Neue Selbstverpflichtungserklärung von Jugendbetreuern in Olpe ­ Richtige Schutzmaßnahme oder weltfremd und diskriminierend?

Der Jugendhilfeausschuss des Kreises Olpe hat in seiner Sitzung am 14. Juni 2011 neue Standards für eine Selbstverpflichtungserklärung für ehrenamtlich Tätige zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beschlossen. Diese Standards sollen den Umgang von ehrenamtlichen Jugendbetreuern mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen während Wochenendveranstaltungen und Freizeiten regeln. Die Standards entsprechen im Wesentlichen den Ergebnissen einer Projektgruppe, die sich mit dieser Thematik ausführlich auseinander gesetzt hat. Die Standards sollen die Risiken für mögliche (sexualisierte) Übergriffe auf Schutzbefohlene minimieren. Zudem sollen damit das Gespür und die Achtung der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen gestärkt werden.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob der Jugendhilfeausschuss des Kreises Olpe mit der Wahl der Mittel zur Verfolgung der zweifellos richtigen Intention nicht über das Ziel hinausgeschossen ist. Denn er ergänzte die bisherigen Standards in der Selbstverpflichtungserklärung vor allem um einen stark umstrittenen Passus. In Paragraf 7 der Selbstverpflichtungserklärung heißt es wörtlich: Im Bewusstsein meiner Vorbildfunktion und in Übereinstimmung mit den Ansprüchen der Träger der Jugendarbeit verpflichte ich mich zum Verzicht auf den Konsum von legalen und

illegalen Drogen. Ich verzichte ausdrücklich auf den Konsum von Alkohol und Nikotin während ich in der Verantwortung für die mir Schutzbefohlenen stehe, da mir die enthemmende Wirkung von Alkohol und das Risiko dauerhafter Schäden durch Nikotin bekannt sind.

Dies bedeutet, dass alle Unterzeichner während der Zeit, in der sie in Verantwortung für die betreuten Kinder stehen, auch auf legale Konsummittel wie Alkohol und Nikotin verzichten müssen. Für die Betreuer besteht damit für die Zeit der gesamten Freizeit ­ mithin also 24 Stunden am Tag ­ ein absolutes Alkohol- und Rauchverbot.

Viele der in dem betroffenen Kreis tätigen Jugendverbände haben mit großem Unverständnis auf den neuen Paragrafen reagiert. Es wird kritisiert, dass volljährigen Betreuern nicht das verboten werde könne, was jedem Erwachsenen oder volljährigen Elternteil erlaubt sei, nämlich außerhalb der Unterkünfte eine Zigarette zu rauchen oder nach anstrengendem Tagewerk und dem Zu-Bett-Bringen der Kinder ein Glas Wein zu trinken (vgl. Artikel aus der Siegener Zeitung vom 22. Juni 2011 Freizeiten in Gefahr inklusive der dazugehörigen Kommentare). Selbstverständlich besteht Einigkeit, dass sich niemand in seiner Freizeit einen Rausch antrinken solle, aber ein generelles Verbot komme einem Eingriff in die Privatsphäre gleich.

Ehrenamtliche Betreuer in der Jugendarbeit, die sich in ihrer Freizeit für das Wohl der Kinder einsetzen, dürften nicht als schlechte Menschen hingestellt werden, die durch Auflagen im Griff gehalten werden müssten. Ein Vertreter der Sportjugend im Kreissportbund Olpe gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen des Jugendschutzgesetzes zum Umgang mit Nikotin und Alkohol eindeutig seien. Aus dem Kreis der Jugendverbände wurden sogar Überlegungen angestellt, gegen den neuen Paragrafen vor dem Verwaltungsgericht Klage einzureichen.

Eine Umgehung des umstrittenen Paragrafen ist nicht möglich, wenn die Jugendverbände Zuflüsse aus möglichen beantragten Fördermitteln erhalten wollen. Weigern sich die vorgesehenen Betreuer, die Bestimmung im Rahmen der Selbstverpflichtungserklärung zu unterzeichnen, muss der Jugendhilfeausschuss des Kreises Olpe die Förderanträge für die Freizeiten ablehnen. Mit einer pauschalen Weigerung aller Jugendverbände ginge zwangsläufig ein Verzicht auf Zuschüsse einher. Diese sind für viele Jugendverbände aber lebensnotwendig, anderenfalls droht den für die Kinder wichtigen Freizeiten das Aus. Viele Jugendverbände in Olpe befürchten nun, dass es mit dieser restriktiven Regelung immer schwieriger wird, potentielle Ehrenamtliche für eine Betreuungstätigkeit auf Wochenendveranstaltungen und Freizeiten zu gewinnen.

1. Wie bewertet die Landesregierung den neuen Paragrafen 7 der Selbstverpflichtungserklärung?

2. Hält die Landesregierung den Paragrafen 7 der Selbstverpflichtungserklärung für rechtmäßig?

Die in Rede stehende Regelung ist vom Jugendhilfeausschuss des Kreises Olpe am 04.08.2011 rückwirkend zum 01.07.2011 aufgehoben worden.

3. In welchen nordrhein-westfälischen Kommunen existieren gleichlautende Selbstverpflichtungserklärungen?

Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

4. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung, dass ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendarbeit ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen sollen?

5. Inwieweit sieht die Landesregierung in den Erfordernissen wie der angesprochenen Selbstverpflichtungserklärung oder der Vorlagepflicht eines erweiterten Führungszeugnisses eine Abschreckungswirkung für potentiell ehrenamtlich Tätige?

Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz ­ sieht in § 72a die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses vor, um sicherzustellen, dass keine einschlägig vorbestraften Personen tätig werden. In diesem Zusammenhang wird zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auf die Art, Intensität und Dauer des Kontaktes von ehrenamtlich Tätigen mit Kindern und Jugendlichen abgestellt. Insoweit wird den besonderen Belangen von ehrenamtlich tätigen Personen Rechnung getragen.

Der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten.