Herr Link jetzt komme ich zu Ihrem Zuruf

Da sind wir schon unterhalb des Promillebereichs angelangt. Das muss Ihnen doch ausdrücklich zu denken geben.

Herr Link, jetzt komme ich zu Ihrem Zuruf. Sie müssen Ende des Jahres eine Entscheidung treffen, Frau Löhrmann. Sie könnten feststellen: Ihr sogenannter Schulversuch der sogenannten Gemeinschaftsschule ist gescheitert, und Sie schaffen dann ein oder zwei dieser Schulen, die laufen.

(Gunhild Böth [LINKE]: Wo steht das denn im Schulgesetz?) Vielleicht haben Sie bis dahin ­ es sind noch ein paar Tage bis zu den Weihnachtsfeiertagen für Ratssitzungen übrig ­ noch vier, fünf oder sechs ­ das wäre alles noch im Promillebereich ­, die dann eben so laufen. Dann können Sie in der Tat sagen: Dagegen lohnt sich in der Tat auch keine Verfassungsklage, wenn es bei über 2.000 Schulen nicht mal ein Dutzend macht.

Die zweite Möglichkeit: Ihnen reicht das nicht, weil sich SPD und Grüne ­ das ist ja die Wahrheit ­ eigentlich verabredet haben, innerhalb dieser Legislaturperiode ein Drittel aller weiterführenden Schulen aufzulösen; denn vor dem Hintergrund Ihrer Parteiprogrammaussagen wollen Sie am Ende dieses Weges gar keine Differenzierung mehr, sondern nur noch eine Einheitsschule.

(Sören Link [SPD]: Das ist doch Quatsch, was Sie da sagen! ­ Weitere Zurufe von der SPD ­ Beifall von der FDP)

Und diese Frage müssen Sie dann Ihren linken Zielgruppen beantworten. Stellen Sie fest, der Schulversuch ist gescheitert und es bleibt dann bei dieser Handvoll der sogenannten Gemeinschaftsschulen, oder kommen dann weitere Schritte?

(Zuruf von der SPD: Machen Sie doch den Prozess mit uns!)

Gibt es dann Zwangsinstrumente? Gibt es dann Neuauflagen weiterer Schulversuche, um die bildungspolitische Landschaft immer mehr zerfasern zu lassen?

(Gunhild Böth [LINKE]: Das tut richtig weh!)

Diese Frage müssen Sie beantworten. Der 31. Dezember 2010 lässt uns ganz in Ruhe verharren und macht uns nicht Angst und Bange.

(Sören Link [SPD]: Das merken wir Ihnen an!)

Denn mit diesem laufenden sogenannten Schulversuch, Frau Ministerin Löhrmann, sind Sie voll vor die Wand gefahren und machen dann wahrscheinlich noch andere im Rahmen der großen Unfallflucht dafür verantwortlich.

(Beifall von der FDP)

Zu dem Unterschied zu anderen echten Schulversuchen, die es von Schwarz-Gelb gegeben hat: Wir haben auf Basis von § 25 die Menschen in unserem Land mitgenommen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Die sind aber nicht mitgekommen! ­ Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben nämlich echte Schulversuche angeboten.

Wir haben gesagt: Innovative Bildungspolitik setzt voraus, dass sie von den Menschen vor Ort getragen wird, dass die Schulgremien sie wollen und dass es Schulkonferenzen gibt, die sich dazu bekennen, diesen Weg mitmachen zu wollen und bestimmte Dinge auszuprobieren, Herr Link.

(Sören Link [SPD]: Wo ist denn da der Unterschied zu uns?) Denen haben wir das dann genehmigt. Sie sagen hier aber ausdrücklich, dass Sie das Votum der betroffenen Schulkonferenz nicht interessiert.

(Sören Link [SPD]: Es wird doch niemand dazu gezwungen, eine Gemeinschaftsschule zu errichten! Das ist doch Quatsch!) Sie interessiert das politische Votum des kommunalen Schulträgers, je nach parteipolitischer Zusammensetzung des Gemeinderates. Sie interessieren sich aber nicht für die Menschen in den Schulen, die diese Frage zu entscheiden haben.

