Ungleiche Behandlung von Drittstaatenangehörigen im Hinblick auf Arbeitserlaubnis und Vorrangprüfung

Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1188 mit Schreiben vom 9. November 2011 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Drittstaatenangehörige mit befristetem Aufenthaltstitel sind auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich benachteiligt. Das gilt umso mehr, je kurzfristiger der erlaubte oder geduldete Aufenthalt ist, da die (potentiellen) Arbeitgeber immer damit rechnen müssen, aufgrund von Ausreise oder Abschiebung einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zu verlieren. Darüber hinaus schreckt das häufig aufwendige und sich über Wochen und Monate ziehende Verfahren der sog. Vorrangprüfung nach § 39 Abs. 2 Arbeitgeber und Unternehmen in der Regel von der Einstellung einer solchen Person ab, so dass der nachrangige Zugang zum Arbeitsmarkt in der Praxis oft einem Verbot von Erwerbstätigkeit entspricht.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 kann Ausländern die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Vorrangprüfung erteilt werden, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich seit drei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung aufhalten.

Nach der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu dieser Vorschrift soll Personen, die sich durch mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland bereits in wesentlichen Umfang integriert haben, ein Recht auf unbeschränkten Arbeitsmarktzugang eingeräumt werden. Auf die Einschaltung der Agentur für Arbeit kann verzichtet werden, wenn in einer

Vereinbarung mit der Ausländerbehörde eine allgemeine Zustimmung für den Personenkreis nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 erfolgt ist (DA Nr. 3.9.114). Dies wird dann mit der Nebenbestimmung Erwerbstätigkeit gestattet in die Aufenthaltserlaubnis eingetragen.

Hinsichtlich der Umsetzung dieser Regelung stellt sich die Situation in NRW völlig uneinheitlich dar: Während es in einigen Städten und Kreisen solche Vereinbarungen zwischen der Agentur für Arbeit (bzw. seit dem 1.Mai 2011 mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung - ZAV) und der jeweiligen Ausländerbehörde gibt, existieren sie in anderen nicht, was zur Folge hat, dass der Wohnort wesentlich über den Erfolg bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entscheidet.

Zu einer weiteren Ungleichbehandlung der betroffenen in NRW kommt es bei der Formulierung der Nebenbestimmung zur Erwerbstätigkeit:

Nach § 10 Abs. 1 ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für Personen mit einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis während des ersten Jahres des Aufenthaltes untersagt. Nach Ablauf dieses Jahres kann eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden, sofern die Bundesagentur für Arbeit nach Vorrangprüfung i.S.d. § 39 Abs. 2 zustimmt und keine Versagungsgründe nach § 11 vorliegen.

Nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz 4.3.1.1.) soll der Aufenthaltstitel bzw. die Duldung dann mit folgendem Hinweis versehen werden: Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet. Die meisten Ausländerbehörden in NRW dokumentieren diesen Status genau mit diesem Wortlaut oder in ähnlicher Art und Weise.

Einige Ausländerbehörden - wie etwa die Ausländerbehörde des Märkischen Kreises - verwenden jedoch sinnverändernde Formulierungen wie Erwerbstätigkeit nicht gestattet, welche ein vollständiges Arbeitsverbot bezeichnet, obwohl das nach Ablauf des ersten Aufenthaltsjahres rechtlich nicht mehr zutreffend ist. Die Betroffenen erfahren dadurch eine starke Benachteiligung bei der Arbeitssuche, weil diese Formulierung dem potentiellen Arbeitgeber suggeriert, der Bewerber unterliege einem Arbeitsverbot.

Leider gibt es hierzu weder eine gesetzliche Regelung noch einen klarstellenden Hinweis in den Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Der Zugang von Drittstaatsangehörigen mit befristetem Aufenthaltstitel, Aufenthaltsgestattung oder Duldung zum Arbeitsmarkt ist durch verbindliche bundesrechtliche Vorgaben - vgl. insb. die §§ 18 ff. und 39 ff. Aufenthaltsgesetz sowie die Beschäftigungsverordnung und die Beschäftigungsverfahrensverordnung - geregelt. Die Bundesvorgaben sehen ausdifferenzierte Zugangsvoraussetzungen vor, die im Einzelfall u.a. den unterschiedlichen Aufenthaltszwecken und statusrechtlichen Gegebenheiten der Zugang Begehrenden und der Berücksichtigung der unterschiedlichen regionalen und übergeordneten Verhältnisse am Arbeitsmarkt Rechnung tragen. Die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung wird dabei nicht gesondert, sondern als Nebenbestimmung des im Einzelfall maßgeblichen Rechtsakts von der Ausländerbehörde erteilt, die dabei im Rahmen eines verwaltungsinternen Verfahrens (sog. one-stop-government) zuvor in der Regel die Bundesagentur für Arbeit zu beteiligen und ggf. deren Zustimmung einzuholen hat.

Seit dem 01.05.2011 gelten für die Arbeitsmarktzulassung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb der Bundesagentur für Arbeit neue Zuständigkeiten. Wesentliche Änderung ist, dass das Verfahren, das bis dahin in den Agenturen für Arbeit durchgeführt worden ist, im Wesentlichen auf die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit übertragen wurde und seitdem in vier ZAV-Stützpunkten (u.a. in Bonn und Duisburg) durchgeführt wird. Soweit im Arbeitsmarktzulassungsverfahren eine Vorrangprüfung vorzunehmen ist - ob Arbeitssuchende aus Deutschland oder der EU vorhanden und damit vorrangig einzustellen sind - bzw. die Beschäftigungsbedingungen zu prüfen sind (§ 39 Abs. 2 Satz 1 wird diese Prüfung, wie zuvor, durch den Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Arbeitgeber seinen Sitz hat, durchgeführt; damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Rahmen der vorstehenden Prüfung regionalen Aspekten des Arbeitsmarktes maßgebliche Bedeutung zukommt. Von einer Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 kann in Bezug auf Drittstaatsangehörige abgesehen werden, die

- entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 2 über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen und sich seit drei Jahren oder

- gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 sich seit vier Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten haben.

In Nr. 4.3.1.1 ist neben der in der Vorbemerkung des Fragestellers angesprochenen Vorgabe zur Verwendung der Nebenbestimmung Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet auch Folgendes vorgegeben: Besteht eine Wartezeit oder wird bei Duldungsinhabern die Erlaubnis nach § 11 versagt, soll der Hinweis lauten: Erwerbstätigkeit nicht gestattet.

Der in der Vorbemerkung des Fragestellers beispielhaft angeführte Märkische Kreis hat hierzu klargestellt, dass er beide in der vorgegebenen Nebenbestimmungen jeweils unter Beachtung der dafür dort geregelten Voraussetzungen verwendet.

1. In welchen Städten und Kreisen existieren derzeit die genannten Vereinbarungen für eine Globalzustimmung (allgemeine Zustimmung für den Personenkreis nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 zwischen der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung und den Ausländerbehörden?

Im Rahmen einer anlässlich dieser Kleinen Anfrage durchgeführten Abfrage bei den Ausländerbehörden haben folgende Ausländerbehörden mitgeteilt, dass Vereinbarungen mit der ZAV zum Absehen von der Prüfung nach § 39 Abs. 2 bestehen: