Handelsrecht

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)

A. Problem:

In Hessen gibt es im Gegensatz zu anderen Bundesländern bislang keine spezialgesetzliche Regelung zur Durchführung des so genannten finalen Rettungsschusses.

Damit steht der Polizei in Hessen keine gesetzlich geregelte Eingriffsbefugnis zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit z. B. einer Geisel gegenüber dem Geiselnehmer durch einen gezielten Rettungsschuss zur Verfügung.

In solchen Situationen, in denen der finale Rettungsschuss oftmals das einzige Erfolg versprechende Mittel zur Rettung des Opfers darstellt, sind die handelnden Polizeibeamten in Hessen mangels ausreichender Rechtsgrundlage zudem darauf angewiesen, dass anschließend im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu ihren Gunsten die allgemeinen Notwehrrechte als Rechtfertigungsgründe herangezogen werden.

B. Lösung:

Die Gesetzesänderung auf der Grundlage des von der Innenministerkonferenz beschlossenen Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes schafft nun auch in Hessen eine gesetzliche Grundlage für das Handeln der Polizei und beseitigt damit im Interesse der Opfer von Straftätern und im Interesse der Polizei eine bislang in Hessen bestehende Regelungslücke und Rechtsunsicherheit.

C. Befristung Keine.

D. Alternativen Keine, ansonsten bestünde nach wie vor die unbefriedigende Rechtssituation in Hessen weiter.

E. Finanzielle Auswirkungen Keine.

F. Auswirkungen, die Frauen anders oder in stärkerem Maße betreffen als Männer Keine.

G. Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen Keine.

Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen: Achtes Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentlichen Sicherheit und Ordnung (HSOG) Vom Artikel 1

Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) vom 31. März 1994 (GVBl. I S. 174, 284), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. November 2002 (GVBl. I S. 704), wird wie folgt geändert:

§ 60 Abs. 2 erhält folgende Fassung: "(2) Schusswaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist."

Artikel 2:

In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Begründung: Ziel der Gesetzesänderung ist es, der Polizei zu ermöglichen, in einem gesetzlich abgesicherten und für die Einsatzplanung überschaubaren Rahmen rechtlich einwandfreie Entscheidungen treffen zu können.

Bisher bestand in Hessen keine solche Rechtsgrundlage, sodass bei verfassungskonformer Anwendung der bestehenden hessischen Regelungen die Anordnung und Durchführung eines finalen Rettungsschusses untersagt gewesen sind. Zu beachten ist dabei, dass durch einen solchen Rettungsschuss ebenfalls in die gegenüber dem Täter bestehenden verfassungsrechtlich geschützten Individualrechte hoheitlich eingegriffen wird, sodass es erforderlich ist, dass ein derart gravierender Eingriff durch den Staat im Rahmen einer präzisen und unmissverständlichen sowie auf einem Gesetz beruhenden Eingriffsermächtigung geregelt sein muss.

Wie schon in anderen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) auch, soll mit dem Gesetzentwurf jetzt ebenfalls in Hessen eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des polizeilichen Schusswaffengebrauchs ein gezielter Schuss auf solche Organe (Gehirn, Herz) zulässig ist, deren Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort tödlich wirkt.

Die Änderung des § 60 Abs. 2 enthält eine solche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.

Die auf der Bestimmung des § 41 Abs. 2 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes basierende Regelung stellt klar, dass die Tötung eines Angreifenden als äußerste und letzte Maßnahme zulässig ist, wenn dies das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit darstellt, und grenzt damit die Anwendbarkeit dieser Maßnahme ausreichend bestimmt ein.

Somit ist auch geregelt, dass ein solcher Rettungsschuss, der zum Tode des Angreifers führen soll, immer dann zu unterbleiben hat, wenn es andere Maßnahmen gibt, die eine Rettung des oder der Opfer erfolgversprechend herbeiführen können.

Darüber hinaus dient diese Regelung ferner dem Schutz und der Rechtssicherheit der hessischen Polizeibediensteten.

Dies gilt sowohl für den einen Einsatz leitenden Polizeiführer als auch - und vor allem - für den den Schuss abgebenden Polizeibeamten.

Die betroffenen Polizeibediensteten handelten rechtlich nicht abgesichert und waren anschließend im Rahmen der gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Verfahren davon abhängig, ob die Staatsanwaltschaft oder das erkennende Gericht zu deren Gunsten eines der allgemeinen Notwehrrechte als strafausschließenden Rechtfertigungsgrund heranzogen. Hierauf mussten die Polizeibeamten vertrauen, obwohl aus der Bestimmung des § 54 Abs. 2 HSOG eindeutig folgt, dass die zivil- und strafrechtlichen Notwehr- und Notstandsrechte keine Ermächtigungsgrundlage für hoheitliches Handeln darstellen und daher keine polizeilichen Befugnisse begründen.

Dies wird nunmehr durch den Gesetzentwurf geändert, der eine gesetzliche Handlungsgrundlage für die Polizei in Hessen schafft.

Wiesbaden, 8. Oktober 2003

Der Fraktionsvorsitzende: Walter