Beifall von der FDP und von der CDU Das Zwischenlager Ahaus ist wesentlich moderner und hat ausreichend Kapazitäten

Landtag 02.02. schungsreaktor, der 1988 abgeschaltet wurde ­ alles in sozialdemokratischer Regierungszeit. Bis zum Jahr 2015 soll der Ort, an dem der Forschungsreaktor stand, zur grünen Wiese zurückgebaut werden, und zwar unter wissenschaftlicher Begleitung. Die aktuell existierende Genehmigung für ein Zwischenlager läuft aber 2013 aus. Jülich hat deshalb beantragt, die Castoren ins Zwischenlager Ahaus zu verbringen. Über diese Transporte muss das Bundesamt für Strahlenschutz entscheiden.

Das Zwischenlager in Jülich ist bereits älter und müsste aufwendig umgebaut werden; denn der Stand der Technik verlangt heute die Sicherung gegen Flugzeugabstürze und Terroranschläge. Das ist auch gut und richtig. Dafür ist die bestehende Halle schon allein deshalb nicht geeignet, weil sie zu nah an der Straße liegt. Die Kosten für eine neue Halle belaufen sich auf etwa 40 Millionen. Weitere mindestens 180 Millionen würden für die notwendige Infrastruktur und das Personal anfallen.

Diese Kosten von 220 Millionen stehen den von der Landesregierung geschätzten Transportkosten von 76 Millionen entgegen. 220 Millionen oder 76 Millionen, Herr Markert! Erzählen Sie dann bitte nicht, was dies für den Haushalt bedeutet. Es dürfte jedem klar sein, dass Ihre Rechnung die viel teurere ist.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Das Zwischenlager Ahaus ist wesentlich moderner und hat ausreichend Kapazitäten. Insofern brächte die Konzentration an einer Stelle wesentlich niedrigere Kosten mit sich. Eine Entscheidung ist zwar noch nicht gefallen. Dabei müssen aber auch solche Tatsachen berücksichtigt werden.

Vonseiten der Landesregierung fehlt eine fachliche Begründung, warum der Standort Jülich erhalten bleiben soll. Nur darauf zu verweisen, dass man die Transporte nicht will, reicht nicht aus, Herr Minister. ­

Ich hoffe, dass er noch irgendwo anwesend ist.

Die Frage ist auch: Reicht die Zeit bis 2013 für ein Genehmigungsverfahren aus? Das sieht das Bundesforschungsministerium sehr kritisch und meint, dass eine Genehmigung und ein rechtskonformer Lagerzustand bis zum 30. Juni 2030 faktisch ausgeschlossen seien. Der Kollege Wirtz hat eben sehr deutlich gemacht, wie lange das im Moment gültige Genehmigungsverfahren damals gebraucht hat.

Meine Damen und Herrn, die Landesregierung meint, das sei zeitlich zu bewerkstelligen. Unsere Position ist dagegen: Sicherheit vor Schnelligkeit! ­

Es darf nicht geschludert werden, schon gar nicht, wenn Rot-Grün aus parteitaktischem Kalkül auf schnelle Genehmigung drängt. Es wird zum Beispiel Bürgerbegehren geben. Und auch Bürgerbeteiligungen müssen entsprechend berücksichtigt werden. Das ist, ehrlich gesagt, in zwei Jahren nicht zu schaffen, und das weiß die Landesregierung auch.

Vielleicht ist es aber genau das, was die Landesregierung will, nämlich einen rechtswidrigen Zustand erzwingen.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Für Deutschland ist die wissenschaftliche Begleitung des Rückbaus jedenfalls enorm wichtig. Denn unabhängig von der Position zur Kernenergie müssen in Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kerntechnische Anlagen zurückgebaut werden. Jülich, meine Damen und Herren, soll und wird zeigen, dass und wie dies geschehen kann.

