Erhebliche Verzögerungen bei der zentralisierten Bearbeitung von Beihilfeanträgen

Ausweislich der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drucks. 16/6852 der SPD, die im Januar 2007 gestellt worden ist und in der bereits bestehende Probleme mit der telefonischen Hotline der Beihilfestelle des Regierungspräsidiums Kassel aufgegriffen wurden, hat der Hessische Minister des Innern und für Sport zu der von der Landesregierung durchgeführten Konzentration der Beihilfeverwaltung im Regierungspräsidium Kassel Folgendes ausgeführt: "... Nach einer inzwischen weitgehend abgeschlossenen Umstrukturierung der Beihilfeverwaltung (Anm.: Stand 15. März 2007) erfolgt die Beihilfebearbeitung nunmehr ausschließlich beim Regierungspräsidium Kassel. Ziele u.a. dieser Maßnahme sind Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen, die letztlich auch dem Beihilfeberechtigten zugute kommen sollen." Inzwischen, zwei Monate nach der Beantwortung der vorgenannten Anfrage, ist festzustellen, dass das Ziel der Qualitätsverbesserung zugunsten der Beihilfeberechtigten bei der Bearbeitung der Beihilfeanträge nach wie vor nicht erreicht worden ist.

Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport:

Die Qualität der Bearbeitung von Beihilfeanträgen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten. Neben einer korrekten, fehlerfreien und verlässlichen Bescheiderstellung ist eine möglichst kurze Bearbeitungszeit ein weiteres wichtiges Kriterium. Darüber hinaus ist ein effizienter Einsatz öffentlicher Mittel sicherzustellen.

Um eine effektive und ressourcenschonende Beihilfebearbeitung zu ermöglichen, wurde im Jahr 2004 die zuvor auf verschiedene Behörden und Ressortbereiche verteilte Beihilfebearbeitung beim RP Kassel zentralisiert und die Bearbeitung EDV-gestützt. Mit der Einführung des bundesweit einmaligen neuen Konzepts der "eBeihilfe" hat die Landesregierung einen Meilenstein auf dem Weg zu einer optimierten Beihilfebearbeitung gesetzt: Zunächst wurden stufenweise zwischen dem 1. Juli 2004 und dem 1. Juli 2006 die Zuständigkeiten von den bisherigen Dienststellen auf das Regierungspräsidium Kassel übertragen und das dortige Personal aufgestockt. Parallel dazu wurde das System e-Beihilfe mit Hilfe der Unterstützung von Beschäftigten des Regierungspräsidiums Kassel entwickelt und getestet. Zeitgleich erfolgte die entsprechende Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weswegen diese in diesem Zeitraum nicht vollumfänglich für die Bearbeitung von Beihilfeanträgen zur Verfügung standen. Nach dem Aufbau eines entsprechend geschulten Personalstamms sowie der Umstellung der Beihilfebearbeitung hinsichtlich der eingesetzten Software bedurfte es - wie bei Umorganisationen der in Rede stehenden Größenordnung unvermeidlich - einer kontinuierlichen Überprüfung und Nachsteuerung.

Die im Zusammenhang mit der Umstrukturierung entstandenen Bearbeitungsrückstände werden durch verschiedene aufeinander abgestimmte Maßnahmen abgebaut. Ziel ist es nach wie vor, eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 10 Arbeitstagen zu gewährleisten.

So wird bspw. bei der Beihilfestelle derzeit Mehrarbeit u.a. auch an Samstagen geleistet. Um die derzeitige Bearbeitungsdauer möglichst schnell signifikant zu verringern, wird die Beihilfestelle beim Regierungspräsidium Kassel vorübergehend durch zusätzliches Personal verstärkt, das nach einer dreimonatigen Einarbeitungsphase die Sachbearbeitung unterstützen soll. Zusätzlich wurden fünf Auszubildende übernommen, die diesen Bereich ebenfalls verstärken.

Darüber hinaus wurden die Abläufe der Beihilfebearbeitung einer intensiven Untersuchung unterzogen, um mögliche Optimierungspotenziale zu erschließen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden sukzessive umgesetzt und die bestehenden Abläufe optimiert.

