Ingrid Piepervon Heiden FDP Dafür sollen dann im ersten Aufschlag mal eben 50000 in die Hand genommen

Landtag 13.04. dort schlicht verschlafen worden sind. Jetzt wollen Sie offenbar die ideologische Schlagkraft auf Kosten der Steuerzahler stärken und ein neues Landesinstitut schaffen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Dafür sollen dann im ersten Aufschlag mal eben 50.000 in die Hand genommen werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Pieper-von Heiden, entschuldigen Sie bitte. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage bei Frau Kollegin Beer.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Tut mir leid.

Stimme schwach! Argumente stark! Einfach weiter zuhören! ­ Dafür soll im ersten Aufschlag für dieses Landesinstitut ein Betrag (Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

­ meine Stimme; ich muss das hier zu Ende bringen, Frau Beer ­ von 50.000 in die Hand genommen werden. Von der frühkindlichen Bildung über die Schule bis zur Fortbildung und Weiterbildung sollen zukünftig alle Beteiligten von diesem Institut gesegnet werden. Schulentwicklungsplanung vielleicht unter der Leitung des wissenschaftlichen Großmeisters Dr. Rösner? Fortbildung und Bildungsnetzwerke bis hin zu Materialien aus diesem Institut sollen zukünftig wie an einem langen Fließband die Menschen zur vereinheitlichten Bildung führen und begleiten.

(Wolfgang Große Brömer [SPD]: So ein Quatsch!) Man kann sich nur wundern, dass Sie sich Ihrem Änderungsantrag für den Schulhaushalt nicht zu schade sind, die Wiedereinführung dieses Instituts mit Teilnehmerwünschen aus der Bildungskonferenz zu begründen. Sie haben die Forderung doch selber in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Wenn Sie wirklich etwas für qualitative und begabungsgerechte Unterstützungssysteme der Bildungseinrichtungen leisten wollen, sollten Sie endlich das Landeskompetenzzentrum für Individuelle Förderung unterstützen, das Sie damals, vor der Landtagswahl 2005, noch weniger als halbherzig begonnen haben aufzubauen.

Weil Ihnen dort nichts Negatives auffällt, konzentrieren Sie sich in Ihrer Kritik ­ so Herr Große Brömer ­ auf den Internetauftritt. Dabei benötigt das LIF nichts anderes als eine personelle Aufstockung, weil es trotz seinerzeit erfolgter Aufstockung durch FDP und CDU seit geraumer Zeit krankheitsbedingt einen großen personellen Engpass hat. Fachlich können die nämlich alles. Geben Sie denen mehr Personal. Dann brauchen Sie kein neues Landesinstitut.

Übrigens: Was haben Sie überhaupt mit dem LIF vor? Wollen Sie es einstampfen, weil es Ihnen eh nicht passt, dass man sich dort auf individuelle Förderung und Begabungsförderung konzentriert?

Ein weiteres Beispiel: Es gibt eine von interessierter Seite negativ geführte Diskussion um die Bundeswehr in der Schule. Und mit einem Hauruck werden 30.000 für die Bezahlung von Friedensaktivisten in den Haushalt eingestellt.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das sind ja wirklich riesige Mittel!)

Es ist völlig unbestritten: Friedensaktivisten sind für die Meinungsbildung in Schulen wichtig. Aber sollen dann zukünftig alle Personen, die sich in Schulen engagieren, aus dem Landeshaushalt finanziert werden?

Meine Damen und Herren, die offensichtlichsten Beispiele für Ihre ideologischen Schwerpunktsetzungen ohne pädagogischen Mehrwert, die aber massiv Geld kosten, sind Ihre Modellversuche, mit denen Sie das Parlament umgehen. Jetzt sind doch tatsächlich sage und schreibe 75.000 im Schulhaushalt eingeplant, um wissenschaftlich zu erforschen, wie Schüler im G9 an Gymnasien lernen. Da schau her! Das haben sie seit Jahrzehnten gemacht. Jetzt werden hier Zehntausende von Euros aus dem Fenster geworfen.

(Beifall von der FDP)

Das ­ leider ­ beste Beispiel stellt aber ohne Frage das Kapitel der Gemeinschaftsschulen dar, die zudem richterlich höchst umstritten sind, wie wir inzwischen alle wissen, Frau Löhrmann. Hier wird dringend benötigtes Geld geradezu verschleudert und auch noch die Qualität des Schulsystems beschädigt.

