Verbraucherschutz

Gefährliches Eschentriebsterben in Nordrhein-Westfalen

Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1277 mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Die Nebenfruchtform des Falschen Weißen Stengelbecherchens Chalera fraxinea ist eine Kleinpilzart, die in Deutschland als Auslöser für die Zunahme des Absterbens von Eschentrieben vermutet wird. Der Pilz, dessen Sporen durch den Wind verbreitet werden, hat sich auch nach Mitteleuropa ausgedehnt. Der Pilzbefall führt dazu, dass die Bäume an den Triebenden verkahlen und später ganz absterben. Auffällig ist insbesonders der Befall bei älteren Bäumen. Noch ist wenig über die Erkrankung und die Möglichkeiten der Bekämpfung bekannt.

In den letzten ein bis zwei Jahren hat sich der Befall in Deutschland sehr stark ausgebreitet.

In den Medien wird über die Zunahme des Eschentriebsterbens in Ländern wie Thüringen berichtet. Anfang August 2011 wiesen 64 Prozent aller erfassten Eschenflächen in Thüringen Schadsymptome der Krankheit auf.

1. Für welche Regionen in Deutschland ist das Auftreten des Pilzes Chalara fraxinea offiziell belegt?

Das Vorkommen des Erregers ist in allen Bundesländern nachgewiesen.

2. Ist der Landesregierung das Auftreten von Chalara fraxinea in Nordrhein Westfalen bekannt?

Der Landesregierung ist das Auftreten von Chalara fraxinea in Nordrhein-Westfalen bekannt.

Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat alle Forstbetriebsbezirke über das Vorkommen des Eschentriebsterbens befragt. Landesweit sind rund 286 ha Eschenkulturflächen gemeldet. Von diesen Flächen sind rund 193 ha der Eschenkulturen ohne Symptome und rund 93 ha mit Symptomen. Das heißt, insgesamt sind 66 % der Eschenkulturflächen im Land gesund und 34 % krank. In 21 % der Krankheitsfälle konnte der Erreger des Eschentriebsterbens Chalara fraxinea bisher auch nachgewiesen werden.

In Eschen-Altbeständen wurden aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens ebenfalls Schäden gemeldet.

3. Welche Handlungsempfehlungen geben die Landesregierung bzw. der Landesbetrieb Wald und Holz zum Umgang mit dem Phänomen des Eschentriebsterbens?

Im Zuge des Warn- und Informationsdienstes Forst-, Wald- und Baumschutz des Landesbetriebes Wald und Holz NRW, Schwerpunktaufgabe Waldschutzmanagement, wurden folgende Empfehlungen zum Umgang mit dem Eschentriebsterben veröffentlicht: Empfehlungen für ausgeführte bzw. geplante Kulturen

1. Nachbesserungen auf bisher festgestellten Ausfallbereichen sollten grundsätzlich nicht mit Esche ausgeführt werden.

2. Erst- und Wiederaufforstungen von Kahlflächen mit Esche sind bis auf Weiteres auszusetzen.

Empfehlungen für Bestände

1. Naturverjüngung zulassen

Die derzeitigen Rahmenbedingungen (neuer virulenter Schadorganismus und Klimaveränderung) stellen einen erheblichen Evolutionsdruck für Eschen dar. In Bereichen, wo bisher die Verjüngungsfreudigkeit der Esche als Problem gesehen wurde (Stichwort: Vereschung), sollte dieses natürliche Potential der Esche (2 Mio. Jungeschen pro Hektar) genutzt werden, um aus dem bevorstehenden Selektionsprozess gestärkt hervorgehen zu können.

2. Gesunde Alteschen waldbaulich fördern

In Mecklenburg Vorpommern sind bundesweit die stärksten Eschenschäden bekannt. Hier zeigt sich, dass es in Altbeständen vereinzelte Eschen ohne Symptome gibt. Es ist zu hoffen, dass es sich dabei um resistente Individuen handelt. Dies wird derzeit untersucht.

Daraus lässt sich dann ggf. ableiten, dass gesunde Eschen, auch in Nordrhein-Westfalen, durch gezielte waldbaulich Hiebsmaßnahmen gefördert werden sollten, um einen resistenten, breit aufgestellten Genpool zu sichern.

4. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Landesregierung im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial durch Chalara fraxinea in Nordrhein-Westfalen vor?

In 2009 haben sich zwei neue Gesichtspunkte bei dieser Erkrankung durch Chalara fraxinea ergeben: Kollegen der ETA Zürich haben nachgewiesen, dass es sich bei dem Erreger nicht um den auf Eschenfalllaub vorkommenden, streuzersetzenden Pilz Hymenoscyphus albidus (= Hauptfruchtform von Chalara fraxinea) sondern um die neue, virulente Art Hymenoscyphus pseudoalbidus handelt. Ob der Krankheitserreger eingeschleppt oder durch Mutation pathogen wurde ist bisher noch nicht bekannt. Die Erkenntnis, dass es sich um eine neue Art handelt, könnte ggf. die Ausbreitungsgeschichte der Erkrankungen, die erstmals in Nordosteuropa entdeckt und beschrieben wurde und sich anscheinend von dort ausbreitete, erklären.

In Mecklenburg-Vorpommern kommt die Erkrankung in allen Altersklassen der Esche und auf allen Standorten vor. Dem stehen die Erkenntnisse der bayerischen Waldschutzkollegen und -kolleginnen entgegen. Hier deuten Meldungen darauf hin, dass es anscheinend einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Eschentriebsterbens und dem Standort geben könnte, denn auf Kalkstandorten wurden keine Schäden bekannt.

Inwiefern dies auch in Nordrhein-Westfalen zutrifft, wird derzeit vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW untersucht. Nach wie vor wird darüber hinaus ein Zusammenhang mit klimatischen Einflüssen diskutiert. Die Virulenz des Erregers ist auch in Nordrhein-Westfalen als hoch einzustufen.

5. Welche Auswirkungen hat ein mögliches Eschentriebsterben auf die Waldwirtschaft in Nordrhein-Westfalen?

In Nordrhein-Westfalen hat die Esche landesweit einen Flächenanteil von ca. 2 %, wobei der Anteil in Ostwestfalen wesentlich höher liegt. Lokal kann das Eschen(trieb)sterben somit einen erheblichen, betriebswirtschaftlich negativen Einfluss auf die Forstbetriebe durch vorzeitige und nicht geplante Nutzungen haben. Hier kann die Einstufung der Hiebe als Kalamitätsnutzung zumindest eine steuerliche Erleichterung bedeuten.

Die Baumart Esche stellt auf nährstoffreichen Böden mit oberhalb von 4,8 eine wichtige waldbauliche Möglichkeit dar. Insbesondere in Bezug auf eine standortgerechte Baumartenwahl und den Erhalt der Baumartenvielfalt im Kontext der Schadensminimierungen beim Klimawandel ist die Esche eine wichtige Baumart.