Qualifikationsmöglichkeiten für an- und ungelernte Altenpflegekräfte

Am 26. Juli dieses Jahres hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesaltenpflegegesetzes eingereicht. Demnach wird derzeit von einem Personalmangel in Höhe von 2.500 Altenpflegefachkräften ausgegangen. Dieser Arbeitskräftebedarf soll durch dauerhaft angehobene Ausbildungszahlen in den kommenden Jahren nach und nach abgetragen werden.

Allerdings geht die Landesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Landesaltenpflegegesetzes nicht auf die berufliche Situation der an- und ungelernten Altenpflegehilfskräfte sowie auf deren Weiterqualifizierungs-möglichkeiten ein. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist jedoch nur gut jeder zweite Kranken- und Altenpfleger (56,4 %, Stand März 2011) für seine Tätigkeit ausgebildet. Die übrigen Stellen sind von angelernten Kräften besetzt ­ zumeist von Frauen ohne Berufsausbildung oder von Hausfrauen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Zukunftsfähigkeit einer am Menschen orientierten und qualitativ hochwertigen Pflegeinfrastruktur hängt angesichts der demographischen Entwicklung ganz entscheidend davon ab, ob auch in Zukunft genug qualifizierte Beschäftigte für den Pflegebereich gewonnen werden können.

Aufgrund der steigenden Anforderungen im Beruf - viele Altenpflegeeinrichtungen haben heute Hospizcharakter, die oft multimorbiden Patientinnen und Patienten brauchen medizinische und krankenpflegerische Betreuung - muss das vorrangige Ziel eine qualitativ hochwertige und menschenwürdige pflegerische Versorgung mit gut ausgebildeten Fachkräften sein.

Die Landesregierung konzentriert sich daher derzeit darauf, mehr jungen Menschen, aber auch bereits im Berufsleben stehenden Beschäftigten eine Ausbildung bzw. Weiterqualifizierung zur Fachkraft zu ermöglichen. Priorität hat dabei aktuell die schnellstmögliche und rechtssichere Einführung eines Umlageverfahrens für die Altenpflegefachkraftausbildung und eine Erhöhung der landesgeförderten Ausbildungskontingente an den Fachseminaren.

Angesichts der fachlichen Herausforderungen, aber auch der gerade im Teilzeitbereich nur als prekär zu bezeichnenden Einkommenserwartung von Altenpflegehelferinnen und helfern, sollte auch bei der Absolvierung der einjährigen Altenpflegehelferausbildung das Ziel das Erreichen der Fachkraftreife sein. Die Altenpflegehilfeausbildung muss - auch im Sinne der Pflegekräfte und ihrer angemessenen Bezahlung - den Durchstieg zur Fachkraftausbildung ermöglichen.

Unabhängig von dieser derzeit prioritären Zielsetzung im Ausbildungsbereich leisten heute in zahlreichen Einrichtungen auch Pflegekräfte ohne einen Fachkraft- oder Altenpflegehilfeabschluss eine wertvolle Arbeit mit oft hohem persönlichen Einsatz und hoher emotionaler Zuwendung gegenüber den pflegebedürftigen Menschen. Diese Beschäftigtengruppe spielt nicht nur für die aktuelle Versorgungssituation eine wichtige Rolle, sondern ist auch bei den Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkraftmangels in den Blick zu nehmen.

1. In welchem Umfang sind in den Altenpflegeeinrichtungen im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis an- und ungelernte Kräfte im Einsatz? Bitte einzeln darstellen.

Der Personaleinsatz in den Einrichtungen ist Gegenstand des Verhandlungsgeschehens zwischen Kosten- und Leistungsträgern, an dem das Land nicht beteiligt ist. Seitens der Aufsichtsbehörden nach dem Wohn- und Teilhabegesetzes Nordrhein-Westfalen (WTG) wird neben den Leistungsvereinbarungen zwischen den Kostenträgern und den Einrichtungen nur die Einhaltung der sog. Fachkraftquote ermittelt. Konkrete Qualifikationsanforderungen an die Nicht-Fachkräfte enthält das WTG nicht, so dass die einzelnen Qualifikationen auch nicht standardisiert gesammelt werden. Der für die Durchführung des Wohn- und Teilhabegesetzes Nordrhein-Westfalen zuständigen Stelle (Rhein-Sieg-Kreis) liegen daher die gefragten Daten nicht vor.

Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter prüft derzeit, inwieweit im Zusammenhang mit der Einführung einer Altenpflegeumlage insgesamt die Voraussetzungen für eine verbesserte Datenlage zur Pflegeinfrastruktur in NRW geschaffen werden können.

2. Wie gewichtet die Landesregierung diese Arbeitnehmergruppe innerhalb ihrer Planungen zur Erhöhung der Altenpflegefachkräfte-Stellen?

An- und ungelernte Pflegekräfte haben derzeit in NRW die Möglichkeit im Rahmen der nachgeholten Erstausbildung oder auch einer von der Arbeitsagentur geförderten Weiterqualifizie rung einen Altenpflegehilfe- oder Altenpflegefachkraftabschluss zu erwerben. Verantwortliche Arbeitgeber bieten ihren Beschäftigten bereits heute eine solche Qualifizierung unter Beibehaltung des Anstellungsverhältnisses an. Dies wird durch die Einführung der Altenpflegeumlage insoweit erleichtert, als auch diese Arbeitgeber künftig die vollen Ausbildungsentgelte erstattet erhalten. Problematisch bleibt jedoch, dass die bereits zuvor in der Pflege tätigen Beschäftigten oft auf ein höheres Entgelt als die übliche Ausbildungsvergütung angewiesen sind. Zwar gibt es nicht zuletzt aufgrund der durch den Fachkraftmangel begründeten großen Motivation der Arbeitgeber, zusätzliche Fachkräfte auszubilden und möglichst an ihr Unternehmen zu binden, inzwischen auch gute Beispiele zur Lösung dieses Problems. Dennoch bleibt es aus Sicht der Landesregierung eine Zukunftsaufgabe, (berufsbegleitende) Ausbildungsgänge und entsprechende Entgeltmöglichkeiten künftig so zu gestalten, dass sich mehr Beschäftigte ohne qualifizierten Berufsabschluss auf die persönliche Herausforderung einer Weiterqualifizierung einlassen können.

Zur Erreichung dieses Ziels bringt sich das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter bereits heute in verschiedene Projekte ein. So führt es gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Projekt Modell einer gestuften und modularisierten Altenpflegequalifizierung durch. Das Modellprojekt hat sich in den Jahren 2008 bis 2011 systematisch damit auseinandergesetzt, wie den Herausforderungen des demographischen Wandels in der Pflege begegnet werden kann. Zentrales Ziel des Projekts ist es herauszufinden, welche Kompetenzen in der Pflege, Unterstützung und Betreuung älterer Menschen erforderlich sind. Am 7. und 8. November 2011 findet zum Abschluss des Projekts eine Fachtagung in Berlin statt.

In diesem Modellvorhaben sind für die Ausbildungen in der Altenpflegehilfe und zur Altenpflegefachkraft flexible und anrechnungsfähige Qualifizierungsmöglichkeiten in Form modularisierter Bildungsgänge entwickelt und erprobt worden. Darüber hinaus wurde ein Qualifikationsrahmen entwickelt, der es ermöglicht, dass die während der Berufstätigkeit erlangten Kompetenzen einem bestimmten Qualifikationsniveau zugeordnet werden können. Dieser Qualifikationsrahmen beschreibt auf acht verschiedenen abgrenzbaren Niveaus - von der Alltagsbegleitung, über die persönliche Assistenz und Betreuung, die Durchführung von Aufgaben im Bereich des Pflegeprozesses, die Steuerung des Pflegeprozesses, die Leitung von Teams und Einrichtungen bis hin zur Steuerung und Gestaltung pflegewissenschaftlicher Aufgaben - Verantwortungsbereiche und Kompetenzen und liefert Impulse für Personaleinsatz und Personalentwicklung. In dem Projekt wurden anrechnungsfähige Qualifizierungen entwickelt und erprobt. Damit soll die Durchlässigkeit in diesem Ausbildungsbereich erhöht werden.

Damit un- und angelernten Pflegekräften der Einstieg in eine Ausbildung in der Altenpflege erleichtert wird, erscheint aus Sicht der Landesregierung auch die Erprobung von Verfahren zur Feststellung außerschulisch bzw. informell erworbener Kompetenzen sinnvoll. Auch auf diesem Wege können bislang ungenutzte Potentiale un- und angelernter Pflegekräfte für eine qualitativ hochwertige und am Menschen orientierte Pflege genutzt werden.

Auf Landesebene wurde im Jahre 2006 durch das Landesaltenpflegegesetz die Altenpflegehilfeausbildung geschaffen. Hierbei handelt es sich um eine einjährige Ausbildung mit dem Abschluss staatlich anerkannte Altenpflegehelferin und staatlich anerkannter Altenpflegehelfer und der Durchstiegsmöglichkeit zur Fachkraftausbildung. Zugangsvoraussetzung ist der Hauptschul-abschluss, aber auch die besonders erfolgreiche Teilnahme an mindestens zwei Bausteinen von je zwei bis drei Monaten des nordrhein-westfälischen Werkstattjahres, Bereich Altenhilfe. Diese Ausbildung ist auch in Teilzeitform mit einer Höchstdauer von zwei Jahren möglich und daher besonders für Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen (Kinderbetreuung, Pflege) interessant.