Zusätzlich wurde die Erreichbarkeit der Beihilfestelle deutlich verbessert. So sind nunmehr von montags bis donnerstags von 8.30 bis 16.30 Uhr durchgängig zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, um Anrufe entgegenzunehmen.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und dem Justizminister wie folgt:

Frage 1. Wie viele Beihilfeanträge wurden in Hessen in den Jahren 2004, 2005, 2006 und in den ersten Monaten des Jahres 2007 eingereicht?

In den nachgefragten Jahren wurde die nachfolgend aufgeführte Anzahl von Beihilfeanträgen eingereicht:

Frage 2. Wie lang war in den Jahren 2003, 2004, 2005, 2006 und in den ersten Monaten des Jahres 2007 die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der in den jeweils genannten Zeiträumen eingereichten Beihilfeanträge?000. Dementsprechend bewegte sich bspw. der durchschnittliche Bearbeitungszeitraum für solche Anträge in den ersten Monaten des Jahres 2007 zwischen vier und neun Tagen. Seit 15. August gilt die bevorzugte Bearbeitung für sämtliche Anträge mit einem Volumen von über 2.000.

Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass sich die Bearbeitung von Beihilfeanträgen nach der von ihr vorgenommenen Konzentration der Bearbeitung um ein Vielfaches auf durchschnittlich 5 bis 6 Wochen verlängert hat?

Die mit der Frage gezogene Schlussfolgerung trifft nicht zu.

Eine längere Bearbeitungszeit war in den letzten Jahren bei unterschiedlichen Beihilfestellen und zu verschiedenen Zeiten festzustellen. Eine Schlussfolgerung, dass die Konzentration der Bearbeitung der Beihilfe beim Regierungspräsidium Kassel Auslöser vielfach längerer Bearbeitungszeiten ist, kann daher nicht gezogen werden (siehe hierzu Antwort zu Frage 2).

Gleichwohl ist es das Bestreben der Landesregierung, die Bearbeitungszeiten signifikant zu verkürzen und eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 10

Arbeitstagen zu ermöglichen. Durch ein umfassendes Maßnahmenbündel soll diese Zielerreichung gewährleistet werden (siehe Vorbemerkung).

Frage 4. Hat die Landesregierung von ihrem Ziel, dass die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Beihilfeanträgen in Hessen bei 10 Tagen liegen sollte, zwischenzeitlich Abstand genommen?

Nein. Siehe Vorbemerkung.

a) Wenn ja, wie begründet sie diesen Meinungswandel und welchen durchschnittlichen Bearbeitungszeitraum hält sie nunmehr für angemessen?

Entfällt.

b) Wenn nein, auf welche Weise gedenkt die Landesregierung die von ihr zentralisierte Beihilfeverwaltung zu unterstützen, um eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 10 Tagen zu erreichen?

Siehe Vorbemerkung.

Frage 5. In welchem Zeitraum hat die Landesregierung von den ursprünglich für die Bearbeitung der Beihilfe zur Verfügung stehenden 210 Vollzeitstellen 80 Stellen abgebaut?

Die Zahl der genannten Stellen ist nicht korrekt.

Nach einer Erhebung des Regierungspräsidiums Kassel im Zusammenhang mit dem Projekt eBeihilfe waren zum Stichtag 1. Juli 2003 in der Beihilfebearbeitung in Hessen insgesamt 188,5 Stellen eingesetzt. Bei einem aktuellen Stand von 130,5 Stellen (Vollzeitäquivalente) ergibt sich eine Reduzierung um 58,5 Stellen über einen Zeitraum von vier Jahren.

Frage 6. In welchem Umfang mussten die Bediensteten der Beihilfestelle seit Dezember 2003 parallel zu dem von der Landesregierung veranlassten Personalabbau

a) Mehrarbeitsstunden leisten,

b) an Samstagen arbeiten,

c) Urlaubssperren und Urlaubseinschränkungen hinnehmen, damit sich die Bearbeitung der Beihilfeanträge nicht noch weiter verzögert?

Darstellung bitte unter Angabe des jeweiligen Jahres, in dem die vorgenannten Maßnahmen durchgeführt wurden.

Wegen des sehr unterschiedlichen Einsatzes der hier abgefragten Maßnahmen wurde auf eine tabellarische Darstellung verzichtet. Für die einzelnen Behörden ergibt sich Folgendes: Regierungspräsidium Darmstadt:

Im Bedarfsfall wurde von einzelnen Mitarbeitern auf freiwilliger Basis Samstagsarbeit geleistet.

Regierungspräsidium Gießen

Bei der Beihilfestelle des Regierungspräsidiums Gießen hat es keine angeordneten Maßnahmen der genannten Art gegeben. Im Zusammenhang mit der Auflösung der Beihilfestelle zum 31. Dezember 2005 und der damit zwingend verbundenen Notwendigkeit des vollständigen Abbaus von Rückständen wurden ab Februar 2005 zunächst die Regelungen zum Überstundenkontingent sowie zur Übertragbarkeit des Jahresresturlaubs ausgeweitet.

Ab Oktober 2005 wurden dann folgende zusätzliche Möglichkeiten eröffnet, von denen die Beschäftigten auf freiwilliger Basis Gebrauch machen konnten und dies auch getan haben:

- Ausweitung der täglichen Arbeitszeit bis 21.00 Uhr,

- Arbeitszeit an Samstagen von 8.00 bis 18.00 Uhr.

Regierungspräsidium Kassel

Die durch die Bediensteten abgeleisteten Mehrarbeitsstunden, Samstagsarbeit, Urlaubseinschränkungen und Urlaubssperren werden seit dem 1. Janunar 2006 für Kassel erfasst.

Mehrarbeitsstunden wurden geleistet in 2006 9.736 Std., 2007 4.468 Std. (Stichtag 31. Mai 2007).

Im Regierungspräsidium Kassel wird seit dem 1. Januar 2006 Samstagsarbeit ermöglicht. Davon waren zu angeordneten Zeiten (Februar bis März und August bis September 2006) bis zu 90 v.H. aller Mitarbeiter und Mitarbeite4

rinnen und im übrigen Jahr ca. 10 v.H. der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Samstagsarbeit beteiligt.

Vom 8. Januar 2007 bis 16. Januar 2007 erfolgte eine Urlaubssperre für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Beihilfedezernaten.

Bis zum 31. Juli 2006 war eine Anwesenheit von 70 v.H. aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, ab 1. August 2006 ist eine Anwesenheit von 80 v.H. aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorgegeben.

Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung

Ab 7. November 2003 wurde eine Regelung zur freiwilligen Überstundenleistung mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vereinbart.

Im Rahmen dieser Regelung wurden - auch - durch Dienste an Samstagen/Sonntagen im Zeitraum von Mitte Februar bis Ende April 2004 von ca. 8 Vollzeitäquivalenten insgesamt 462 Überstunden geleistet.

Durch Fortführung dieser Regelung und zusammen mit den Überstunden, die bereits im Vorfeld dieser Regelung bestanden haben, wurde im Mai/Juni 2004 der Höchststand an Überstunden von insgesamt 649 Stunden erreicht.

Danach konnten die Überstunden wie vereinbart durch Freizeitausgleich abgegolten werden.

Finanzamt Michelstadt

Die Bediensteten haben weder Mehrarbeit geleistet noch an Samstagen gearbeitet. Urlaubssperren oder -einschränkungen wurden nicht angeordnet.

OLG Frankfurt am Main - Sozialabteilung in Hünfeld

Im Zeitraum Dezember 2003 bis 30. Juni 2004 wurden keine Urlaubseinschränkungen und keine Urlaubssperren angeordnet. Das vorhandene Personal hat allerdings Mehrarbeits- bzw. Überstunden geleistet und teilweise auch an Samstagen gearbeitet. Da die Beihilfestelle des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zum 1. Juli 2004 aus dem Justizressort herausgelöst und bei dem Regierungspräsidium Kassel eingegliedert wurde, wird für den sich anschließenden Zeitraum auf die Ausführungen unter "Regierungspräsidium Kassel" verwiesen.

Frage 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Einschätzung des Deutschen Beamtenbundes, dass es für eine ordnungsgemäße und zeitgerechte Bearbeitung der landesweiten Beihilfeanträge geboten und erforderlich ist, die Beihilfeverwaltung mit 25 zusätzlichen Stellen personell zu verstärken?

Die von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen ermöglichen es, dass die Bearbeitungsdauer deutlich reduziert wird und die eingereichten Beihilfeanträge zeitnah beschieden werden. Ziel ist es - wie bereits ausgeführt -, eine Bearbeitungszeit von 10 Arbeitstagen zu gewährleisten.

Die Berechnungsgrundlage des Deutschen Beamtenbundes ist nicht beka nnt.

Eine Beurteilung der Einschätzung ist somit nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.