Tarifverträge
Sonderurlaub: Sieht die Landesregierung gesetzliche Regelungslücken, die insbesondere bei Angestellten des öffentlichen Dienstes dazu führen, dass ehrenamtlich Tätigen kein Sonderurlaub gewährt wird bzw. ein Verdienstausfall entsteht?
Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 978 mit Schreiben vom 16. September 2011 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung wie folgt beantwortet:
Für Beschäftigte im privat-gewerblichen Bereich und für Beamtinnen und Beamte sind Regelungen existent, nach denen Sonderurlaub für eine ehrenamtliche Mitarbeit in der Jugendhilfe gewährt werden kann, so dass kein Verdienstausfall eintritt. Für den privat-gewerblichen Bereich kann der Verdienstausfall aus Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans erstattet werden. Für Beamtinnen und Beamte kann eine Gewährung von bezahltem Sonderurlaub erfolgen. Für Angestellte des öffentlichen Dienstes scheint jedoch eine Regelungslücke zu bestehen, die dazu führt, dass häufig kein Sonderurlaub gewährt wird bzw. ein Verdienstausfall eintritt, der keinen Ausgleich erfährt. Angehörige des öffentlichen Dienstes sind grundsätzlich aus dem Geltungsbereich des Sonderurlaubsgesetzes ausgenommen. Ein weiteres, damit verbundenes Problem geht mit der Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst einher: Zum öffentlichen Dienst gehören neben den Gemeinden/Gemeindeverbänden die öffentlich-rechtlichen Stiftungen, Rundfunkanstalten (WDR) sowie die der öffentlich-rechtlichen Aufsicht des Staates unterstehenden Handwerkskammern, Krankenkassen und Berufsgenossenschaften. Dies erfordert erschwerender Weise stets eine Einzelfallprüfung.
Vorbemerkungen der Landesregierung
Das Gesetz zur Gewährung von Sonderurlaub für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendhilfe (Sonderurlaubsgesetz) vom 31. Juli 1974 räumt ehrenamtlich in der Jugendhilfe tätigen Personen einen Anspruch auf Sonderurlaub ein und enthält auch Regelungen zum (ggfs. teilweisen) Ausgleich des Verdienstausfalls.
§ 7 Abs. 2 des Gesetzes bestimmt, dass die Gewährung von Sonderurlaub für Angehörige des öffentlichen Dienstes als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendhilfe sich nach den geltenden Vorschriften richtet.
Für die Beamtinnen und Beamten sowie die Richterinnen und Richter im Lande Nordrhein Westfalen enthält § 7 der Sonderurlaubsverordnung eine eigenständige Freistellungsmöglichkeit.
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen keine Freistellungsmöglichkeiten mit Fortzahlung des Entgelts für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Jugendhilfe vor. Diese Lücke war während der Geltungsdauer des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) bzw. der insoweit vergleichbaren Regelung im Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTArb) durch eine übertarifliche Freistellung in Anlehnung an die Regelung der Sonderurlaubsverordnung für Beamte geschlossen worden. Die in den Durchführungshinweisen zum BAT bzw. MTArb enthaltene übertarifliche Bewilligung wurde nicht in die Durchführungshinweise zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der zum 1. November 2006 für die Beschäftigten der Länder an die Stelle des BAT/MTArb getreten ist, aufgenommen. Grund dafür war neben der mit dem TV-L u.a. verfolgten Lösung vom Beamtenrecht auch, dass mit der übertariflichen Maßnahme Unschärfen bei der Trennung des Jugendhilfeetats und der Personalkosten einhergehen würden, die grundsätzlich nicht im Interesse der Haushaltsklarheit und -wahrheit liegen können. In diesem Punkt ist der Haushaltsgesetzgeber heute nicht zuletzt mit Blick auf die budgetierenden Ressorts generell sensibler als bei In-Kraft-Treten des Sonderurlaubsgesetzes in den 70er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts. Damals konnte eher auf eine detaillierte Darstellung verzichtet werden, ob die Mittel aus der linken oder der rechten Tasche des Haushalts genommen werden.
