Weiterentwicklung sicherheitsbehördlicher Fähigkeiten angesichts der islamistischen Bedrohung?

Der Minister für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen Ralf Jäger (SPD) hat am 5. September 2011 eine Pressekonferenz zu dem Thema Jung, fanatisch, gewaltbereit ­ Salafisten in NRW abgehalten. Im Rahmen seiner Rede hat der Minister betont, dass die Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden angesichts der islamistischen Bedrohung umfassend und konsequent weiterentwickelt werden (vgl. Presseinformation des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 05. September 2011, S. 2/7). Darüber hinaus werde mit modernster Technik auf die neue Bedrohungslage konsequent reagiert (vgl. Presseinformation des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 05. September 2011, S. 6/7).

1. Durch welche konkreten Maßnahmen sind die Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden angesichts der von Minister Jäger beschriebenen islamistischen Bedrohung umfassend und konsequent weiterentwickelt worden?

Der internationale islamistische Terrorismus hat zu einer veränderten Sicherheitslage geführt. Daher hat die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder das Programm Innere Sicherheit in den Jahren 2008/2009 fortgeschrieben. Dieses ist die Leitlinie für eine mit allen Ländern und dem Bund abgestimmten Strategie aller Sicherheitsbehörden. Die Weiterentwicklung zeichnet sich insbesondere auch durch die Betonung eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes im föderalen Sicherheitssystem sowie die effektive Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, insbesondere von Polizei und Verfassungsschutz aus. In Folge dieser Schwerpunktsetzung wurde das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) errichtet. Ein neues Instrument ist auch die am 30. März 2007 in Betrieb genommene Anti-Terror-Datei (ATD), deren Ziel es ist, die Informationswege zwischen Polizei und Verfassungsschutz zu verkürzen.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohungen für den demokratischen Rechtsstaat hat speziell auch der Verfassungsschutzverbund seine Arbeit in den Bereichen Priorisierung der Aufgabenfelder, Arbeitsteilung im Verfassungsschutzverbund, stärkere operative Ausrichtung und Prävention fortentwickelt.

Auch die Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen treffen ihre Maßnahmen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus auf der Grundlage bundesweit einheitlicher Standards und Konzepte. Diese Konzepte werden regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Die Optimierung des polizeilichen Informationsaustausches in Staatsschutzangelegenheiten findet dabei besondere Berücksichtigung.

Mit dem Handlungskonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Früherkennung islamistischer Terroristen sind alle Polizeibeamtinnen und -beamten bei ihrer täglichen Aufgabenwahrnehmung in die Erkennung und Abwehr entsprechender Gefahren einbezogen.

Wesentliche Ziele des Handlungskonzeptes sind das frühzeitige Erkennen von Anschlagsvorbereitungen und das Verhindern terroristischer Anschläge mit islamistischer Motivation.

Das Konzept wurde zuletzt im September 2011 aktualisiert.

Der Aufbau und die Fortentwicklung eines auf Vertrauen basierenden Dialogs mit muslimischen Gemeinden, Einrichtungen und Vereinen ist ein Aufgabenschwerpunkt der Kreispolizeibehörden. Sie setzen hierfür speziell geschulte Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte als Kontaktbeamtinnen und -beamte muslimische Institutionen (KMI) ein. Insgesamt sind gegenwärtig 74 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte mit dieser Aufgabe betraut.

Die intensivierte Gefährdung deutscher Interessen durch den islamistischen Terrorismus kann sich auch mit neuartigen Tatbegehungsweisen wie z. B. Angriffen auf Informationssysteme und kritische Infrastrukturen des Landes oder systemrelevanter Finanz-, Wirtschaftsoder Energieunternehmen realisieren. Gleichzeitig nutzen islamistische Terroristen zunehmend das Internet, um abgeschottet in geschlossenen Foren oder Benutzergruppen Straftaten zu verabreden oder zu planen. Mit der Einrichtung des Innovations- und Kompetenzzentrums im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) tritt die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen auch dieser Bedrohung entgegen.

2. Welche spezifischen Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden sind weiterentwickelt worden?

Bund und Länder haben auf die von Islamisten ausgehende Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit vielfältigen Maßnahmen reagiert. Hierzu zählen insbesondere die Optimierung der Analysefähigkeit, der Ausbau der operativen Fähigkeiten, die Steigerung der Kompetenzen in der Informationstechnik und in der Internetbearbeitung. Der Fortentwicklungsprozess in den einzelnen Bereichen wurde durch die Schule für Verfassungsschutz und für die Polizei Nordrhein-Westfalen durch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen begleitet. Ihre Fortbildungsprogramme wurden speziell auf diese Fähigkeiten hin ausgebaut.

Beim Verfassungsschutz NRW wurde die Fortbildung der Mitarbeiter durch Optimierung der arbeitsorganisatorischen Abläufe ergänzt. Ab 2005 wurden im Rahmen einer besonderen Projektstruktur Arbeitsabläufe vereinheitlicht, flexibler ausgestaltet und die Prioritäten neu gesetzt. Auch die strategische Zielausrichtung der Arbeit des Verfassungsschutzes wurde neu definiert. Danach ist der Verfassungsschutz nicht nur Frühwarnsystem für die polizeiliche Gefahrenabwehr, sondern analysiert seine Erkenntnisse auch für zielgruppenbezogene Präventionsmaßnahmen und Beschreibung von Radikalisierungsprozessen.

Die im Verbund mit allen Sicherheitsbehörden gewonnenen Informationen werden durch die Polizei Nordrhein-Westfalen fortlaufend ausgewertet, z. B. durch spezifische Auswerte- und Analyseprojekte. Die so verdichtete Erkenntnislage bildet die Grundlage für die anlassbezogene Einleitung polizeilicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

3. Inwieweit hat sich die Weiterentwicklung der Sicherheitsbehörden auf deren qualitative Ausstattung ausgewirkt?

Im Verfassungsschutzverbund wird die optimierte Analysekompetenz durch die Modernisierung des Nachrichtendienstlichen Informationssystems (NADIS) unterstützt. Beim Verfassungsschutz NRW wurde ebenfalls ein neues Wissens- und Informationsmanagement aufgebaut, das eine strukturierte, analysefähige Datenverarbeitung und eine elektronische Aktenhaltung ermöglicht. Für Aufklärungsmaßnahmen im Internet wurden die erforderlichen technischen Grundlagen geschaffen.

Auch die technische Ausstattung der Polizei NRW zur zielgerichteten Auswertung und Analyse sowie zur Durchführung gefahrenabwehrender und strafverfolgender Maßnahmen wurde verbessert und wird ständig an die besonderen Anforderungen zur Bekämpfung der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus angepasst.

4. Inwieweit hat sich die Weiterentwicklung der Sicherheitsbehörden auf deren personelle Ausstattung ausgewirkt?

Der Verfassungsschutz NRW wurde durch zusätzliche Observanten, Analysten, Islamwissenschafter, Politologen, IT-Spezialisten zur Aufklärung des Internets und durch fremdsprachliche Kompetenz ergänzt.

Die personellen Kapazitäten der Polizei Nordrhein-Westfalen für Auswertung, Analyse, Ermittlungen und operative Maßnahmen wurden verstärkt. Zur wissenschaftlichen Begleitung von Ermittlungen und Auswertungen ist beim LKA NRW zudem ein Islamwissenschaftler eingesetzt.

5. Plant die Landesregierung angesichts der von Minister Jäger beschriebenen islamistischen Bedrohung zukünftig mehr Personal im Bereich des Staatsschutzes einzusetzen?

Der Personalbedarf des LKA NRW und der Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein Westfalen wird regelmäßig und anlassbezogen überprüft und angepasst. Die Anpassung der Sockelstellen für den Polizeilichen Staatsschutz bei den Polizeipräsidien gemäß § 2 erfolgte zuletzt im Juli 2011.