Arbeitsbelastung

Wenn Sie also etwas gegen die zunehmende Arbeitsbelastung der Ärztinnen und Ärzte tun wollen, sollten Sie sich zunächst einmal gegen die Privatisierung der Krankenhäuser wenden. Da Sie das nicht tun, ist Ihre Aufregung ein wenig unglaubwürdig.

(Beifall von der LINKEN ­ Dr. Stefan Romberg [FDP]: Findet das nur dort statt, Herr Zimmermann?)

­ Natürlich auch woanders, aber da besonders.

(Weiterer Zuruf von Dr. Stefan Romberg [FDP]) Ihre Aufregung ist aber auch aus anderen Gründen pure Heuchelei. Die Krankenhäuser sind zum Stichtag 30. Juni 2010 überprüft worden, also nur wenige Wochen nach der konstituierenden Sitzung in dieser Legislaturperiode. Davor waren Sie fünf Jahre lang für die Gesundheitspolitik in diesem Lande verantwortlich.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das stimmt doch nicht!) Sie haben also in erster Linie die miserablen Arbeitsbedingungen in diesem Bereich mit zu verantworten. In Nordrhein-Westfalen mussten die Ärztinnen und Ärzte und die Pflegekräfte nach der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes im Jahre 2008, also während Ihrer Regierungszeit, etwa 5,6 % mehr belegte Betten versorgen als ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundesdurchschnitt.

Das zeigt, wie vor allen Dingen die Situation in Nordrhein-Westfalen aussieht ­ dank Ihrer Politik.

(Beifall von der LINKEN) Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass wir uns heute mit den aus diesen Missständen zu ziehenden Konsequenzen beschäftigen sollen. Bevor wir das tun, sollten wir aber eine vernünftige Ursachenanalyse betreiben. Dabei kommen zumindest wir zu dem Schluss, dass in den letzten beiden Jahrzehnten der Krankenhaussektor durch das Zutun aller Parteien mit Ausnahme unserer Partei zu einem Markt verkommen ist, (Heike Gebhard [SPD]: Sie waren ja auch nicht dabei!) in dem um Anteile und Rendite gekämpft wird. Es steht nicht der Patient, sondern vor allen Dingen der Profit im Mittelpunkt. Es gibt einen Wettbewerb, der nicht in erster Linie um Qualität, sondern um Kosten ausgetragen wird. Nun sind nahezu zwei Drittel der Kosten im Krankenhaus Personalkosten, wie wir doch alle wissen. Daher wird der Kostenwettbewerb vor allem auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

In dieser Situation sind die Ärztinnen und Ärzte übrigens noch diejenigen, die am wenigsten leiden, obwohl wir deren Arbeitsbelastung wahrhaftig nicht kleinreden wollen. Noch verheerender sieht die Situation mittlerweile bei Pflegekräften und erst recht bei den Beschäftigten aus, die man outsourct oder, wie im Uniklinikum Essen oder bei der Arbeiterwohlfahrt, in Leiharbeit drängt.

Ich komme zurück zu den Ärztinnen und Ärzten.

Wenn es für das Krankenhaus aufgrund der Fallpauschalen lukrativ ist, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Patienten zu behandeln, dann ist genau dieses Anreizsystem in den Kliniken falsch und führt zu einer stärkeren Arbeitsbelastung für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für andere Berufsgruppen. Das werde ich hier immer wieder betonen.

Die Aufgabe muss es sein, die Bedürfnisse der Patienten wieder in den Vordergrund zu stellen und nicht in erster Linie die Kostendämpfung.

(Beifall von der LINKEN)

Wenn immer mehr private Träger im Krankenhaussektor auftauchen, Gewinne machen, diese an Aktienbesitzer ausschütten und dadurch mit den Beiträgen der Versicherten für eine Subventionierung von Aktienbesitzern sorgen, muss der Forderung des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser gefolgt werden: Es muss ein Gewinnverbot für Kliniken geben! Alles andere ist zutiefst unmoralisch. Gesundheit darf keine Ware sein. Damit darf kein Profit erzielt werden.

(Beifall von der LINKEN) Also, meine Damen und Herren von FDP und CDU, wenn Sie wirklich etwas für die Beschäftigten im Gesundheitswesen tun wollen, dann sorgen Sie dafür, dass die Finanzierungsbasis im Gesundheitswesen erweitert wird. Mit einer solidarischen Bürgerversicherung müssen endlich auch die Selbstständigen, die Beamtinnen und Beamten und vor allen Dingen die Reichen für die Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung aufkommen.

Derzeit wird das System lediglich von einer Gruppe finanziert, die Sie angeblich immer entlasten wollen, nämlich von den abhängig Beschäftigten und ­ aufgrund Ihrer Politik im Bund allerdings immer weniger ­ von den Arbeitgebern.

