bei Gelegenheit der Wahrnehmung der Aufgaben Kenntnis von dem illegalen Aufenthalt erlangt, ist dies der öffentlichen Stelle nicht i.S. von

§ 87 Abs. 2 AufenthG bekannt geworden und es besteht keine Mitteilungspflicht. Maßgebend für die Abgrenzung sind die den jeweiligen Bediensteten übertragenen Aufgaben.

Die Kenntnis von illegalem Aufenthalt ist beispielsweise einem Arzt in einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus nicht als Angehörigem seiner Berufsgruppe anvertraut oder bekannt geworden, weil dieses Datum nicht im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit oder Hinblick auf dieses zur Kenntnis gebracht wurde.

§ 88 AufenthG, der die Datenübermittlungen bei besonderen gesetzlichen Verwendungsregeln, wie beispielsweise dem Sozialgeheimnis, dem Arztgeheimnis und ähnlichen Privatgeheimnissen nach §203 StGB, regelt, greift hier nicht ein, beschränkt also die Verpflichtung zur Datenübermittlung nicht, weil das Datum "illegaler Aufenthalt" diesen besonderen Verwendungsregelungen nicht unterfällt.

II. Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention (Recht auf Bildung; Schule)

Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere

a) den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;

b) die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung bei Bedür ftigkeit treffen;

c) allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen;

d) Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen.

e) Maßnahmen treffen, die den regelmäßigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die Schule vorzeitig verlassen, verringern.

Frage 13. Wie ist der Zugang von Kindern und Jugendlichen mit unsicherem Aufenthaltsstatus (Asylbewerber, Duldung, ohne Status) in Hessen zu Kindertagesstätten, Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I geregelt?

Hinsichtlich des genannten Personenkreises gilt in Hessen Folgendes: Zugang zu Kindertagesstätten Kinder vom vollendeten dritten Lebe nsjahr bis zum Schuleintritt haben nach § 24 Abs. 1 SGB VIII Anspruch auf Besuch einer Tageseinrichtung. Der

Rechtsanspruch richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Rechtsanspruch gilt auch für Kinder, die Asylbewerber sind oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, nicht jedoch für Kinder mit illegalem Aufenthalt.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII stellt das Angebot zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen eine Leistung der Jugendhilfe dar. Ausländer können Leistungen nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 6 Abs. 2 SGB VIII). Ausländische Kinder mit illegalem Aufenthalt können daher keine Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe beanspruchen, da sie weder rechtmäßig noch aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Der schulische Bereich ist durch die Verordnung zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunftssprache vom 9. April 2003 (ABl. S. 238) geregelt.

Nach § 3 Abs. 1 der o.g. VO sind in Hessen Kinder bzw. Jugendliche nicht deutscher Herkunftssprache nach §§ 56 Abs. 1, 58 bis 61 Hessisches Schulgesetz (HSchG) i.d.F. vom 27. Juni 2005 (GVBl. I S. 442), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Juli 2006 (GVBl. I S. 386) schulpflichtig, wenn sie im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis sind oder von diesem Erfordernis befreit sind. Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind dann schulpflichtig, wenn sie einer Gebietskörperschaft zugewiesen sind. § 3 Abs. 3 der VO sieht darüber hinaus vor, dass ausländerrechtlich geduldete Kinder und Jugendliche zum Schulbesuch berechtigt sind.

Dagegen sind ausländische Kinder und Jugendliche mit illegalem Aufenthalt auch nicht zum Schulbesuch berechtigt.

Frage 14. Was unterscheidet das "Recht auf Schulbesuch" von der "Schulpflicht?" Schulpflicht bedeutet, dass die von ihr erfasste Person verpflichtet ist, die Schule zu besuchen. Diese Pflicht kann nach § 68 HSchG ggf. zwangsweise durchgesetzt werden. Darüber hinaus bestehen für den Fall einer Verletzung der sich aus ihr ergebenden Pflichten Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände, vgl. §§ 181, 182 HSchG. Demgegenüber bedeutet ein Recht auf Schulbesuch, dass keine Pflicht zum Besuch einer Schule besteht, jedoch eine Anspruch begründet ist, eine Schule besuchen zu dürfen. Die an die Verletzung der Schulpflicht anknüpfenden Zwangsmaßnahmen können hier bereits aus der Natur der Sache heraus nicht greifen.

Frage 15. Verfahren andere Bundesländer ebenso wie Hessen?

Wenn nein, wie verfahren andere Bundesländer?

Zu der Frage der Verfahrensweise der anderen Bundesländer wird auf die anliegende Übersicht (Anlage 1) zur dortigen Rechtslage verwiesen. Aus ihr geht hervor, dass der Schulzugang von Kindern und Jugendlichen der vorgenannten Gruppen in den anderen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgestaltet ist.

Frage 16. Plant die Landesregierung die Rechtslage dahin gehend zu ändern, dass alle Kinder und Jugendlichen - auch ausreisepflichtige - der Schulpflicht unterliegen?

Die Landesregierung plant, dass Kinder und Jugendliche, deren Aufenthalt geduldet wird, künftig der Schulpflicht unterliegen sollen; im Übrigen plant sie keine Änderung der Rechtslage.