Für einen wissenschaftlich nicht begründbaren Feldversuch mit Kindern wird ein eigenes Kapitel eingerichtet. Dort ballt sich dann die ideologische Bevorzugung: Automatischer Ganztag, Lehrerstellenzuschläge, weniger Unterrichtsverpflichtungen, bessere Aufstiegsmöglichkeiten usw. summieren sich auf 65 Lehrerstellen zusätzlich. Die gesamten Ideologiekosten umfassen für das inzwischen auf 13 Schulen zusammengeschrumpfte Projekt die unfassbare Summe von 5.751.000, was im Durchschnitt 442.000 pro Schule entspricht ­ plus Verpflichtungsermächtigungen über 2,5 Millionen.

Diese Kosten kommen alle on top.

Man wundert sich schon, dass die Lehrer der Gemeinschaftsschulen, die einen Bruchteil der über 2 Millionen Schüler in NRW unterrichten, nicht von edlen Rössern in vergoldeten Kutschen zur Schule gezogen werden, Frau Löhrmann. Noch unfairer kann ideologische Politik gegenüber Kindern eigentlich gar nicht mehr sein.

Landtag 13.04.

(Beifall von der FDP)

Dass Sie 325 Lehrerstellen für Personalräte schaffen, ist bei einem solchen Unsinn fast nur noch eine traurige Fußnote, kostet aber fast 9.000 Unterrichtsstunden pro Woche.

(Sören Link [SPD]: Dazu sind Sie doch verurteilt worden, Frau Pieper-von Heiden!)

­ Nein, nein! Lehrer sollen unterrichten. Wir haben genügend Personalvertretungen.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

­ Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von machen Sie es mir stimmlich doch nicht so schwer.

Sie investieren das Geld lieber in ideologisch motivierte Modellversuche, statt an der Stelle weiter mit Verve voranzuschreiten, an der für alle Kinder ein großer Mehrwert erzielt werden kann, nämlich durch Steigerung der Qualität, durch verbesserte Differenzierung und durch individuelle Förderung.

Mein dritter Kritikpunkt betrifft massive Versäumnisse im Schulhaushalt. Ich nenne Ihnen nur zwei Beispiele.

Erstens: Ganztagsausbau. Wo ist der große Wurf, der die Ganztagsoffensive von CDU und FDP aufgreift und fortführt? Wir alle wissen, dass der Ganztag einen wichtigen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit und mehr individueller Förderung leisten kann.

Bei der Anhörung zum FDP-Antrag Ganztagsangebot bedarfsgerecht weiter ausbauen ­ Flexibilisierung an weiterführenden Schulen ermöglichen ist es ja deutlich geworden: Dr. Menzel vom Städteund Gemeindebund Nordrhein-Westfalen hat betont, dass die Kommunen ein weiteres Programm zur sächlichen Ausstattung benötigen. Außerdem ist bezeichnend, dass die kommunalen Spitzenverbände schon fast resignierend erklärt haben, dass sie eine solche Förderung im Grunde von dieser Landesregierung gar nicht mehr erwarten.

Was ist also der große rot-grüne Beitrag zum Ganztagsausbau? Es gibt zwar hier und da ein paar weitere Stellen. Wie bereits in der rot-grünen Vergangenheit, regnen die Sterntaler für den Ganztag aber vor allem wieder dann vom Himmel, wenn es sich um Ihre Lieblingsprojekte handelt. Gesamtschulen und Gemeinschaftsschulen erhalten selbstverständlich automatisch und unverzüglich den Ganztag.

Eine wirkliche Initiative für den sächlichen Ganztagsausbau an den anderen Schulformen fehlt aber.

Für diese Schulen sinken die Mittel von 50 Millionen auf 25 Millionen und sind dann noch ein Restbetrag. Eine Folgeinitiative ist weit und breit nicht zu erkennen. Für die übergroße Mehrheit der Schüler bleiben die Ankündigungen von Ministerin Löhrmann eher die unerfüllten Ankündigungen einer Märchentante aus einer entrückten Welt. Sie bevorzugen da nach wie vor, wie wir es ja kennen, Ihre Lieblingskinder.

Zweitens: Lehrerfortbildung. Wo ist der ehrgeizige Ansatz, wie die Mittel für die Lehrerfortbildung konsequent und spürbar ausgebaut werden können?

Wir müssen mehr für die Lehrerfortbildung tun ­ gerade bei der individuellen Förderung. Zwar gibt es mit 800.000 mehr Geld für die Fortbildung. Aber auch mit dem, was Sie da vorhaben, ist das sicher kein großer Wurf. Dass die Gemeinschaftsschulen auch in diesem Bereich wieder bevorzugt werden, überrascht jetzt niemanden mehr.

Sie hatten die Chance, mit Ihrem ersten umfassenden Haushalt für Schule und Weiterbildung wirklich eigene qualitative Duftmarken zu setzen. Diese Chance haben Sie verpasst. Der Einzelplan 05 hat gewaltige Schlagseite. Er neigt sich gefährlich in Richtung mangelnde Fairness und Benachteiligung Hunderttausender Schüler und Lehrer. ­ Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der FDP ­ Beifall von der CDU) Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. ­ Für die Fraktion. Die Linke hat Frau Kollegin Böth das Wort.

Gunhild Böth (LINKE): Danke. ­ Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren! Ich habe ja immer das Vergnügen, nach Frau Pieper-von Heiden zu sprechen. Das liefert mir ­ das muss ich ehrlich sagen ­ immer schon ganz viel Stoff. Heute ist auch die Redezeit ausreichend, um darauf zu antworten.

Fangen wir doch einmal bei dem Punkt an, mit dem Sie aufgehört haben, Frau Pieper-von Heiden. Mir erschließt sich überhaupt nicht, warum Sie einerseits pausenlos erklären, die Regierung wolle mit ihrer Vorlage viel zu viel Geld ausgeben ­ sie mache viel zu viele Schulden und sehe viel zu viele Ausgaben vor ­, und sich gleichzeitig hierhin stellen und sagen können: Aber dafür haben Sie nicht genug, und dafür haben Sie nicht genug, und da und da und da haben Sie auch nicht genug. ­ Sie müssen mir einmal erklären, wie Sie das begründen wollen.

(Beifall von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN)

Wenn ich es richtig verstanden habe, sind Sie ja nicht bei der Nummer der CDU Wir machen ganz viele Stellen platt dabei. Übrigens würde mich auch einmal interessieren, wie sich das realisieren lässt.

Ich habe Sie bisher nicht so verstanden, dass Sie diesen komischen pauschalen Antrag mittragen. So etwas würde auch gegen jedes Schulrecht und gegen jede Verpflichtung des Landes auf die Ausfinanzierung von Schulen verstoßen.

Landtag 13.04.

Aber auch das ist leider nicht im Ausschuss diskutiert worden, weil diese Anträge im Ausschuss nicht vorlagen. Das wird alles erst nachgeschoben, damit man es hier im Plenarsaal pressewirksam verkaufen kann, aber natürlich nirgendwo nachweisen muss, dass das, was man da selber in den Raum stellt, auch Hand und Fuß hat.

Lassen Sie mich nun auf den Haushalt eingehen; denn das ist der Punkt, über den wir jetzt diskutieren wollen, und zwar über den Einzelplan 05, Ministerium für Schule und Weiterbildung. Es gibt im Haushaltsplan einen Stellenaufwuchs, der zum Teil, wie Herr Link schon gesagt hat, nicht so viel auf eigener Initiative beruht, sondern der Nachlässigkeit der schwarz-gelben Landesregierung geschuldet ist, zum Beispiel im Gymnasium das Übertreten der Schülerinnen und Schüler aus der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II überhaupt nicht berücksichtigt zu haben. Da sage ich mir immer, so etwas macht man doch mit Absicht. Denn es war doch klar, dass sie in die Sekundarstufe II übertreten würden. Oder hat die schwarz-gelbe Landesregierung angenommen, dass ein kompletter Jahrgang sitzenbleibt?

Der nächste Punkt, der gemeinsame Unterricht, ist auch so eine Sache. Hier sagen Sie immer: Oh, gemeinsamer Unterricht, da muss aber unbedingt was passieren!

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Tolle Sache!) Aber dann veranschlagen Sie nicht die entsprechenden Mittel für Stellen. Wir könnten noch verschiedene andere Teilbereiche betrachten.

