Jugendamt

Widerruf der Betriebserlaubnis der Corsten Jugendhilfe durch den Landschaftsverband Rheinland

Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 1105 mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und dem Minister für Inneres und Kommunales wie folgt beantwortet: Vorbemerkung der kleinen Anfrage

Seit 2006 betreibt die Corsten Jugendhilfe in Hellenthal eine Jugendhilfeeinrichtung, in der bis zu 39 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwölf und fünfzehn Jahren ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden. Die Kinder und Jugendlichen aus schwierigen Familienverhältnissen leiden teilweise unter Aufmerksamkeitsdefiziten und Hyperaktivität und waren zuvor bereits vielfach in unterschiedlichen Betreuungseinrichtungen untergebracht.

Aufgrund des Verdachts auf psychische und körperliche Übergriffe auf die Kinder und Jugendlichen hat der Landschaftsverband Rheinland als Aufsichtsbehörde die Einrichtung am 12. Juli 2011 mit sofortiger Wirkung geschlossen und die Betriebserlaubnis widerrufen. Ursprung des Verdachts waren Hinweise einer ehemaligen Mitarbeiterin über die Erziehungsmethoden der Einrichtung. Die Kinder und Jugendlichen wurden nach der Schließung der Jugendhilfe bei ihren Eltern oder in anderen Betreuungseinrichtungen untergebracht. In Folge der Entscheidung des Landschaftsverbandes Rheinland kam es unter anderem zu einer Demonstration der Beschäftigten sowie der betroffenen Jugendlichen und deren Eltern gegen die Schließung.

Gegen die Schließung und den Widerruf der Betriebserlaubnis legte der Geschäftsführer der Corsten Jugendhilfe in einem Eilantrag Widerspruch beim Verwaltungsgericht Aachen ein. Am 22. Juli gab das VG Aachen dem Eilantrag statt, sodass das Heim in Hellenthal vorläufig wieder geöffnet ist und die Kinder und Jugendlichen zu Beginn des Schuljahres in die Einrichtung zurückkehren können.

Laut eines Berichts der Aachener Zeitung vom 5. September 2011 verweigern allerdings die Jugendämter Düsseldorf, Moers und Essen den betroffenen Kindern und Jugendlichen die Rückkehr in die Einrichtung. In einem Brief habe der Fachbereichsleiter Jugend beim Landschaftsverband Rheinland nach eigener Aussage alle betroffenen Jugendämter über die Gründe für die Schließung der Jugendeinrichtung informiert. Es wird der Vorwurf erhoben, es gäbe seitens des Landschaftsverbandes Rheinland eine inoffizielle Anweisung an eben jene betroffenen Jugendämter, keine Kinder und Jugendlichen in die von der Corsten Jugendhilfe betriebene Einrichtung zu schicken.

1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über den derzeitigen Verfahrensstand?

Das Landesjugendamt des Landschaftsverbandes Rheinland hat als Aufsichtsbehörde gemäß § 85 SGB VIII die Einrichtung der Corsten Jugendhilfe am 12. Juli 2011 mit sofortiger Wirkung geschlossen und die Betriebserlaubnis widerrufen. Hintergründe waren Berichte über kindeswohlverletzende Praktiken in der Einrichtung aus dem Kreis der Mitarbeiter, die während eines nicht angekündigten Besuches am 12. Juli 2011 von insgesamt 18

Kindern bestätigt und konkretisiert wurden.

Die Kinder berichteten u.a. von körperlichen und verbalen Übergriffen und Misshandlungen, Sachbeschädigungen und unangemessenen Erziehungsmethoden der Betreuer.

Mit Beschluss vom 22. Juli 2011 gab das Verwaltungsgericht Aachen dem Eilantrag der Corsten Jugendhilfe statt. Das Verwaltungsgericht Aachen hat in seinem Beschluss keine Würdigung vorgenommen, ob die vom Landesjugendamt behaupteten Kindeswohlgefährdungen stattgefunden haben oder nicht. Es hat ausdrücklich erklärt, dass die beschriebenen Vorkommnisse der Art und Intensität nach dazu angetan sind, den Begriff der Kindeswohlgefährdung zu erfüllen, die Entscheidung aber davon (abhängt), was künftige Ermittlungen und Aufklärungen des Sachverhaltes ergeben und dass deren Ergebnisse völlig offen sind.

Die Einrichtung ist seitdem wieder geöffnet. Die Kinder und Jugendlichen können in die Einrichtung zurückkehren, da die stationäre Einrichtung wieder im Besitz einer gültigen Betriebserlaubnis ist.

Zwischenzeitlich ist die Einrichtung wieder mit rund 20 bis 25 Jugendlichen belegt.

Eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

2. Welche Verfahrensstandards und Kriterien müssen seitens der Aufsichtsbehörde im Rahmen der Überprüfung von Hinweisen zu Übergriffen auf Kinder und Jugendliche eingehalten werden, um sowohl dem Schutz der Kinder Rechnung zu tragen, als auch die Jugendhilfeeinrichtungen vor Vorverurteilungen zu schützen?

Das alleinige Kriterium für die Aufsichtsbehörde bei der Überprüfung von stationären Einrichtungen ist die Gefährdung des Kindeswohls. Die inhaltliche Überprüfung der Einrichtung richtet sich vor allem danach, aufgrund welcher Tatsachen die Aufsichtsbehörde sich zu einer Prüfung veranlasst sieht. Dementsprechend handelt es sich immer um Erfordernisse des Einzelfalls, die den Inhalt der Überprüfung festlegen.

Bei einer möglichen Schließung einer Einrichtung hat die Aufsichtsbehörde immer eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Betreibers bzw. Trägers und der Sicherung des Kindeswohls zu treffen. Letztendlich ausschlaggebend für eine Entscheidung sind allerdings die auf Tatsachen beruhenden Kindeswohlgefährdungen.

3. Nach welchen Kriterien haben Aufsichtsbehörden über den Widerruf der Betriebserlaubnis zu entscheiden?

Siehe Antwort zu Frage 2.

4. Wie beurteilt die Landesregierung das der Hellenthaler Einrichtung der Corsten Jugendhilfe zugrundeliegende Erziehungskonzept?

Das Konzept wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von der zuständigen Erlaubnisbehörde, dem Landschaftsverband Rheinland, als den Erfordernissen entsprechend angesehen. Einrichtungskonzepte werden im Rahmen des Erlaubnisverfahrens nicht von der Landesregierung beurteilt.

5. Wie beurteilt die Landesregierung das Verhalten des Landschaftsverbandes Rheinland als Aufsichtsbehörde im Rahmen des Widerrufs der Betriebserlaubnis für die Corsten Jugendhilfe

Das Landesjugendamt des Landschaftsverbandes Rheinland hat seine Entscheidung pflichtgemäß aufgrund einer Bewertung zur Gefährdung des Kindeswohls getroffen. Eine Beurteilung der Verfahrensweise des Landschaftsverbandes Rheinland wird durch das Verwaltungsgericht voraussichtlich im Rahmen einer Entscheidung zur Hauptsache vorgenommen werden.