(Vorsitz: Präsident Eckhard Uhlenberg) SPD und Grüne betreiben aber seit Jahren ein perfides Spiel, was die Lagerung von Abfall aus Kernforschung und Kernenergie angeht. Aus reinem parteitaktischen Kalkül wird verzögert und blockiert. Vor allem unter der Regierung Schröder/Fischer wurde zehn Jahre lang ein Moratorium für die Endlagersuche verhängt. Das sind zehn verlorene Jahre in der Frage, wie wir mit strahlendem Material verantwortlich umgehen.

(Minister Johannes Remmel: Das ist dummes Zeug!)

Dabei stellt sich gar nicht die Frage, wie man zur Kernenergie steht.

Meine Damen und Herren, sicher war der Einstieg ohne Endlagerlösung fragwürdig. Aber die Politik der Gegenwart muss jetzt für Lösungen dieses Problems sorgen. Natürlich liegt es im Interesse der Grünen, eine solche Lösung möglichst lange hinauszuzögern. Am liebsten ist ihnen dabei die Verteilung der Castorbehälter im ganzen Land, um möglichst viele Leute vor Ort zu mobilisieren, wie es ja am vergangenen Wochenende in Jülich deutlich wurde.

Meine Damen und Herren, die grüne Protestpartei versucht damit, Stimmungen auszunutzen. Dabei fragt man sich die ganze Zeit, warum die SPD den Grünen bei diesem Thema so hörig hinterherläuft, statt, wie es eigentlich notwendig wäre, ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, das Verhindern von Forschung zum Zweck des Rückbaus von kerntechnischen Anlagen dient nur der parteipolitischen Profilierung der Grünen in der Öffentlichkeit. Der Ausstieg aus der Kerntechnik ist allerdings schon beschlossene Sache. Deshalb müssen jetzt Lösungen gefunden werden.

Wir fordern die Landesregierung auf, ihrer Verantwortung für das Land gerecht zu werden, daran mitzuwirken und eben nicht zu blockieren. ­ Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und von der CDU) Landtag 02.02.

Präsident Eckart Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. ­ Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Brennelemente aus Jülich dürfen nur noch ein einziges Mal transportiert werden, und zwar auf dem Weg in ein Endlager. Die Landesregierung lehnt jegliche Transporte darüber hinaus ab, (Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) weil sie unnötig sind, weil sie ein Sicherheitsrisiko darstellen und weil sie Nordrhein-Westfalen für fast ein Jahr in einen Ausnahmezustand zwingen würden.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Wir können es nicht verantworten, den Atommüll quer durch Nordrhein-Westfalen, einer der am dichtesten besiedelten Regionen in Deutschland, zu transportieren. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen erwarten von uns zu Recht, dass wir verantwortlich handeln. Verantwortlich handeln heißt in diesem Fall, dass wir die Lagerung in Jülich ermöglichen und das vorhandene Lager ertüchtigen. Das sieht übrigens auch die Bevölkerung so. Ein Wanderzirkus für Atommüll ist in der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Es wird Widerstand geben.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Wir haben noch sehr genau vor Augen, als es um die Transporte von La Hague nach Gorleben ging, wie die Proteste waren und was dort passiert ist.

Die Westfalenpost hat doch recht, wenn sie heute sagt, dass man keine Prophetin sein muss, um sich einen über Monate hinziehenden Ausnahmezustand zwischen Jülich und Ahaus vorzustellen. Man muss auch keine Prophetin sein, um zu wissen, dass diese Transporte wieder mit übermäßigen Belastungen der Polizei verbunden sein werden. Man muss auch keine Prophetin sein, um die Kritik an den hohen Ausgaben für den Transport vorherzusehen.

Meine Damen und Herren, wenn wir aus Protesten wie um Stuttgart 21 in den letzten Monaten eines gelernt haben... Präsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tenhumberg zulassen?

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Nein, ich will das im Zusammenhang darstellen.

Wenn wir etwas aus Stuttgart 21 gelernt haben, dann doch, dass man sich um Akzeptanz bemühen muss, dass wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen müssen. Für den Transport von 152 Castoren mit 300.000 hochradioaktiven Brennelementen gibt es keine Akzeptanz. Das ist eine schwere Hypothek, die wir in Nordrhein-Westfalen schultern müssen.

Nun kann man der Hypothek nicht damit begegnen, dass man nach der Vogel-Strauß-Politik einfach den Kopf in den Sand steckt. Mit dem Wechsel des Lagerortes innerhalb Nordrhein-Westfalens haben wir kein einziges Problem gelöst. Die Risiken und Belastungen für die Bevölkerung würden lediglich um ein paar hundert Kilometer innerhalb von Nordrhein Westfalen verlagert.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Auch deshalb ist der Transport der Castoren nicht zu verantworten. Die nächsten Transporte mit entsprechenden Risiken und Kosten sind dann nämlich unvermeidlich, weil es irgendwann in ein Endlager gehen muss.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das Transportbehälterlager Ahaus ist als Zwischenlager konzipiert worden, nicht als zentrale Sammelstelle für hochradioaktive Abfälle. Es gibt ein Ende der Aufbewahrungsgenehmigung auch für Ahaus, nämlich den 31. Dezember 2036.

Die wirklich zentrale Frage lautet doch: Kommt der Bund endlich seiner Pflicht nach, ein Endlager bereitzustellen?

(Widerspruch von Bernhard Tenhumberg [CDU])

Es stimmt nicht, was eben in der Debatte gesagt wurde, dass das die rot-grüne Bundesregierung damals nicht wollte. Nein, das haben damals CDU und FDP verhindert, indem sie nämlich darauf bestanden haben, dass nur der Standort Gorleben und nichts Weiteres untersucht wird. Es ist ein politisches Versäumnis der schwarz-gelben Bundesregierung. Wer wie Sie von CDU und FDP die Kernenergie als Übergangstechnologie für unverzichtbar hält, der muss sich auch darum kümmern, wo der ganze Müll langfristig lagern soll. An dieser Stelle muss man einfach einmal festhalten: Der Bundesumweltminister ist in dieser Sache bisher nicht weitergekommen. Er muss endlich seine Verantwortung übernehmen. Eine bloße Verlagerung der Brennelemente von Jülich nach Ahaus ist doch nur eine Scheinlösung.

Herr Wirtz, wir müssen in der Debatte redlich bleiben: Es gab zwei Anträge, die das Forschungszentrum Jülich gestellt hat, nämlich einen Antrag auf Transport und einen Antrag auf Ertüchtigung des vorhandenen Lagers. Die Vertreter der alten Regierung haben in der Übergangsphase den Antrag auf Ertüchtigung zurückgezogen, sodass nur noch der Landtag 02.02.

Antrag auf Transporte übrig blieb. Für die Situation, die wir heute haben, tragen Sie ein ganzes Stück Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN und von Karl Schultheis [SPD] ­ Josef Hovenjürgen [CDU]:

Das war der Aufsichtsrat!)

­ Das war der Aufsichtsrat, da haben Sie recht. Die Vertreter der alten Landesregierung haben es aber mit vorangetrieben.

Für uns ist es heute selbstverständlich, dass ein Zwischenlager die Bedingungen des Gesetzes erfüllen muss. In Jülich müssen die Sicherheitsstandards erhöht werden, um eine Verlängerung der Genehmigung zu erhalten. Es darf und wird keinen genehmigungslosen Zustand geben. Daran müssen aber alle mitarbeiten, Herr Brockes, und auch die Bundesregierung ist gefordert.

Natürlich wird das Ganze auch Geld kosten. Dieses Geld ist dort sinnvoller investiert als für die Absicherung der Transporte. Die Zahlen und Fakten über die angeblichen Kosten, die hier kursieren, muss man erst einmal genau erheben. Bisher ist alles, was hier im Raum genannt wurde, spekulativ. Die Kostenschätzung können wir erst machen, wenn das Bundesamt für Strahlenschutz die notwendigen Maßnahmen für die Ertüchtigung formuliert hat. Erst dann wissen wir, was konkret wir finanzieren müssen. Bundesumweltminister Röttgen hat es in der Hand, hier zu einer Lösung zu kommen und den Prozess konstruktiv zu begleiten.

Die Bundesregierung wird sich an den Kosten beteiligen. Die Aufteilung von 70 % Bund und 30 % Land ist 2003 so vereinbart worden. Deswegen sind wir an dieser Stelle auf eine klare Aussage von Minister Röttgen angewiesen. Die Botschaften aus Berlin sind zurzeit aber eher eine babylonische Sprachverwirrung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sagt: Der Transport nach Ahaus muss sein, die Lagerung in Jülich ist nicht machbar. Der Bundesumweltminister möchte sich nicht festlegen und hält nur die sichere Lagerung für notwendig. Da wird ihm niemand widersprechen, aber es hilft in der Sache nicht weiter. Das Bundesamt für Strahlenschutz sagt noch im Dezember 2010: Ein Zeitplan für die rechtzeitige bauliche Nachrüstung in Jülich ist möglich und unter bestimmten Bedingungen machbar.

Die NRW-Landesregierung stellt diesem Hickhack aus Berlin eine ganz klare Aussage entgegen: Wir wollen keine Transporte nach Ahaus. Wir wollen, dass das Zwischenlager am Standort Jülich ertüchtigt wird und die Brennelemente erst einmal dort bleiben.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Durch einen Transport haben wir keine Verbesserung für die Situation in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung unterstützt den Verbleib der Brennelemente in Jülich durch Gespräche mit dem Bund und durch das

Ich appelliere an dieser Stelle noch einmal ganz offensiv an den Bundesumweltminister, der ja auch eine Verankerung in Nordrhein-Westfalen hat: Sie haben es in der Hand, mit uns gemeinsam für Nordrhein-Westfalen eine Lösung zu ermöglichen, die Mensch und Umwelt schützt. Ermöglichen Sie Nordrhein-Westfalen eine Lösung, die die Castoren nicht zu einem hochbrisanten und teuren Wanderzirkus machen.

Im Rahmen der eigenen Zuständigkeit des Bundesumweltministers wäre es scheinheilig, einerseits Sicherheit zu fordern und uns auf der anderen Seite nicht die Möglichkeit zu geben, diese Sicherheit zu schaffen. Sorgen Sie dafür, dass wir in Nordrhein Westfalen den Menschen sagen können: NRW ist atommüllfrei. Es ist ein Endlager gefunden, das wirklich eine verantwortungsvolle Nutzung erlaubt.

Dem Landtag empfehlen wir die Annahme des fraktionsübergreifenden Antrags. ­ Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Präsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze. ­ Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Stinka, liebe Frau Ministerin, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Herr Stinka, ich kann verstehen, dass man sich als Abgeordneter aus dem Münsterland mit den Fragen befasst. Richtig ist aber auch: Die Grundsteinlegung sowie die Einweihung des Zwischenlagers haben sozialdemokratische Minister vorgenommen. Die Planungen, hier Atommüll zwischenzulagern, sind Ergebnisse sozialdemokratischer Regierungspolitik. Auch das gilt es im Lande nicht zu verschweigen. Das gehört nun einmal zur Wahrheitsfindung dazu.

(Britta Altenkamp [SPD]: Und jetzt?) Man hat Ahaus aus Sicht von Sozialdemokraten als Standort für ein Zwischenlager auserkoren. Insofern ist es ein Stückchen eine perfide Haltung, sich heute der Verantwortung zu entziehen und zu sagen: Jülich hat damit zu leben, dass es ein dauerhaftes Zwischenlager mit Tendenz zum Endlager bekommt. Sie können die Kraft für eine Endlagerfindung politisch nicht aufbringen.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

In Ihrer bundespolitischen Verantwortung haben Sie doch ein zehnjähriges Moratorium verhängt, ohne an einem neuen Standort, einem Alternativstandort für ein Endlager zu arbeiten.