Wir müssen einen Haushalt verabschieden in dem die Mittel eingestellt sind

Landtag 24.02. die Studiengebühren sofort ab, schon zum Wintersemester 2010, (Özlem Alev Demirel [LINKE]: Wie in Hessen: Da haben wir es auch geschafft! ­ Heike Gebhard [SPD]: Mit Geld!) in dem Wissen, dass es keine Gegenfinanzierung geben kann, dass eine Gegenfinanzierung vom Landtag nicht organisiert werden kann. Jetzt haben sich beide bewegt. Sie sagen immer noch, es wäre schön im Sommersemester. Ich hätte persönlich nichts dagegen. Es gibt mit Sicherheit niemanden in der grünen Fraktion oder in der SPD-Fraktion, der etwas dagegen hätte, die Studiengebühren früher abzuschaffen.

Nein, es ist nicht gegenfinanziert. Wir müssen einen Haushalt verabschieden, in dem die Mittel eingestellt sind. Und das wird frühestens jetzt im Mai passieren. Dann werden die Studiengebühren zum Wintersemester abgeschafft.

Eine Protestwelle oder ein großes Unbehagen bei den Studierenden in der Öffentlichkeit kann ich überhaupt nicht feststellen. Es gibt viele Leute, die sich über den heutigen, hoffentlich gemeinsamen Landtagsbeschluss draußen im Land sehr freuen.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Ich weiß, warum es hier so aufgeregte Debatten gibt. Es geht um ein zentrales Reformprojekt dieser neuen Landesregierung.

Das, was Sie im Kopf hatten, Herr Pinkwart, ist legitim. Es ist ein politisch akzeptabler Ansatz zu sagen: Wir legen die Hochschulen möglichst viel in private Hand: Hochschulfreiheitsgesetz, Direktorate werden in Zukunft von den Unternehmensspitzen gewählt, nicht von demokratisch gewählten Senaten. Wir privatisieren über Studiengebühren. ­ Das ist ein absolut legitimer Ansatz. Dieser politische Ansatz ist aber am 9. Mai 2010 mit Mehrheit abgewählt worden.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Ein wichtiger Reformschritt ist heute die Abschaffung der Studiengebühren. Darüber mag man sich erregen. Viele andere Dinge laufen im Ausschuss auch konsensual zwischen uns. In diesem Punkt gibt es keinen Konsens mit Schwarz-Gelb. Deswegen werden wir heute diesen Gesetzentwurf hier zur Abstimmung stellen und hoffentlich auch eine Mehrheit dafür bekommen. ­ Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. ­ Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion Herr Prof. Dr. Pinkwart.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Dies ist sicherlich eine wichtige Debatte für die Zukunft unseres Landes. Sie zeigt auch unterschiedliche Haltungen zwischen den die Regierung tragenden Fraktionen und den Oppositionsfraktionen, insbesondere denen, die die Vorgängerregierung getragen haben.

Frau Ministerpräsidentin, das Ganze ist, insbesondere wenn die Ministerpräsidentin das Wort erhebt, sicherlich geeignet, auch darauf hinzuweisen, dass wir im demokratischen Verhältnis sehr sorgsam miteinander umgehen sollten, gerade was Kritik an Personen betrifft. Ich, der ich auch einmal dort gesessen habe, sage Ihnen nur: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie damals als Oppositionsführerin mit Regierungserfahrung gelegentlich Ihren Kollegen der SPD-Fraktion wie der Grünen-Fraktion auch diese Maßregelung erteilt hätten, insbesondere im Umgang mit meiner geschätzten Kollegin Frau Sommer.

(Lebhafter Beifall von der FDP und von der CDU)

Das möchte ich auch einmal sagen. Wenn schon, dann sollten wir uns alle hier dessen versichern! Ich habe mich immer um einen sachlichen Austausch bemüht. Ich habe auch sehr viel Sachlichkeit entgegengebracht bekommen; das will ich durchaus zugestehen. Wir sollten es dann aber bitte auch in unterschiedlichen Funktionen wechselseitig so tun.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Ich will das hier nur einmal festhalten. Das war meine Erfahrung. ­ So viel vorweg.

Jetzt zur Sache selbst: Lassen Sie mich bei diesem Thema noch einmal aus meiner Sicht die wesentlichen Fragen abschichten, über die wir hier reden.

Das eine ist die Finanzausstattung der Hochschulen ­ unabhängig von der Herkunft der Mittel, mit denen die Hochschulen ausgestattet werden. Es war bemerkenswert, auch in den Beiträgen der zuständigen Ministerin, der Ministerpräsidentin und der Fraktionssprecher der die Regierung tragenden Fraktionen zu hören, wie wichtig Bildung sei und dass es dringend notwendig sei, unsere Hochschulen in Nordrhein-Westfalen noch besser zu finanzieren, damit über eine bessere Ausstattung und eine bessere Betreuungsrelation die Studierenden überhaupt eine Chance haben, an staatlichen Hochschulen innerhalb der Regelstudienzeit zu einem Abschluss zu kommen.

Heute stellen wir fest, dass Sie mit Ihrer Gesetzesinitiative den staatlichen Hochschulen mindestens 249 Millionen zusätzlich bereitstellen wollen. Diese Mittel hätten Sie schon zu Ihrer Regierungszeit den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung stellen Landtag 24.02. müssen, um sicherzustellen, dass wir bessere Studienbedingungen in Nordrhein-Westfalen haben.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Das haben Sie zu Ihrer Regierungszeit eben nicht getan.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie auch nicht!)

Auch aufgrund der Finanzierungsbedingungen des Landes Nordrhein-Westfalen ­ das will ich hinzufügen ­, auch aufgrund der Schwierigkeiten, die ein solcher Haushalt bietet, haben Sie das nicht getan.

Im Gegenteil: Sie haben bei Einführung der Langzeitstudiengebühren einen Teil beim Finanzminister gelassen. Sie haben einen Qualitätspakt für die Hochschulen beschließen müssen ­ mit einem Stellenabbau, den wir aufgrund der Verfassungswidrigkeit des Landeshaushalts, die wir in der Anfangsphase mitzutragen hatten, auch fortschreiben mussten; da blieb uns gar nichts anderes übrig.

Dann haben wir gesagt: Wie schaffen wir es bei dem strukturellen Defizit Nordrhein-Westfalens denn, (Serdar Yüksel [SPD]: Das haben Sie ja zu verantworten!) den Hochschulen nachhaltig die Finanzmittel zu geben, die es erlauben, ordentliche Studienbedingungen zu schaffen? Deswegen haben wir Studienbeiträge eingeführt und zusätzlich dafür gesorgt, dass aus Landesmitteln darüber hinausgehende Maßnahmen umgesetzt wurden ­ insbesondere im Bereich der Hochschulmodernisierung, aber auch beim Ausbau der Studienplätze.

Als wir in Verantwortung kamen, war nämlich ein Mangel in Nordrhein-Westfalen, dass durch Entscheidung der Vorgängerregierung 11.000 Studienanfängerplätze für Fachhochschulzugangsberechtigte, also gerade für junge Menschen aus den bildungsferneren Schichten, abgebaut worden waren.

Wir mussten diese Lücke durch neue Fachhochschulstudienplätze schließen und haben dafür zusätzliche Mittel des Landes bereitgestellt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Weil wir bei einem verfassungswidrigen Haushalt, den Sie vorher auch jahrelang zu verantworten hatten und den wir jetzt wieder haben, gar keine andere Möglichkeit sahen, versuchten wir, einen Qualitätssprung durch die Einführung von Studienbeiträgen zu organisieren. ­ Das ist die Finanzierungssituation gewesen.

Wir sehen heute ­ das wäre ja ein kleiner Fortschritt durch die von uns eingeführten Studienbeiträge ­, dass Sie versuchen, die Finanzausstattung, die sich deutlich verbessert hat, zu erhalten, indem Sie eine Kompensation anbieten. Aber schon bei dieser Kompensation zeigt sich, dass die Finanzierungsbedingungen dieses Landes Ihnen dann doch nicht das ermöglichen, was Sie sich eigentlich vorgenommen hatten, nämlich wirklich zu kompensieren und die Studienbeiträge auch sofort abzuschaffen; denn wenn sie so schlimm wären, hätten Sie sie sofort abschaffen müssen. Das heißt: Aufgrund der Finanzierungslage des Landes sehen Sie sich gehalten, mit Ihren eigenen Wahlversprechen etwas flexibler umzugehen, als Sie es sich vielleicht selbst wünschen.

Ich will Ihnen da gar nichts Schlimmes unterstellen.

Die Bedingungen sind in der Tat schwierig. Wie schwierig sie sind, möchte ich mit einem Zitat hier noch einmal zum Ausdruck bringen. Mit Genehmigung des Präsidenten darf ich zitieren: Die öffentlichen Ressourcen sind jedoch nicht unbegrenzt. Die Gesellschaft kann nicht für eine beliebig lange Zeit die Kosten eines Studienplatzes übernehmen. Ein zeitlich unbegrenztes Studium ohne Eigenbeteiligung auf Kosten des Steuerzahlers ist weder hochschulpolitisch länger vertretbar, noch finanzpolitisch zu rechtfertigen.

Dieses Zitat stammt von Hannelore Kraft, (Zurufe von der FDP und von der CDU: Oh!) Wissenschaftsministerin des Landes

(Lebhafter Beifall von der FDP und von der CDU ­ Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

­ Liebe Frau Kraft, das haben Sie zu einem Zeitpunkt gesagt, zu dem Bachelor- und längst beschlossen waren und zu dem auch von Ihnen die vollständige Umsetzung bis zum Jahr 2008 beschlossen und den Hochschulen vorgegeben war.

Ich will nicht, dass wir in Polemik machen.

(Zuruf: Nur nicht!)

Wir wissen, dass wir unterschiedliche politische Ziele haben. Das ist nun einmal so. Die Frage lautet:

Was ist von der Sache her machbar und was nicht?

Ich weiß aus den Debatten der damaligen Zeit, dass es sich auch die Vorgängerregierung damals nicht leicht gemacht hat. Sie musste Abwägungen treffen.

Die Lage ist, wie sie ist, meine Damen und Herren.

Wenn ich höre, wie sozial es denn wäre, wenn wir auch im Bereich der Vorschule für bessere Bedingungen sorgen würden, muss ich Ihnen sagen: Da haben Sie recht. Die Chancengerechtigkeitsfrage stellt sich vor allen Dingen am Anfang. Da sind wir einer Meinung. Dann frage ich Sie aber, wenn Sie weitere Verbesserungen machen wollen: Warum fangen Sie denn nicht dort massiv an, entlasten in diesem Bereich und bringen die ersten Gesetze dorthin, wo man die Chancengerechtigkeit am besten beeinflussen kann, nämlich in der Vorschule und Landtag 24.02. im Kindergarten, wo wir mit Herrn Laschet und der Vorgängerkoalition hart gearbeitet haben? Warum machen Sie es da nicht besser, anstatt am Ende, weil Sie irgendwelche Wahlkampfversprechungen einlösen wollen?

(Beifall von der FDP und von der CDU) Lassen Sie uns doch die Prioritäten richtig setzen.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ja!) Uns ist vorgeworfen worden, wir hätten für Bildung nicht genug getan. Der Bildungshaushalt im Landesetat ist während unserer Regierungszeit von 36 auf über 40 % gestiegen.

(Minister Ralf Jäger: Insbesondere wegen der Pensionen der Lehrer!)

­ Inklusive. Das war bei Ihnen auch so.

(Minister Ralf Jäger: Stellen Sie es doch nicht so dar, als ob das Wohltaten gewesen wären! ­ Ministerpräsidentin Hannelore Kraft:

Wenn die Pensionslasten zum Aufwuchs führen...)

­ Einen Moment, die Pensionslasten waren in Ihren 36 % enthalten wie in unseren 42 %. Es sind aber nicht nur Pensionslasten, sondern auch zusätzliche Maßnahmen. Das wissen Sie ganz genau. Es tut Ihnen nur weh. Deswegen rufen Sie dazwischen.

Insofern ist mein Argument umso überzeugender.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Ich rede nicht, weil es mir um eine parteipolitische Frage geht. Ich habe meinen Landesvorsitz abgegeben. Ich rede hier nicht als Parteipolitiker. Ich rede hier als ein Politiker, der im Land Verantwortung hatte, und als Bürger dieses Landes.

(Zuruf: Als Pinkwart!)

Ich sage Ihnen: Sie haben während langer Regierungszeit gesehen, wie schwer es ist, im Land Nordrhein-Westfalen in Anbetracht der strukturellen Bedingungen das Notwendige für Bildung zu tun. Sie haben auf dem Weg sehr viele Kompromisse machen müssen. Das wissen Sie noch schmerzlich.

Ich warne nur davor, dass Sie Gefahr laufen, erneut in eine Politik zu geraten, die das Bildungssystem auf Dauer eben nicht verbessert, sondern dem Land die Substanz nimmt, um es qualitativ dort zu verbessern, wo wir es dringend benötigen. Das ist meine ganz große Sorge.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Wir haben uns nicht für Studienbeiträge entschieden, weil wir meinten, das wäre das Beste und Schönste, das wir unbedingt haben müssten. Wir haben es nach einer Abwägung getan. Das nehme ich für die Fraktionen von CDU und FDP, die uns getragen haben, in Anspruch: Bundesweit sind fast überall Studienbeiträge eingeführt worden ­ in Hamburg auch mit Zustimmung der Grünen. Wir haben uns gerade hier in Nordrhein-Westfalen besonders darum bemüht ­ dabei stehen wir in der kulturellen Tradition des Landes Nordrhein-Westfalen ­, das so sozialverträglich wie eben möglich zu organisieren. Ich stehe auch nach wie vor dazu, dass wir das getan haben.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Das lassen wir uns hier nicht wegreden. Man kann natürlich sagen, dass wir für den Menschen und gegen die Statistik sind. Aber wenn man selbst Statistiken bemüht, muss man sich auch eine Statistik entgegenhalten lassen. Die Statistik der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes weist aus, dass der Anteil der unteren Einkommensgruppen an der Zahl der Studierenden in Nordrhein-Westfalen von 13 % im Jahr 2003 über 15 % im Jahr 2006 auf 17 % im Jahr 2009 gestiegen ist.

(Minister Ralf Jäger: Wegen der Studiengebühren?)

Dann soll hier noch jemand sagen, wir hätten eine Politik gegen die kleinen Leute in Nordrhein Westfalen gemacht. Nein, die kleinen Leute gehen jetzt an die Hochschulen, (Beifall von der FDP und von der CDU ­ Widerspruch von der SPD) weil die Hochschulen bessere Studienbedingungen bieten.

Lieber Herr Klocke, Sie waren in Ihrer Feststellung relativ ehrlich, als Sie sagten, es ginge Ihnen nicht um die Arbeiterkinder. Wir haben die Studienbedingungen eben auch für BAföG-Empfänger verbessert, (Özlem Alev Demirel [LINKE]: Wo denn?) ohne dass sie die Studienbeiträge am Ende bezahlen mussten.

(Karl Schultheis [SPD]: Das haben die anderen Studierenden bezahlt!)

Das ist unser Verständnis: Wer in seiner finanziellen Belastungsfähigkeit schwächer ist, gehört mehr entlastet als andere, die tragfähiger sind. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen.

(Beifall von der FDP und von der CDU)

Wir sind der Meinung: Hilfe dem, der Hilfe braucht, und nicht demjenigen, der das selbst organisieren kann.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Ich möchte zu Ende ausführen. Vielleicht kommen wir am Ende zu Fragen. Ich will aber geschlossen vortragen dürfen.