Preußische Treuhand

Beurteilung der Aktivitäten der Preußischen Treuhand & Co. vor dem Hintergrund von gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Bestrebungen.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage:

In der Beantwortung der in der Kleinen Anfrage Drucksache 15/189 gestellten Frage Wie beurteilt die Landesregierung die Aktivitäten der von führenden Funktionären des NRW mitgegründeten Preußischen Treuhand & Co. die ihren Sitz in Düsseldorf hat? hat die Landesregierung in der Drucksache 15/355 erklärt: Gem. § 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hat die Verfassungsschutzbehörde die Aufgabe, Informationen über Bestrebungen zu sammeln, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen.

Und weiter ausgeführt: Der NRW und die Preußische Treuhand & Co. sind keine Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes NRW.

Die Preußische Treuhand ist nach eigener Aussage eine Selbsthilfeorganisation der Vertriebenen, die private und individuelle Eigentumsansprüche sichern und geltend machen will. Die Preußische Treuhand fordert ausdrücklich keine finanzielle Entschädigung, sondern die Rückgabe der nach dem Zweiten Weltkrieg enteigneten Güter und Besitztümer, die heute zu Polen und zur Tschechischen Republik gehören.

In ihrem juristischen Aufsatz. Die Preußische Treuhand ­ Adressat einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung?, veröffentlicht in den Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsblättern 6/2007, S. 211 ­ 218, kommen der damalige Lehrbeauftragte für Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und heutige Professor für Strafrecht an der Universität Passau, Prof. Dr. Holm Putzke, und der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Guido Morber bezüglich der Preußische Treuhand & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, im Folgenden Preußische Treuhand, zu folgendem Ergebnis: Wie gezeigt, erfüllt die Preußische Treuhand objektiv und subjektiv die Voraussetzungen für ein Verbot. Folglich müsste der Bundesminister des Inneren, dessen Zuständigkeit sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 ergibt, die Preußische Treuhand gemäß §§ 3, 17 Nr. 1 i.

V. m. Art. 9 Abs. 2 GG verbieten. Als Nebenentscheidungen dürften die §§ 10 ff. in Betracht kommen. Im Übrigen ist vor Erlass der Verbotsverfügung gemäß § 28 Abs. 1 den Vertretern der Preußischen Treuhand die Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Allerdings könnte ­ vor allem soweit eine Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens im Raum steht ­ nach § 28 Abs. 2 von einer Anhörung abgesehen werden. Die Aktivitäten der Preußischen Treuhand sind (um mit den Worten des zu sprechen) geeignet, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ist der Verbotstatbestand des § 17 Nr. 1 erfüllt. Ein Verbot der Preußischen Treuhand und die gleichzeitige Anordnung ihrer Auflösung wären verhältnismäßig.

Die Autoren weisen dabei in ihrer Arbeit ausdrücklich auf folgendes hin: Es geht nicht um die Zulässigkeit und Begründetheit etwaiger Klagen auf Rückgabe oder Entschädigung vor deutschen, polnischen, europäischen oder internationalen Gerichten. Vielmehr wird ausschließlich geprüft, ob die Tätigkeit der Preußischen Treuhand mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist und ­ falls diese Frage mit Nein beantwortet wird ­ welche Konsequenzen das hat.

Die heutige Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NRW, Angelica Schwall-Düren, hat als damalige Bundestagsabgeordnete bereits am 23.03. zur Preußischen Treuhand erklärt: Die Tätigkeit dieser Institution ist in der Tat dazu geeignet, den deutsch-polnischen Beziehungen und damit den deutschen Interessen in Europa großen Schaden zuzufügen.

1. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass die Tätigkeit der Preußischen Treuhand dazu geeignet ist, den deutsch-polnischen Beziehungen und damit den deutschen Interessen in Europa großen Schaden zuzufügen?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Aktivitäten der Preußischen Treuhand geeignet sind, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen?

3. Welche Gründe haben dazu geführt, dass § 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen nicht auf die Preußische Treuhand angewandt wird?

Die Landesregierung ist nur im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten befugt, die Tätigkeiten von Vereinen und Gesellschaften zu bewerten.

Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ist das Land nur dann zuständig, wenn sich deren erkennbare Organisation und Tätigkeit auf das Gebiet eines Landes beschränkt. Der benannte Verein ist über Nordrhein-Westfalen hinaus tätig, so dass eine Zuständigkeit des Bundes besteht, wie dies auch in dem in der Fragestellung zitierten Aufsatz ausgeführt wird.

Im Rahmen der Zuständigkeiten nach § 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen beurteilt die Landesregierung, ob es sich bei der Treuhand um eine der in § 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz (VSG) in Nordrhein-Westfalen genannten Bestrebungen handelt. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Preußische Treuhand & Co. eine Bestrebung ist, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, liegen nicht vor. Auch die in dem, von der Fragestellerin zitierten Aufsatz dargestellten Tatsachen lassen nicht die Bewertung zu, dass es sich bei der Treuhand um eine Bestrebung handelt, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG ist nur dann erfüllt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zweck oder die Tätigkeit des Vereins beabsichtigt, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung ist aufgrund der daran geknüpften Rechtsfolgen und des Bestimmtheitsgrundsatzes nur dann zu bejahen, wenn das friedliche Zusammenleben der Völker im Sinne des Art. 26 GG völkerrechtswidrig derart gestört wird, dass sie mit der Vorbereitung eines Angriffskrieges vergleichbar ist.

Der von der Fragestellerin zitierte Aufsatz benennt als Ziel der Preußischen Treuhand die treuhänderische Verwaltung von Grundbesitz und anderen Vermögenswerten in den preußischen Provinzen jenseits von Oder und Neiße sowie der Erwerb von Grundbesitz und anderen Vermögenswerten im ehemaligen Preußen. Unabhängig davon, wie man dieses Ziel politisch bewertet, so verbleibt es doch juristisch im Rahmen zivilrechtlicher Fragestellungen um Privateigentum. Die Gebietssouveränität von Polen wird dadurch nicht in Frage gestellt, da diese auch bei einem Eigentümerwechsel fortbestehen würde, selbst wenn der Eigentümer nicht polnischer Staatsangehöriger wäre. Auch der Versuch, diese vermeintlichen Eigentumsansprüche gerichtlich durchzusetzen, stellt keine völkerrechtswidrige Handlung dar.