1. Ist der Landesregierung die Problematik bzw. die oben beschriebene Regelungslücke zur Gewährung des Sonderurlaubs sowie des Verdienstausgleichs für Angehörige des öffentlichen Dienstes bekannt?
Die Problematik war auch schon der vorangegangenen Landesregierung bekannt.
2. Zu den Arbeitgebern im TvÖD L gehören auch Sparkassen, Hochschulen etc.
Welche einheitlichen Datenbestände gibt es, anhand derer eine einzelfallunabhängige Abgrenzung von Arbeitnehmern als Beschäftigte nach TvÖD L vorgenommen werden kann?
Einheitliche Datenbestände im Sinne der Frage sind nicht verfügbar. Der unmittelbare Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV L) ergibt sich aus dessen § 1. Bezogen auf das Land Nordrhein-Westfalen unterliegen dem TV-L die Arbeitnehmer der im Arbeitgeberverband des Landes Nordrhein-Westfalen NRW) organisierten Arbeitgeber. Mitglieder des NRW sind neben dem Land die mittlerweile selbständigen Universitätskliniken und Hochschulen des Landes. Diese Bereiche sind auch ohne besondere Datenbestände von dem kommunalen Bereich und dem Bund sowie von sonsti gen Bereichen abzugrenzen, die das Tarifrecht des Landes nicht aufgrund unmittelbarer Tarifbindung, sondern durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme, kraft Satzung oder aus vergleichbaren Gründen anwenden.
3. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit bzw. die Möglichkeit, im Rahmen eines gemeinsamen Runderlasses des Innen- und Finanzministeriums zu erklären, dass die beamtenrechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Sonderurlaub auch auf die Tarifbeschäftigten des Landes anzuwenden sind? (Ein solcher gemeinsamer Runderlass bestand bereits bis zum Jahr 2006 parallel zum geltenden Bundesangestelltentarifvertrag).
Die Landesregierung hat ein hohes Interesse, die Situation im Sinne der Betroffenen zu lösen. Sie ist bereit, die von der Vorgängerregierung erhobenen sachlichen Bedenken gegen die Unschärfen der Kostendarstellung im Haushalt zugunsten einer für die Betroffenen positiven Regelung zurückzustellen. Der Finanzminister hat bereits mit dem NRW Kontakt aufgenommen, damit in den dortigen Gremien die Möglichkeiten einer übertariflichen Maßnahme beraten werden, und hat eine wohlwollende Prüfung angeregt. Da der NRW die tariflichen Interessen des Landes, der Universitätskliniken und der Hochschulen des Landes vertritt (siehe Antwort zu Frage 2), erreichte eine entsprechende übertarifliche Regelung somit die Arbeitnehmer im ursprünglichen Landesbereich und stellte den Zustand vor des TV-L wieder her.
Die Landesregierung geht davon aus, dass solche Freistellungen ohne Mehrkosten aufgefangen werden können.
4. Wie bewertet die Landesregierung den Ansatz, eine Lösung durch Änderung des Sonderurlaubsgesetzes und der Aufgabe der Regelung des dortigen § 7 Absatz 2 (nicht für den öffentlichen Dienst) herbeizuführen?
Eine Änderung des § 7 Abs. 2 des Sonderurlaubsgesetzes dahingehend, den öffentlichen Dienst einzubeziehen, würde zum einen hinsichtlich der in Nordrhein-Westfalen ansässigen Bundesbehörden die Frage nach der Regelungskompetenz aufwerfen. Zum anderen ließe sich dies nicht kostenneutral realisieren.
5. Was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen, um die oben beschriebene Problematik im Sinne der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler zu lösen?
Siehe die Antwort zu Frage 3.