Wir treten dafür ein, dass endlich auch aus Gewinnen aus Aktien, Immobilien und Zinsen Krankenhausbeiträge gezahlt werden müssen. Wenn auch Kapitaleinkünfte zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung herangezogen werden und wenn die Beitragsbemessungsgrenze schrittweise angehoben bzw. langfristig abgeschafft wird, dann haben wir ein Solidarsystem, das den Namen auch verdient. In einem solidarisch finanzierten System wären genügend Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte da, um die Ausbeutung dieser Beschäftigten endlich zu beenden.

Lassen Sie uns das gemeinsam machen! Aber dann müssen Sie vor allen Dingen in Berlin Druck Landtag 12.11. auf Ihre Parteien ausüben. ­ Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der LINKEN und von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann. ­ Für die Landesregierung spricht Minister Schneider.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Herr Dr. Romberg, dass Sie sich an meiner Person abarbeiten, ist angesichts meiner Vergangenheit ganz normal.

Wenn das anders wäre, wäre mit mir irgendetwas schiefgelaufen. Also, ich kann das sehr gut aushalten, und wir haben ja noch viereinhalb Jahre Zeit, um diese Auseinandersetzung fortzusetzen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das werden wir abwarten!)

­ Das werden wir abwarten, Herr Papke. Ich bin da ganz optimistisch.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sie kommen auch noch dran, Herr Becker! ­ Gegenruf vom Parl. Staatssekretär Horst Becker: Dann fordern Sie doch Neuwahlen! ­ Ministerin Barbara Steffens: Ja!)

­ Ja, die Gesundheitsministerin ist auch da. Sie spricht sogar gleich. Denn wir treten immer als Tandem auf. Nehmen Sie das doch bitte mal zur Kenntnis!

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN ­ Zurufe von der FDP: Oh!)

Nun zur Sache! Die Arbeitsschutzverwaltung in diesem Lande geht jeder Beschwerde ­ natürlich auch denen aus Krankenhäusern ­ nach und ahndet diese auch, wo es notwendig ist. Gefragt ist aber ­ das sage ich auch sehr deutlich ­ ein Arbeitsschutz mit Augenmaß; das habe ich mein ganzes Berufsleben lang so gesehen.

Das wichtigste Ziel der Landesregierung ist es, dass die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung nicht gefährdet wird ­ weder durch übermüdete Ärzte noch durch Maßnahmen zur Ahndung von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz ­ und dass die Ärzte arbeitszeitgesetzkonforme Arbeitspläne bekommen.

Die Krankenhäuser selbst tragen die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen, also auch bezüglich der Arbeitszeitgestaltung. Die Landesregierung berät die Krankenhäuser, wie sie die Rechtsvorschriften umsetzen können. Das ist wichtiger als manche Ahndung von Verstößen, und es ist auch erfolgreicher. Beratung ist gerade in diesem Feld ­ Herr Preuß hat darauf hingewiesen ­ erfolgreich. Das Problem ist allerdings: Den Krankenhäusern fehlen die finanziellen Mittel, aber auch Ärzte, um den einschlägigen Rechtsvorschriften nachzukommen.

Die von Herrn Dr. Romberg zitierte Aktion ist übrigens nicht die erste, die von der Arbeitsschutzverwaltung in Krankenhäusern durchgeführt worden ist.

So sind zum Beispiel im Bezirk Düsseldorf 2006 und 2007 alle Krankenhäuser überprüft und entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden. Die Erfahrungen zeigen, dass die Schwere der Verstöße, verglichen mit denen im Vorjahr, eher abnimmt.

Panikmache, meine Damen und Herren, ist also nicht angezeigt. Und ich sehe schon die Schlagzeile: Arbeitsminister Schneider verantwortlich für falsch amputiertes Bein!

(Heiterkeit von der SPD und von der LINKEN)

Dazu kann ich nur sagen: Sie wollen doch nicht unbedingt nur auf die Boulevardseiten oder die Bunte Seite, sondern auch einmal auf die seriösen Seiten einer Zeitung. Ich hatte eben den Eindruck: Ein Hauch von Möllemann geht durch den Saal.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Die Verstöße gegen die regelmäßige Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden liegen meist im Bereich von maximal elf Stunden.

Weitere festgestellte Überschreitungen bei einer Schichtlänge von 24 Stunden resultieren fast ausschließlich aus Vorgaben in verschiedenen Tarifverträgen, die vorsehen, dass Pausen nicht in die 24 Stunden-Schichten einzurechnen sind. Dies ist nicht im Einklang mit dem EU-Recht und muss deshalb moniert werden. Diese Art der Überschreitungen ist aber wegen der Diskrepanz zwischen Tarifvertrag und EU-Recht meistens auf Unkenntnis und nicht auf Absicht zurückzuführen und wird nach entsprechendem Hinweis von den meisten Häusern auch zeitnah abgestellt.

Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Patientinnen und Patienten medizinisch nicht optimal versorgt und behandelt werden; da gebe ich Ihnen völlig recht. Dies ist eine abstrakte, keine konkrete Beeinträchtigung der Versorgungsqualität. Aber sie könnte im schlimmsten Fall auch zu einer konkreten Gefährdung der Patientinnen und Patienten führen.