Wir haben hier lange über den Schulversuch der Ministerin zur Gemeinschaftsschule diskutiert; das tun wir ja jedes Mal. Ich habe dazu auch ein paar Fragen. Zum Beispiel interessiert mich der Unterschied zwischen Gemeinschaftsschule und Gesamtschule. Der Staatssekretär sagt ab und an mal, die Gemeinschaftsschule sei die kleine Schwester der Gesamtschule. ­ Damit kann ich mich durchaus einverstanden erklären.

Ich muss zu dem Schulversuch ehrlich sagen, ich verstehe das Verwaltungsgericht Arnsberg nicht, das gestern entschieden hat: Der Schulversuch geht nicht; Gemeinschaftsschule geht nicht, weil es ein Schulversuch ist. ­ Ich bitte Sie, zurzeit läuft der Schulversuch Kompetenzzentren ­ FDP und CDU sind da wohl einig ­, der ein erster Schritt hinsichtlich Inklusionsplan ist. Dort versuchen wir, Förderschulen in Schulen ohne Schülerinnen und Schüler umzubauen, aber mit Lehrkräften, die in die Regelschulen reingehen, um Kinder zu fördern, bevor sie ausgesondert werden. Dass das gemacht werden soll, wird von allen sehr begrüßt. Wir haben der Landesregierung einhellig den Auftrag gegeben, einen Inklusionsplan zu erstellen, und da läuft ein Schulversuch mit 50 Schulen.

Wenn ich das richtig verstanden habe und Sie alle hell begeistert sind, dass es auf keinen Fall einen Schulversuch geben darf, was die Gemeinschaftsschule angeht, müssten Sie eigentlich konsequenterweise fordern, den Schulversuch Kompetenzzentren auf der Stelle abzubrechen, ohne abzuwarten, was dabei herauskommt. ­ Aber das ist doch genau Ihre Idee gewesen. Und bisher waren wir doch auch immer der Meinung, erst mal einen Schulversuch zu machen und auszuwerten, bevor man die Schule umkrempelt. Das ist doch genau das, was Sie sonst immer gefordert haben.

Zurück zum Haushalt: Der Schulversuch Kompetenzzentren, den wir bisher einhellig getragen haben ­ es mag ja sein, dass ich das auch wieder falsch wahrgenommen habe, und Sie jetzt um die Kurve kommen und sagen, jetzt machen wir das alles anders ­, steht für die nächste Zeit an, weiterentwickelt zu werden, steht an mit dem Inklusionsplan. Eines ist auch klar: Dieser Landtag wird dazu stehen müssen, nicht nur zu bekunden: Toll, wir machen jetzt Inklusion, sondern auch die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Inklusion überhaupt möglich wird. Wer hier über Inklusion redet, soll anschließend auch über die Mittel reden, die dazu notwendig sein werden.

Demografische Gewinne: Alle reden immer über demografische Gewinne. Im Schulausschuss läuft noch die Debatte über den Antrag der Linken Stufenplan ­ kleine Klassen. Interessanterweise hat vorhin Herr Prof. Sternberg, glaube ich, diesen Antrag mal der Landesregierung zugeordnet. Das ist nicht so, wenn ich das richtig sehe.

Demografische Gewinne im System zu lassen, was heißt das denn? Wir reden hier darüber, dass man sie für mehr Lehrerstellen, zur Reduzierung der Klassenfrequenzen verwenden kann. All das ist möglich. Es gibt auch noch ganz andere Vorschläge.

Ich meine, in nächster Zeit müssen wir unbedingt in die Hand nehmen, für die Kommunen Vorgaben zu machen, was die Räumlichkeiten angeht. Sonst werden wir das Schulsterben, die Schulschließungen nicht aufhalten. Eines ist doch klar: Jede Schule, die jetzt geschlossen wird, jedes Schulgebäude, das verkauft oder umgenutzt wird, werden wir in den nächsten 20 Jahren nicht wiedererhalten.

Insofern sind neue Richtlinien für ein Raumprogramm oder irgendetwas Ähnliches unbedingt notwendig ­ auch im Sinne der Inklusion, die wir hier alle wollen, und im Sinne eines modernen Unterrichts, der eben nicht so ist, dass man die Tür aufmacht, 30 Kinder reinstopft, eine Lehrkraft dazustellt, die Tür zumacht, und dann soll das Unterricht sein, wie wir ihn uns vorstellen.

Frau Pieper-von Heiden, Sie wissen das auch, dass es so nicht geht.