Wohnungspolitik

In den letzten Jahren hat sich die Situation am Kölnberg deutlich entspannt, weil insbesondere die Hausverwaltung sehr konsequent und nachhaltig daran gearbeitet hat, das Zusammenleben der Menschen zu verbessern.

Zum Kölner Sozialamt kam diese Fondsgesellschaft aber mit einem anderen Begehren; sie kam mit dem Begehren, dass die Stadt doch endlich ihre Miete zahlen sollte, weil viele der Menschen, die dort wohnen, ­ die überwiegende Mehrheit ­, Hartz-IVEmpfänger sind. Die Stadt solle endlich die Mietkosten zur Unterkunft überweisen und sollte das nicht verschleppen.

Das ist ein Beispiel für eines der Grundprobleme, die wir als Politik angehen müssen. Unsere Städte und Gemeinden finanzieren in vielen Bereichen des Landes sogenannte Heuschrecken oder Fondsgesellschaften, die im Grunde genommen nur mithilfe der Mietzahlungen der Städte und Gemeinden ihren Bestand halten, damit ihr Geld verdienen, aber zur gleichen Zeit dazu beitragen, dass der Instandhaltungsaufwand deutlich gesenkt wird, und zum anderen, was in dieser Siedlung besonders verheerend ist, zunächst einmal Kostensenkungen durchführen.

Sie haben in diesem Fall dem Hausverwalter, der seit Jahren erfolgreiche Arbeit macht, gekündigt, setzen auf neues, ganz junges Personal, das keine Erfahrung vor Ort hat, aber deutlich billiger ist mit all den Problemen, die damit zusammenhängen.

Kosten zu senken ist eine schöne Idee, weil die Gewinne, die in den Fondsgesellschaften erzielt werden, einigen wenigen zugutekommen, die dort investiert haben. Die anderen Folgekosten, die durch diese Maßnahmen entstehen ­ auch die hat Frau Schneckenburger angesprochen: soziale Folgekosten, steigende Jugendhilfekosten, Polizeieinsätze, viele Ordnungsmaßnahmen ­, tragen die Kommunen und damit der Staat insgesamt. Das ist ein unverantwortlicher Weg, den wir nicht akzeptieren können. Deshalb haben wir Sozialdemokraten bereits in den letzten fünf Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es für uns ganz besonders wichtig ist, die Instrumente zu überprüfen und darüber nachzudenken, wie man solche Entwicklungen vermeiden kann.

Wir allen kennen die Großsiedlungen in unseren Städten in ganz Nordrhein-Westfalen, in denen solche Situationen entstanden sind, in denen einige wenige Geld verdienen, teilweise sogar in Zwangsvollstreckung befindlich, und trotzdem immer noch ausgesaugt werden. Solche Verhältnisse ­ vielleicht ist das der entscheidende Grund, warum Sie das etwas kritisch beleuchten, Herr Voussem ­ treten in Euskirchen nur selten zutage, in den Großstädten aber häufiger.

Verehrte Damen und Herren, es geht bei dieser Frage in der Tat um das Recht der Menschen auf eine vernünftige Wohnung, auf das Zusammenleben in Stadtteilen, in lebenswerten Bereichen. Wir wissen, dass in Großsiedlungen, in denen nichts mehr getan und alles liegen gelassen wird, viel Zerstörung und Vandalismus stattfindet. Das hängt mit der fehlenden Instandhaltung zusammen. Deshalb ist es aus unserer Sicht besonders wichtig, sich im Rahmen der Enquetekommission über den stadtentwicklungspolitischen Auftrag insgesamt Gedanken zu machen.

Herr Voussem, um es deutlich zu machen: Die Heuschrecken sind im Moment nicht dabei, in großen Bereichen neu zu kaufen, aber sie haben ihre Bereiche noch nicht ganz abgegrast, sie grasen jeden Tag weiter, fressen sich satt, und der Staat finanziert sie. Welche Instrumente dagegen die richtigen sind, werden wir gemeinsam erarbeiten.

