Substitution mit Methadon sowie Modellversuch zur ärztlich kontrollierten Heroinabgabe

Vorbemerkung der Landesregierung:

Hinsichtlich der Substitution von Methadon ist festzustellen, dass derzeit zwei unterschiedliche für die Substitution zugelassene Medikamente eingesetzt werden: Methadon und Buprenorphin (Subutex). Beide Medikamente unterscheiden sich in Wirkung und Nebenwirkung erheblich, was eine qualifizierte Indikationsstellung der Ärzte verlangt.

Die substitutionsgestützte Behandlung der Opiatabhängigkeit basiert auf einer kontrollierten Verabreichung von zugelassenen Substitutionsmitteln, die das Opiatentzugssyndrom abwenden und das körperliche Verlangen nach Opiaten reduzieren.

Der primäre Effekt besteht in der Wiederherstellung des Kontrollerlebens gegenüber dem Verlangen nach dem Suchtmittel. Kurzfristig zielt die Behandlung auf eine Reduzierung der körperlichen, psychischen und sozialen Suchtfolgen. Längerfristig wird eine psychische und soziale Rehabilitation mit dem Ziel einer dauerhaften Suchtmittelabstinenz angestrebt.

Daher bedarf der Rehabilitationsvorgang neben der Mitwirkung des Patienten und der ärztlichen Behandlung einer psychosozialen Betreuung durch Fachpersonal und - wenn möglich - Selbsthilfe-Initiativen.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantwortet die Sozialministerin im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie hoch sind die Haushaltsmittel, die das Land für die Substitution mit Methadon zur Verfügung stellt, aufgegliedert nach den Jahren 1999 bis 2003?

Das Land stellte in den Jahren 1999 bis 2003 einen in etwa gleich bleibenden Betrag in Höhe von 640.000 (1.250.000 DM bis 2001) zur Verfügung. Da dieser Titel deckungsfähig mit anderen ist und die Substitutionsprojekte häufig in umfassende Hilfeeinrichtungen integriert sind, entspricht der im Haushalt veranschlagte Betrag nicht genau dem, was an Landesmitteln direkt in die Substitutionsbehandlung fließt.

Frage 2. Auf welche Summe belaufen sich die Kosten, die die Krankenkassen in Hessen für die Substitutionsbehandlung jährlich aufbringen?

AOK und Hessische Betriebskrankenkasse: siehe Anlage.

IKK Hessen:

Die Kosten der IKK Hessen für die Substitutionsbehandlung belaufen sich jährlich auf ca. 20.000. VdAK/AEV-Landesvertretung Hessen:

Die Kosten für die ärztliche Behandlung beliefen sich im Jahr 2002 auf insgesamt 618.991.

Die Kosten für die bei der Substitutionsbehandlung verordneten Arzneimittel beliefen sich im Jahr 2002 auf insgesamt 3.237.370.

Frage 3. Wie hoch ist im Kontext der Substitution die durchschnittliche Vergütung für einen behandelnden Arzt pro Quartal und Fall?

Die Vergütung beträgt pro Jahr und Fall ca. 450.

Frage 4. Welches sind in Bezug auf die Abhängigen die Kriterien für die Aufnahme in das Methadon-Programm?

Durch das In-Kraft-Treten der Richtlinien zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger zum 1. Januar 2003 (Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, siehe Anlage) ist die Opiatabhängigkeit bereits allein die Voraussetzung zur Aufnahme einer Substitutionsbehandlung. Vor Aufnahme der Behandlung muss der psychosoziale Hilfebedarf durch eine Fachstelle ermittelt werden. Die einzelnen Indikationsstellungen sind in § 3 der Richtlinie geregelt.

Frage 5. Welches sind die häufigsten Nebenwirkungen von Methadon?

Methadon kann zu Atemdepression führen und besitzt ein eigenes Suchtpotenzial. Weitere Nebenwirkungen sind: vermehrtes Schwitzen, Verstopfung, Schlaf-, Konzentrations- und sexuelle Funktionsstörungen, die sich im Laufe der Behandlung bessern. Zentralnervöse Folgeerscheinungen konnten bisher nicht nachgewiesen werden. Die Fahrtauglichkeit ist nicht grundsätzlich eingeschränkt, sofern kein Beigebrauch vorliegt.

Frage 6. Wie erfolgreich gestalten sich in der Praxis des Methadon-Programms die Bemühungen, den Beigebrauch anderer Substanzen mit Suchtpotenzial zu verhindern bzw. zu vermindern?

Nebenkonsum zu reduzieren bzw. zu beenden, ist eine längerfristig angelegte therapeutische Aufgabe. Bei sachgerechter Durchführung der Substitutionsbehandlung nimmt der Beikonsum von Heroin schnell ab und wird meist vollständig beendet. Der Beikonsum von Alkohol, Benzodiazepinen, Kokain und Cannabis nimmt langsam ab.