Frage 17. Aus welchen Gründen hat die Landesregierung die Situation für Kinder und Jugendliche ohne Aufenthaltsstatus weiter verschärft, indem sie in ihrem Erlass vom 12. Oktober 2005 ausdrücklich darauf hinweist, dass "Kinder, die keinen aufenthaltsrechtlichen Status haben, nicht aufgenommen werden können. Auf jeden Fall verletzt die Schulleiterin oder der Schulleiter durch die unterbliebene Meldung (an die Ausländerbehörde) Dienstpflichten. Daraus können entsprechende Konsequenzen gezogen werden."?

Der zitierte Erlass hat keine Veränderung der Rechtslage bewirkt. Vielmehr stellt er nur die bestehende Rechtslage ausdrücklich klar.

Die Tatsache, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter bei einer unterbliebenen Mitteilung von ihr/ihm im Rahmen einer (versuchten) Schulanmeldung bekannt gewordenen, ausländerrechtlich relevanten Tatsachen sich möglicherweise strafbar macht, ergibt sich aus § 96 AufenthG. Der entsprechende Hinweis in dem Erlass vom 12. Oktober 2005 ist insofern nur eine Klarstellung auf die ohnehin geltende bundesgesetzliche Rechtslage.

Frage 18. Welche Maßnahmen plant und ergreift die Landesregierung, um

- Kindern und Jugendlichen, die sich im Asylverfahren befinden,

- geduldeten Kindern und Jugendlichen,

- Kindern und Jugendlichen ohne Status den Schulbesuch im Sinne des Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention zu ermöglichen?

Bereits nach derzeitiger Rechtslage sind Kinder und Jugendliche, die sich im Asylverfahren befinden, schulpflichtig. Geduldete Kinder und Jugendliche haben ein Recht zum Schulbesuch. Kinder mit illegalem Aufenthalt sind weder zum Schulbesuch verpflichtet noch dazu berechtigt.

Ein Verstoß gegen Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention ist damit nicht verbunden, weil sich - wie in der Vorbemerkung schon festgestellt - aus der Konvention keine ummittelbaren Ansprüche der sich hier aufhaltenden Kinder und Jugendlichen ergeben. Zu näheren Einzelheiten wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 13 verwiesen.

Frage 19. Wie bewertet die Landesregierung die Einrichtung einer Arbeitsgruppe in Frankfurt, die Möglichkeiten prüfen soll, wie Kindern und Jugendlichen ohne Aufenthaltsstatus der Schulbesuch ermöglicht werden soll?

Der Landesregierung ist bekannt, dass eine Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung Frankfurt a.M. Möglichkeiten prüfen soll, wie Kindern und Jugendlichen ohne Aufenthaltsstatus der Schulbesuch ermöglicht werden soll. Daraus ergibt sich aber keine Änderung der Rechtslage.

Frage 20. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es bei Kollision mit gleich- oder höherrangigen Rechtsgütern (Schulrecht bzw. Schulpflicht) keine Mitteilungspflichten für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen geben sollte?

Für Lehrerinnen und Lehrer besteht keine Mitteilungspflicht nach § 87 Abs. 2 AufenthG.

Für Schulleiterinnen und Schulleiter dagegen ergibt sich daraus die Verpflichtung, die zuständige Ausländerbehörde vom Aufenthalt eines sich hier illegal aufhaltenden ausländischen Kindes oder Jugendlichen zu unterrichten, weil es zu deren Aufgaben gehört, den Aufenthaltsstatus eines ausländischen Kindes festzustellen. Dies ergibt sich mittelbar aus der Vorgabe, dass eine Aufnahme in eine Schule die Vorlage einer gültigen Meldebescheinigung voraussetzt (§ 4 Abs. 2 der Verordnung zum Schulbesuch von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache) und die Schulleiterin oder der Schulleiter über die Aufnahme in eine Schule entscheidet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 der VO). Mit der Vorlagepflicht hinsichtlich der Meldebescheinigung soll sichergestellt werden, dass die Aufnahme in die örtlich zuständige Schule erfolgt.

Ergänzend wird auf die Beantwortung der Frage 12 verwiesen.

III. Artikel 22 der UN-Kinderrechtskonvention (Flüchtlingskinder)

Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen oder in anderen internationalen Übereinkünften über Menschenrechte oder über humanitäre Fragen, denen die genannten Staaten als Vertragsparteien angehören, festgelegt sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich in Begleitung seiner Eltern oder einer anderen Person befindet oder nicht.

Frage 21. Plant die Landesregierung eine Bundesratsinitiative, die die Bundesregierung auffordert, die Vorbehaltserklärung (keine Bestimmung der Kinderrechtskonvention könne dahin ausgelegt werden, dass "sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise von Ausländern zu machen") zurücknehmen und das Ausländer- und Asylrecht an die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention anzupassen?

Wenn nein, warum nicht?

Die Landesregierung plant eine solche Initiative nicht, weil sie der Auffassung ist, dass mit der Rücknahme der deklaratorischen Klarstellung - der Begriff Vorbehalt ist irreführend - letztlich unerfüllbare unmittelbare aufenthaltsrechtliche Besserstellungen erwartet werden.