Wie viel die CDU-/FDP-Regierung zu dieser Lage beigetragen hat, sieht man am Beispiel Barkenberg in Dorsten. Beim Verkauf der LEG haben wir immer auf die massiven Folgen hingewiesen. Jetzt sehen wir, dass der Käufer aufgehört hat, in den Stadtumbau zu investieren. Genau das, was wir immer vorausgesagt haben, passiert in den Beständen der LEG. Deshalb müssen Sie Mitverantwortung dafür übernehmen, dass Sie nach den vielen Negativbeispielen der vergangenen Jahre den unsinnigen Verkauf der LEG zum Leidwesen der Menschen und der Städte und Gemeinden in Nordrhein Westfalen nicht gestoppt haben.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Präsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. ­ Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Rasche das Wort.

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen besteht ein massiver Investitionsbedarf in den Neubau und die Sanierung von Mietwohnungen. Nur am Rande bemerkt: Trotzdem plant die Koalition von SPD und Grünen, die Wohnraumförderung in den nächsten fünf Jahren um 1 Milliarde zu reduzieren.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Quatsch!)

Während der Podiumsdiskussion bei der Architektenkammer, meine Damen und Herren ­ Herr Schmeltzer, Sie waren sofort wieder verschwunden ­, waren sich die Kammer und die meisten Teilnehmer einig: Nur mit privaten Investoren kann der massive Investitionsbedarf getragen werden.

Der Staat kann das niemals allein, so die Worte des Präsidenten der Architektenkammer, Hartmut Miksch.

Deshalb sollten wir den Investoren grundsätzlich positiv gegenüberstehen und für Anreize und Rahmenbedingungen sorgen, damit sie in den Wohnungsmarkt von Nordrhein-Westfalen investieren. Parallel dazu ­ auch das sage ich ganz deutlich ­ müssen wir Missbrauch und schwarze Schafe, die es vermutlich in jedem Tätigkeitsfeld gibt, konsequent bekämpfen. Da, wo auch aus diesem Grund staatlicher Einfluss notwendig und sinnvoll ist, wird sich die FDP dafür einsetzen. Da, wo eine überzogene Aufrüstung staatlicher Kontrollen und Eingriffsbefugnisse Investitionen in den nordrheinwestfälischen Wohnungsmarkt erheblich gefährdet, wird sich die FDP immer eher für Investitionen einsetzen als für staatliche Gängelung.

In Deutschland, meine Damen und Herren, gibt es 24 Millionen Mietwohnungen, davon rund 61 % in den Händen privater Kleinanbieter. Die übrigen 39 % verteilen sich auf kommunale Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, privatwirtschaftliche und sonstige Anbieter. In der Hand professioneller privatwirtschaftlicher Anbieter befinden sich insgesamt 17 % der Mietwohnungen.

Der Begriff Heuschrecke ist gerade in jeder Rede gefallen. Ich möchte noch einmal deutlich sagen:

Nicht jeder Finanzinvestor ist eine sogenannte Heuschrecke. Nehmen wir das Beispiel Dortmund aus dem vorliegenden Antrag, Frau Kollegin Schneckenburger. Hier befinden sich 81 % aller Wohnungen in den Händen konventioneller Anbieter. 19 % der lokalen Wohnungsbestände gehören internationalen Investoren. Bei diesen Investoren handelt es sich jedoch überwiegend um etablierte Wohnungsunternehmen. Gerade einmal 2,6 % des Wohnungsbestandes werden von dubiosen Firmen gehalten. Ich gebe Ihnen gerne recht, Frau Kollegin: Die Zustände, die Sie beschrieben haben, wollen wir vermeiden; das will auch die FDP. Dazu müssen wir einen gemeinsamen Weg finden.

Meine Damen und Herren, die Enquetekommission bietet die Chance, umfangreiche und vor allem solide Informationen über den Wohnungsmarkt, die dort tätigen Akteure und Investoren zu sammeln und zu bewerten, damit am Ende der enorme Investitionsbedarf auf dem nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt durch den Staat und durch Investoren behoben werden kann. Die FDP ­ das ist ein Ziel, das wir bereits lange verfolgen ­ will etablierte ­ das betone ich ­ Finanzinvestoren und Wohnungsunternehmen für Investitionen in Nordrhein-Westfalen gewinnen. ­ Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und von der CDU) Präsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. ­ Für die Fraktion. Die Linke hat Frau Abgeordnete Demirel das Wort.

