Schäden durch Gänsefraß
Es mehren sich zunehmend die Klagen von Landwirten - vor allem am Niederrhein - über erhebliche Fraßschäden durch wildlebende umherziehende Wasservögel. Diese Schäden werden insbesondere durch Gänse verursacht.
Zählergebnisse der letzten Jahre zeigen deutlich, dass die Wasservogelpopulationen in Nordrhein-Westfalen deutlich zugenommen haben. Die Tiere profitieren vom verbesserten Feuchtgebietsschutz, von störungsfreien Ruhezonen und vor allem vom qualitativ wie quantitativ erheblich verbesserten Nahrungsangebot von intensiv genutzten Grün- und Ackerflächen.
Als Folge kommt es seit Jahren zunehmend zu Konflikten von Jagdgegnern und -befürwortern. Die Befürworter einer Jagd berufen sich auf die EG-Vogelschutzrichtlinie in der es wörtlich heißt: Einige Arten können aufgrund ihrer großen Bestände, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand einer jagdlichen Nutzung sein.
1. Welche Erkenntnisse und Daten liegen der Landesregierung bezüglich der Entwicklung von hier überwinternden oder lebenden Wasservögelpopulationen vor?
Arktische Gänse (Blässgans, Saatgans, Weißwangengans)
Die Blässgans zählt seit den 1960er Jahren zu den regelmäßigen Wintergästen am Niederrhein. Seitdem nahm die Winterpopulation in gesamt NRW und am Niederrhein zu.
Seit den 1990er Jahren schwankt sie zwischen 120.000 und 190.000 Individuen.
Der Bestand der Saatgans nahm bis zur Jahrtausendwende ab und verharrt seitdem auf einem Niveau von 10.000-20.000 Individuen mit Schwerpunkt Niederrhein.
Der Niederrhein stellt für die Weißwangengans das einzige bedeutsame Rastgebiet in NRW dar. Ab Mitte der 1990er Jahre sind die Zahlen sprunghaft auf ein Maximum von 1.000 Vögeln gestiegen.
In den Jahren 2005-2009 konnte ein Wintermaximum von rund 3.400 Individuen festgestellt werden.
Eingebürgerte Gänse (Graugans, Nilgans, Kanadagans)
Die Brut- und Rastbestände der Graugans nehmen in NRW und am Niederrhein seit den 1970er Jahren kontinuierlich zu. Das Wintermaximum 2003/2004 betrug am Niederrhein rund 7.000 Individuen.
Die ersten Freilandbruten der Nilgans fanden 1986 am Niederrhein statt, der Brutbestand nimmt zu. Der landesweite Bestand wird auf rund 1.000 Paare geschätzt. Der Niederrhein ist das Hauptaufenthaltsgebiet dieser Art, im Winterhalbjahr 2003/2004 wurden hier 1.
Individuen erfasst. Der landesweite Bestand wird auf etwa 4.000 Tiere geschätzt.
Die bevorzugten Aufenthaltsräume der Kanadagans in NRW sind das Ruhrgebiet und die Rieselfelder Münster. In der Stadt Duisburg brüten Kanadagänse in größerer Anzahl. Am Niederrhein ist sie nur vereinzelt vertreten.
2. Wie haben sich seit 1989 nach Erkenntnissen der Landesregierung die durch Wasservögel (Gänse u.a.) verursachten Schäden entwickelt (bitte nach Fraßschäden und Kosten in Euro aufschlüsseln)?
Die Größe der ausgeglichenen Schadensflächen ist aufgrund der Vereinbarung zum Ausgleich von Gänsefraßschäden aus dem Jahr 2000 (vgl. hierzu Frage 4) im Jahr 2001 von 12.145 ha auf 20.415 ha im Jahr 2009 angewachsen. Die Zahl der Antragsteller hat sich in diesem Zeitraum von 499 auf 814 erhöht. Die Zahlen unterliegen jährlichen Schwankungen.
Die Schadenssumme, die vom Umfang der Fraßschäden und von der Höhe der Getreidepreise abhängig ist, differiert ebenfalls und ist von rund 1,08 Mio. im Jahr 2001 auf rund 1,94 Mio. im letzten Jahr angewachsen.
3. Welche Maßnahmen haben die Landesregierung oder die ihr untergeordneten Behörden bzw. andere Stellen unternommen, um dieses Problem zu lösen?
Mit der Änderung der Verordnung über die Jagdzeiten vom 28. November 2006 hat die Landesregierung die Jagdzeit für Graugänse verlängert und eine Jagdzeit für die Kanadagans eingeführt. Dabei ist der damals rechtlich zulässige Rahmen der Bundesjagdzeiten-Verordnung voll ausgeschöpft worden. Die Nilgans ist durch die o.a. Verordnung zu jagdbarem Wild erklärt worden und hat ebenfalls eine Jagdzeit erhalten. Von der Bejagung ausgenommen sind die Gebiete, in denen die arktischen Gänse in großer Zahl rasten oder überwintern. Das sind die Schongebiete Unterer Niederrhein und Weseraue (zugleich überwiegend EU-Vogelschutzgebiet). In diesen beiden Gebieten dürfen Grau-, Kanada- und Nilgänse in der Zeit vom 15. Oktober bis zum Ende der Jagdzeit nicht bejagt werden.
Mit der Verordnung über die Jagdzeiten und die Jagdabgabe vom 31. März 2010 (GV. NRW. S. 237) ist die Jagdzeit für Grau-, Kanada- und Nilgänse noch einmal verlängert worden. Alle drei Arten haben eine Jagdzeit vom 16. Juli bis 31. Januar erhalten. Die Beschränkung der Jagd in den Schongebieten gilt weiter. Grau- und Kanadagänse haben damit die nach den data sheets des bei der EU-Kommission gebildeten ORNIS-Ausschusses maximale Jagdzeit (= außerhalb der Nist-, Brut- und Aufzuchtzeit) erhalten.
Zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden hat die obere Jagdbehörde seit ca. 20 Jahren in zahlreichen Einzelfällen die Schonzeit für Grau- und Kanadagänse aufgehoben.
4. Gedenkt die Landesregierung, den Schadensausgleich für betroffene Landwirte auszuweiten?
Grundlage des Ausgleichs von Gänsefraßschäden ist die Vereinbarung zwischen dem Land NRW, den Kreisen Kleve und Wesel, der Stadt Duisburg, dem Rheinischen Landwirtschaftsverband e.V., der Bezirksbauernschaft Düsseldorf, der Kreisbauernschaft Kleve e.V., der Kreisbauernschaft Ruhrgebietsgroßstädte Essen Mülheim Duisburg Oberhausen e.V., der Kreisbauernschaft Wesel e.V., der LWK Rheinland und dem Waldbauernverband e.V. Bezirksgruppe Unterer Niederrhein vom 31.10.2000. Sie ist auf 20 Jahre abgeschlossen.
Inhalt der Vereinbarung ist u. a., dass innerhalb des EG-Vogelschutzgebietes Unterer Niederrhein sowie innerhalb des RAMSAR-Gebietes Unterer Niederrhein von Seiten der Landwirtschaft auf die Vergrämung von überwinternden Wildgänsen (nicht Kanada-, Nil- oder Graugans) verzichtet wird und das Land sich im Gegenzug verpflichtet hat, die von den überwinternden Wildgänsen verursachten Fraßschäden auf landwirtschaftlichen Kulturen finanziell auszugleichen. Im Hinblick auf eine Gleichbehandlung der Landwirte hat das Land in der Vereinbarung zugesichert, auch Fraßschäden, die von überwinternden Wildgänsen außerhalb der Gebiete verursacht werden, entsprechend auszugleichen.
Die Schadenshöhe wird durch die LWK NRW jährlich gutachterlich ermittelt. Der Entschädigungsberechnung werden die Richtsätze z. B. für Getreide und Raps zum ersten Marktberichtsstichtag im September zugrunde gelegt.
5. Sieht die Landesregierung die Möglichkeit einer Ausweitung der Jagdzeiten?
Nein. Die nach EU-Recht möglichen Maximalzeiten sind ausgeschöpft.
Pro und Kontra der Frage der Jagdzeiten werden in dem in meinem Hause gebildeten Arbeitskreis Wildgänse, in dem Naturschützer, Landwirte und Jäger, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz sowie die Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadensverhütung vertreten sind, diskutiert werden und danach werden weitere Entscheidungen getroffen.