Deshalb werden wir im gemeinsamen Interesse von Patienten und Beschäftigten im Krankenhaus ­ damit meine ich nicht nur die Ärzte, sondern alle Beschäftigten ­ weiterhin ein besonderes Augenmerk auf die Arbeitszeitgestaltung in Krankenhäusern richten.

Nun noch ein Wort zur Arbeitsschutzverwaltung ­ auch dazu ist eben schon etwas gesagt worden ­:

Seit der Verwaltungsstrukturreform unter Federführung des FDP-geführten Innenministeriums im Jahr 2007 wurden ca. 20 % der Fachleute in der 12.11. schutzverwaltung abgebaut. Sie wurden dem elenden Wahlspruch Privat vor Staat geopfert.

(Manfred Palmen [CDU]: Unsinn!)

Auch mein Kollege, der jetzige Fraktionsvorsitzende der CDU, Karl-Josef Laumann, hat schon auf die unzumutbaren personellen Verhältnisse im Arbeitsschutz hingewiesen. Ich bin ihm dankbar dafür.

Aufgrund dieser Personalsituation sind Überwachungsprogramme aus eigener Initiative nicht mehr so einfach wie früher durchführbar. Trotz dieser Personalsituation hat das damalige MAGS wegen der besonderen Problemlage die Überwachungsaktion zu den Arbeitszeiten in Krankenhäusern veranlasst.

Ich begrüße es, dass auch Sie, Herr Dr. Romberg, die Überwachung der auch mir wichtigen Arbeitszeitregelungen in allen Betrieben, nicht nur in Krankenhäusern, stärken wollen. Es wäre deshalb sehr wünschenswert, wenn die FDP an geeigneter Stelle dafür eintreten würde, die Personalsituation im Arbeitsschutz zu verbessern. Wenn Sie dies nicht tun, wären Ihre heutigen Interventionen weitgehend gegenstandslos und vor allem unglaubwürdig. Wer A sagt, muss auch B sagen. Dies bezieht sich auch auf den Arbeitsschutz und die Arbeitszeitregelungen im Krankenhaus. ­ Danke schön.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. ­ Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Gebhard das Wort.

Heike Gebhard (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der FDP-Fraktion für die heutige Aktuelle Stunde gesehen habe, drängte sich mir ­ und das tut sie immer noch ­die Frage auf: Worum geht es der FDP hier eigentlich? Geht es ihr wirklich um Patientensicherheit? Geht es ihr darum, den Arbeitsschutz für Ärzte in Krankenhäusern zu sichern?

Was ist die eigentliche Motivation? Geht es ihr nicht vielmehr darum, den Arbeitsminister anzupinkeln? Das haben Sie ja offenbart, als Sie gesagt haben: Der Minister ahndet nicht genug! ­ Ihnen sind die Fallzahlen da, wo er interveniert hat, viel zu gering.

(Dr. Stefan Romberg [FDP]: Sieben Mal bestraft bei den Verstößen: Ist das viel?)

­ Ich komme gleich darauf. ­ Sie beurteilen etwas, ohne die Qualität der Beanstandungen zu untersuchen. Wenn es Ihnen wirklich ernst wäre um den Arbeitsschutz in Krankenhäusern, dann hätten Sie hier keine Aktuelle Stunde beantragt, sondern Sie hätten einen Antrag an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration gestellt. Sie hätten gesagt: Herr Minister, berichten Sie bitte in der nächsten Sitzung, damit wir über die Qualität der Verstöße diskutieren um sie entsprechend bewerten können!

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Denn Verstoß ist nicht gleich Verstoß. Da gibt es ganz unterschiedliche Grade. Der Minister hat gerade angedeutet, dass es sich lohnt, über diese Verschiedenartigkeit zu diskutieren.

Dann wäre Ihr Antrag ernst zu nehmen. Aber offensichtlich geht es Ihnen gar nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung, sondern Sie wollen hier eine Show veranstalten. Und das ist der Angelegenheit wirklich nicht angemessen.

Denn wenn bei 37 von 40 Krankenhäusern Verstöße festgestellt werden, dann sind das in der Tat 90 %. In dieser Höhe verlangt er ein Einsparpotenzial. Das ist doch unerhört.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Das Schlimme bei dem, was Sie gerade in Berlin veranstalten, ist: Das ist noch nicht einmal alles, was auf die Krankenhäuser zukommt. Sie zerschlagen ja gerade unser solidarisches Gesundheitssystem.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Hören Sie auf!)

­ Aber natürlich! Denn Sie lassen die GKV bluten, indem Sie das, was an Rabatten in der Medizin herauskommt, gleich den Privaten hinterher schmeißen. Die Privaten können nämlich nur deshalb solche Tarife und solche Leistungen anbieten, weil Sie die Option haben, immer wieder neue junge, gesunde Mitglieder aufnehmen zu können.

(Zuruf von Dr. Stefan Romberg [FDP])

Wenn diese Gruppe kleiner wird, dann müssen sie dafür sorgen, dass nach einem Jahr bereits gewechselt werden kann, damit entsprechend Nachwuchs kommt. Der fehlt dann den gesetzlichen Krankenversicherungen.