Özlem Alev Demirel (LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen ist sachlich begründet. Die Aufträge an die Enquetekommission sind sinnvoll. Wir Linken urteilen nach Inhalten; darum stimmen wir diesem Antrag selbstverständlich zu, haben aber einiges hinzuzufügen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, uns Linken liegt die Wohnsituation der Menschen am Herzen. Wir sagen: Wohnen ist ein Menschenrecht. Ohne eine gute und sichere Wohnung, die den heutigen Anforderungen genügt und auch bezahlbar ist, gibt es kein menschwürdiges Leben.

Fest steht allerdings: Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben die verschiedenen Bundesregierungen nach und nach wesentliche Grundlagen einer dauerhaft sozialen Wohnungspolitik beseitigt. Und warum? ­ Weil sie die Wohnungsversorgung immer mehr dem Markt überlassen haben.

Ich sage hier ausdrücklich: Diese Kritik unsererseits trifft auch SPD und Grüne. Auch ihnen ging es dabei nicht um die Bedürfnisse breiter Schichten der Bevölkerung, sondern um die Förderung von Eigentum und Finanzinvestitionen. Auch an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, richtet sich die Forderung, eine Kehrtwende zu vollziehen, eine Kehrtwende weg vom neoliberalen Marktradikalismus hin zu den Bedürfnissen der Menschen.

Auch hier bei uns in NRW hat die CDU-Regierung Rüttgers in der letzten Legislaturperiode eine gnadenlos neoliberale Wohnungspolitik betrieben.

Durch die Streichung der Zweckentfremdungsverordnung, die Schwächung der kommunalen Belegungsrechte und der Wohnungspflege wurden die Kommunen wichtiger wohnungspolitischer Instrumente beraubt. Gegen den Protest der Mieterinnen und Mieter, zahlreicher Verbände und der damaligen Opposition wurden 98.000 LEG-Wohnungen profitorientierten Fondsgesellschaften verkauft. Damit wurde das wohnungswirtschaftliche Vermögen des Landes regelrecht verschleudert.

Dabei wären stärkere öffentliche wohnungspolitische Instrumente aus sozialer Sicht gerade heute dringend nötig. Vor allem an der Rheinschiene steigen die Mieten ständig an, und es herrscht geradezu Wohnungsmangel. Sogar in den Ruhrgebietsstädten mit Bevölkerungsverlusten werden dringend zusätzliche Investitionen in den Wohnungsbestand und in den bedarfsgerechten Neubau von Sozialwohnungen benötigt. Auf diese Resultate Ihrer Politik können Sie, meine Damen und Herren, nicht wirklich stolz sein.

Für. Die Linke steht fest: Ohne eine soziale Wohnraumversorgung als Teil einer solidarischen Stadtentwicklung werden große Teile der Bevölkerung von der Gesellschaft ausgeschlossen. Deshalb ist eine öffentliche und soziale Wohnungspolitik eine Landtag 10.11.

Nordrhein-Westfalen 969 Plenarprotokoll 15/13 unverzichtbare Pflicht und Kernaufgabe des Staates. Die Politik der Ausplünderung und der Beseitigung von Marktkontrollen muss beendet werden.

Schluss mit Markt vor Staat! Das einklagbare Recht auf Wohnraum muss in der Landesverfassung verankert werden.

(Beifall von Bärbel Beuermann [LINKE])

Meine Damen und Herren, es geht um eine soziale und nachhaltige Wohnungspolitik als eine grundlegende Aufgabe der Daseinsvorsorge in NRW. Das Mieterforum Ruhr warnte erst jüngst: Beschleunigt durch die Finanzkrise nehmen Mietwohnungsbestände in Deutschland ab, weil sich private Investoren zurückziehen. Insolvenzen nehmen zu. Immobilienbeteiligungen gelten in zunehmendem Maße als toxisch. Wir brauchen öffentliche Eingriffsmöglichkeiten, um dem weiteren Verfall vieler Siedlungen entgegenwirken zu können.

Wir Linken wollen den Aufbau eines Netzwerkes nichtprofitorientierter Wohnungsunternehmen. Diese neue Wohnungsgemeinnützigkeit soll kein bürokratisches Ungetüm werden. Die Mieterinnen und Mieter müssen an ihrer demokratischen Verwaltung teilhaben. Es geht um die Neubestimmung einer sozialen und nachhaltigen Wohnungspolitik.