Deshalb erleben Sie ja auch, dass überall dort, wo die Menschen gefragt werden ­ wie bei Ihrem G9 Abitur ­, die Anträge nicht kommen, weil das Verfahren da ein anderes ist. Da handelt es nicht nur um eine politische Entscheidung, sondern da werden die Menschen in den Schulen gefragt. Dementsprechend liegt Ihnen zum heutigen Tag kein einziger rechtsgültiger Antrag vor, nachdem Sie hier jahrelang einen riesigen Popanz aufgebaut haben.

Diese Unterschiede muss man schon sehen.

(Beifall von der FDP) Eines zur Wettbewerbslandschaft, Frau Löhrmann: Niemand in der FDP-Landtagsfraktion hat irgendetwas gegen Wettbewerb. Wir wollen aber fairen Wettbewerb auf Augenhöhe, keine Giftköder.

(Sören Link [SPD]: Das wäre das erste Mal, dass Sie fairen Wettbewerb wollen! Fünf Jahre lang haben Sie das Gegenteil gemacht!) Sie legen hier Giftköder aus, durch die Leute mit Aromastoffen bewusst angelockt und verführt werden sollen, dort hineinzubeißen. Und wenn sie das getan haben, bemerken sie erst später die Schmerzen, die das verursacht.

Sie sind gerade nicht für fairen Wettbewerb. Sie wollen subventionieren. Sie setzen andere Standards an. Sie wollen Lehrer herauskaufen, indem Sie ihnen mehr Weiterbildung und weniger 02.12.

richtsverpflichtung anbieten. ­ Das alles hat mit fairem Wettbewerb nichts zu tun. Es ist so wie seinerzeit mit Ihrer Gesamtschulgründungsoffensive, bei der nur die Gesamtschulen das Ganztagsprivileg hatten und andere Schulen nicht.

(Gunhild Böth [LINKE]: Ist doch gar nicht wahr!) Fairen Wettbewerb auf Augenhöhe halten Sie nicht aus.

Damit bin ich bei meiner allerletzten Bemerkung, auch in Richtung CDU: Hier ist eben gesagt worden, die Gemeinschaftsschule sei eine Art Gesamtschule Light. Nein, das ist nicht Gesamtschule Light. Es ist schlimmer als Gesamtschule, denn in der Gesamtschule hat man in höheren Jahren zumindest noch die Differenzierung zwischen Eund G-Kursen.

(Sören Link [SPD]: Was würden wir bloß ohne diese Differenzierung machen! Wir würden bestimmt alle zugrunde gehen! Die ist doch kein Selbstzweck!)

Für den normalen Regelbetrieb der dreizügigen Gemeinschaftsschule hat man diese Differenzierungsmöglichkeit nicht. Nicht einmal die Schulen, die das wollten, haben diese Freiheit, weil es ihnen vom Ministerium untersagt wird. Der Einstieg in die Einheitsschule ist ein differenzierungsloses Angebot, und der ist in der Tat mit uns nicht zu machen.

(Beifall von der FDP und von der CDU) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Witzel. ­ Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wissen will, warum die FDP in NRW da steht, wo sie steht, der muss sich nur die Rede von Herrn Witzel anhören.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN ­ Heiterkeit von der FDP) Frau Pieper-von Heiden ist ja sogar in das Zeitalter vor Comenius zurückgefallen. Ich bitte das Präsidium auch darum zu prüfen, welcher Redestil hier gepflegt wird, wenn man davon spricht, dass eine Landesregierung Giftköder auslegt.

(Beifall von den GRÜNEN ­ Zurufe von der FDP: Ooh!) Aber ich möchte gern drei Punkte zum Stil und der Kommunikation im Rahmen dieser Themenstellung aufgreifen. Den ersten fasse ich unter das Stichwort Fremdschämen; denn ich habe mich eben für diesen Beitrag schon fremdgeschämt.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD ­ Heiterkeit von der FDP)

Beim zweiten Punkt geht es um Philologen und Mikrowellen ­ das möchte ich auch gleich gerne ausführen ­ und beim dritten um unterschiedliche Sphären, die im Land und im Landtag zu vernehmen sind.

Ich will aber gern bei der CDU beginnen. Der neue CDU-Vorsitzende, Herr Röttgen, hat ja nun seine Personalentscheidungen getroffen. Welches Risikopotenzial damit verbunden sein kann, zeigt sich am neuen Generalsekretär Oliver Wittke, wenn er in der Fläche unterwegs ist. Wir kennen ihn ja als einen Mann, der hier schon einmal über die eigene Schnelligkeit gestolpert ist.

(Zuruf von der CDU: Meine Güte!)

Und jetzt überholt er sich gerade selbst; die Zunge ist offenbar schneller als das Denken. Und was für eine Sprache wird da produziert? Ich zitiere: Deshalb ist das, was Frau Löhrmann da treibt, Unzucht mit Abhängigen. (Sören Link [SPD]: Pfui Deibel! ­ Weitere Zurufe) Wissen Sie, da fällt mir nur eines ein ­ und das betrifft wieder den Begriff Fremdschämen ­: Da muss man sich für Politiker und Politikerinnen, die sich so über Kinder äußern, fremdschämen.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

In die gleiche Kategorie fällt auch der Begriff Schülerkannibalismus. Jeder, der solche Worte in den Mund nimmt, sollte sich das genau überlegen.

(Ralf Witzel [FDP]: Es ist aber die für Sie bittere Wahrheit!)

­ Herr Witzel, besuchen Sie einmal einen Moralund Ethikkurs, das würde Ihnen guttun.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN)

Über den Auftritt vom Generalsekretär der CDU in Herford hat der Journalist am 29. November im Westfalen-Blatt, finde ich, sehr zutreffend berichtet. Er hat für seinen Artikel folgende Einführungszeile gefunden: Wäre die NRW-CDU ein Winterreifen, würde es bei der Profiltiefe mächtig eng werden. Recht hat der Mann! Sie stehen eigentlich blank da, weil Sie sich nicht bewegen. Eigentlich hilft nur ein Reifenwechsel. Aber davon scheinen Sie nicht genug neue Exemplare in der Garage zu haben, (Norbert Post [CDU]: Och!) sonst hätten Sie nicht auf Menschen zurückgreifen müssen, die sich in dieser unsäglichen Art und Weise äußern.

Landtag 02.12.

Da wir gerade bei Profilen sind: Ich finde, das Profil des Philologenverbandes ist reichlich ramponiert.

Wenn man so argumentiert ­ auch mit dem vorgelegten Rechtsgutachten ­, mache ich mir auch ein bisschen Sorgen um die gymnasiale Bildung. Denn es ist schon sehr mutig, sich mit einem so dünnen Rechtsgutachten in die Öffentlichkeit zu wagen. Die Ministerin hat gerade dargelegt, was § 25 in diesem Land alles schon mit bewegt hat. Es wäre gut, wenn sich das der Gutachter einmal angeschaut hätte.

Mir kommen das Gutachten und die Aktion des Philologenverbandes wie das Spielchen von Kindern mit der Mikrowelle vor, das Sie vielleicht kennen.

Das kann man mit einem Schokokuss oder einem Marshmallow machen. Der wird reingesetzt, einige Sekunden erhitzt, und dann bläst sich das ganze Ding auf. Nur, wenn die Tür geöffnet wird, und die Luft der Realität drankommt, schrumpelt es ganz schnell zusammen. ­ Genau das passiert auch mit diesen Positionen, die hier vorgetragen worden sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will gerne auch noch etwas zu den Sphären sagen. Wir merken, dass das Landtagsbiotop der FDP (Heiterkeit von der FDP) von der Realität der Kommunen weit weg ist. Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, hat Ihr Kollege in der Präsidiumssitzung des Städteund Gemeindebundes genauso wenig quergezogen wie die Kollegen Löttgen oder Biesenbach. Es gab einen einstimmigen Beschluss des Präsidiums, der den Schulversuch Gemeinschaftsschule begrüßt hat.

(Beifall von der SPD und von der LINKEN)

Da herrscht nämlich der rationale Blick auf das, was geboten ist. Es ist schon sehr interessant, wo da die Welten auseinanderklaffen.

Aus dieser Sitzung, Herr Kaiser, will ich gerne noch den Hauptgeschäftsführer zitieren, der gesagt hat:

Es kann kein Vetorecht für Kommunen geben. Und das, was zum Beispiel gerade Coesfeld dort aufführt, ist ein bisschen irrational. Wenn man am Gymnasium mit sehr vielen Schülerinnen und Schüler zusätzliche Räume anmieten muss, sie nicht unterbringt und sich dann mit Krokodilstränen beschwert, hier würde quasi die Existenz des gymnasialen Standorts in Rede stehen, ist das mehr als unlauter. Auch daran wird der Städte- und Gemeindebund mit seinen Mitgliedskommunen arbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN und von der LINKEN) Bitte transportieren Sie nicht eine so verquere Position, Herr Kaiser! Auch das müssen Sie geradeziehen. Wir sollten uns freuen, wenn es gelingt, dass mehr Jugendliche höherqualifizierte Abschlüsse machen. Darin liegt gerade für die Mittelzentren eine erhebliche Chance; denn dann können dort die Oberstufenzentren gestärkt werden und insgesamt auch das attraktive Angebot für junge Menschen einschließlich Arbeitsplatzangebote in der Region.

Die Wirtschaft steht nämlich dahinter, vor Ort, nur Sie nicht.

(Beifall von den GRÜNEN, von der SPD und von der LINKEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. ­ Für die Fraktion. Die Linke spricht Frau Beuermann.

Bärbel Beuermann (LINKE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Zuschauer auf der Tribüne! Lassen Sie es mich mal mit einem ganzheitlichen Ansatz versuchen! Ich versuche jetzt, für Sie auf die Schnelle einen Förderplan zu erstellen, damit Sie sinnentnehmendes Lesen auch tatsächlich praktizieren können. Ich glaube, wir haben uns nicht nur hier, im Plenum, mehrfach mit der Thematik auseinandergesetzt, sondern auch in den Ausschüssen. Ich würde Ihnen vorschlagen, Absatz für Absatz langsam zu lesen, vielleicht mit fachkompetenten Menschen zu diskutieren und sich Hilfestellung zu suchen. Das Ganze kann man einfach in Gruppenarbeit machen. Aber es besteht natürlich auch die Möglichkeit, es mit einem Wochenplan zu versuchen.

Die Linke bietet sich Ihnen gerne an, Sie dabei zu unterstützen, Ihre individuelle Förderebene zu finden. Vielleicht ist es auch ein Fünf-Jahres-Plan.

Fünf-Jahres-Pläne sind ja vielen Menschen aus der Vergangenheit bekannt. Auch das legen wir gerne für Sie an. Noch mal: Unsere Hilfe steht Ihnen zur Verfügung. Denn wir bieten es Ihnen nicht nur an, wir laden Sie ein, sinnentnehmendes Lesen mit uns zu lernen.

Vor dem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ihnen fehlen die Argumente. Sie machen ein Fass auf, das peinlich ist. Ich finde es auch gegenüber den Eltern, den Kindern und den Kommunen peinlich, wie Sie hier argumentieren und reagieren.

Nehmen Sie es doch einfach als Chance hin! Nehmen Sie diese Einladung an! Schauen Sie sich noch mal das Gesetz an! Gehen Sie dann bitte in sich und versuchen Sie, Ihre Gedanken zu sammeln und in geordnete Bahnen zu lenken, und zwar in sach- und zielorientierte Bahnen, damit es für die Menschen, die Kommunen und die Betroffenen, auch für die Kinder dieser Schule, Gültigkeit hat!

Noch etwas: Wir dürfen auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort nicht außer Acht lassen. Frau Böth hat es eingangs schon gesagt, wie oft wir hier unnütz Zeit verschwendet haben. Das geht einfach nicht mehr. Ich appelliere an Sie: Gehen Sie in sich!