Wir erhoffen uns von der Enquetekommission bessere Informationen über die aktuelle Lage auf dem Wohnungsmarkt und konkrete Vorschläge, wie wir die Wohnungssituation Zehntausender Mieterhaushalte in NRW verbessern können.

Die Arbeit der Enquetekommission muss aber auch Konsequenzen haben. Gesetze und Verordnungen müssen im Sinne einer sozialökologischen Kehrtwende geändert werden. Wo es erforderlich ist, muss das Land NRW auch im Bundesrat initiativ werden. ­ Danke schön.

(Beifall von der LINKEN und von der SPD) Präsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. ­ Für die Landesregierung spricht Herr Minister Voigtsberger.

Harry Kurt Voigtsberger, Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte diesen Tagesordnungspunkt für ganz besonders wichtig.

Das hängt selbstverständlich einmal mit dem Thema zusammen, aber auch mit der vorgeschlagenen Herangehensweise.

Frau Schneckenburger, ich begrüße die Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einsetzung einer Enquetekommission, die sich mit dem wohnungswirtschaftlichen Wandel und neuen Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in Nordrhein Westfalen beschäftigen soll, ausdrücklich. Ich denke, das ist für die Diskussion, die wir hier führen müssen und die überfällig ist, ganz besonders wichtig. Bereits im Koalitionsvertrag hatten wir ja so eine Enquetekommission vereinbart. Insoweit kommt sie jetzt zum richtigen Zeitpunkt.

Der Koalitionsvertrag zeigt darüber hinaus, dass wir dem Mieterschutz einen hohen Stellwert einräumen.

Wir wollen die flächendeckende Versorgung breiter Bevölkerungsgruppen mit bezahlbarem Wohnraum sicherstellen, und wir wollen Wohnquartiere durch eine ausgewogene Bewohnerstruktur stabilisieren.

Der Erhalt ausgewogener Bewohnerstrukturen hat für uns dabei höchste Priorität.

Meine Damen und Herren, international agierende Investmentfonds wollen in kürzester Zeit hohe Renditen erzielen. Die Methoden sind immer die gleichen. Immobilienbesitz wird stärker fremdfinanziert.

Instandsetzungs- und Verwaltungsaufwendungen werden deutlich abgesenkt. Bestandsmieten werden erhöht. Ganze Wohnungspakete werden weiterverkauft. Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt usw. Das sind Geschäftspraktiken, die funktionierende Wohnungsmärkte bedrohen und destabilisieren.

Diese neuen Investoren haben jedoch keinerlei langfristige Bewirtschaftungsperspektive und keine Bereitschaft, an einer stabilen sozialverträglichen Bewohnerstruktur oder der Aufwertung von Wohnquartieren insgesamt mitzuwirken. Dadurch werden auf Dauer ganze Stadtteile destabilisiert. Verwahrlosungstendenzen werden erkennbar. Die Vermietbarkeit von Wohnraum wird beeinträchtigt. Die entscheidende Frage ist dann auch: Was wird aus den Mieterinnen und Mietern?

Meine Damen und Herren, das Bedürfnis der Menschen nach gesundem bezahlbarem Wohnraum ist geradezu existenziell. Insbesondere Transferleistungsbezieher haben kurzfristig keine Alternative, sich mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Die vereinbarten Sozialstandards beim Verkauf der Wohnungen an diese Investoren werden aber mehr oder weniger zu Makulatur.

Über den Umfang der Vernachlässigung von Wohnungsbeständen, die von Finanzinvestoren erworben wurden, liegen zurzeit keine gesicherten Daten vor. Fraglich ist insbesondere, in welchem Umfang die Geschäftsgebaren international agierender Investmentfonds und in welchem Umfang verwahrloste Immobilien im Einzel- oder Gemeinschaftseigentum von nicht mehr funktionierenden Wohnungseigentumsgemeinschaften für die negativen Auswirkungen auf Wohn- und Stadtquartiere verantwortlich sind.

Diese Phänomene werden sich in den nächsten Jahren voraussichtlich verstärken und in den Städten bzw. in den angrenzenden Wohnquartieren zu Wertverlusten durch die negative Ausstrahlungswirkung dieser Immobilien führen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Carina Gödecke)