Als ausschließliches Erfolgskriterium eignet sich die Beendigung des Beikonsums allerdings nicht. Sicherstellung einer kontinuierlichen Behandlung, Entkriminalisierung, Minderung des Beschaffungszwangs und der Verelendung sind weitere wichtige Erfolgskriterien.

Frage 7. Führt der Nachweis von Beigebrauch zum endgültigen Ausschluss aus dem Methadon-Programm?

Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer soll die substitutionsgestützte Behandlung abgebrochen werden, wenn vorherige Interventionsstrategien des Arztes und der psychosozialen Fachstelle zu keinem positiven Ergebnis geführt haben. Als Abbruchkriterien gelten:

- fortgesetzter, problematischer, die Therapieziele gefährdender Beikonsum,

- Verweigerung der Kontrollen,

- unzureichende Kooperationsbereitschaft des Patienten,

- Weitergabe oder Handel mit Suchtstoffen.

Ein Beigebrauch führt also nicht per se zum Ausschluss. Es bedarf vorab der Abwägung zwischen schadensminimierenden Aspekten der Substitution und den durch den Beigebrauch bedingten Risiken.

Den betreffenden Patienten wird eine Entzugsbehandlung empfohlen und angeboten.

Frage 8. Wie hoch ist der Anteil der Substituierten, die keine psychosoziale Begleitung wahrnehmen oder bekommen?

Die Sicherstellung einer psychosozialen Betreuung ist nach den BUBRichtlinien ab 1. Januar 2003 Voraussetzung für die Substitutionsbehandlung und entspricht den fachlichen Standards. In einer Untersuchung im Jahre 2001 in Hessen (Untersuchungen zur psychosozialen Begleitung von Methadonpatienten, Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Frankfurt, Endbericht 2001) wurde dieser Standard in den 21 hessischen Substitutionsambulanzen bereits zu 94 v.H. erreicht. Außerhalb der Ambulanzen, d.h. bei Behandlungen durch den niedergelassenen Arzt, galt dieser Standard nur in 37 v.H. der Fälle. Aktuellere Daten liegen hierzu derzeit noch nicht vor.

Frage 9. Wie erfolgreich gestaltet sich in der Praxis des Methadon-Programms die psychosoziale Begleitung?

Quantitative Aussagen über den Erfolg der psychosozialen Maßnahmen können mangels einer Evaluation der Opiatsubstitution in Hessen bisher nicht getroffen werden. Im Überblick über die Praxisberichte der hessischen Suchthilfe erscheint die Substitutionstherapie gut integriert zu sein. Neben der Motivation zur Abstinenztherapie stellt sie einen anerkannten Behandlungsmodus der Suchtberatungsstellen dar.

Frage 10. Wie sind die Ergebnisse bei der beruflichen Integration von Substituierten in Hessen? Die Wiedereingliederung gelingt bei 10 bis 40 v.H. der Fälle.

Frage 11. Ist die Teilnahme am Methadon-Programm für die Teilnehmer zeitlich begrenzt?

Gemäß Präambel der Richtlinie (BUB) des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist oberstes Ziel der Substitutionsbehandlung die Suchtmittelfreiheit.

In § 3 Abs. 3 der Richtlinie (BUB) ist geregelt, dass bei einer erst kürzer als zwei Jahre bestehenden Opiatabhängigkeit sowie bei Opiatabhängigen, die das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine Überprüfung nach § 9 Abs. 4 erfolgen muss. In diesen Fällen ist die Substitution in der Regel nur als zeitlich befristete Maßnahme zum Übergang in eine drogenfreie Therapie zulässig.

In den anderen Fällen ist es internationaler und nationaler Standard, dass eine Substitutionsbehandlung 5 bis 7 Jahre dauern kann.

Frage 12. a) Ist die letztendliche Abstinenz von Suchtmitteln das Ziel des MethadonProgramms?

b) Wenn ja, wird dieses Ziel erreicht?

Zu a: Oberstes, aber nicht alleiniges Ziel der Substitution ist das Erreichen von Suchtmittelfreiheit.

Zu b: Ja.

Frage 13. Welche Maßnahmen werden für einen Teilnehmer des Methadon-Programms während der Substitution geplant bzw. ergriffen, um ihn in die Abstinenz von Suchtmitteln zu führen?

Abstinenz von Suchtmitteln wird in der Opiatsubstitution als langfristige Behandlungsperspektive angestrebt. Einer Abdosierung gehen Bemühungen um die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und Behandlung akuter Krankheiten ebenso voraus wie psychosoziale Beratung und schulische oder berufliche Maßnahmen. Voraussetzung sind auch eine gefestigte Beikonsumfreiheit und ein gesundes Beziehungsgeflecht.

Um Rückfälle zu vermeiden, wird die Abdosierung in kleinen Schritten und in Absprache mit dem Patienten durchgeführt. Daher kann dieser Vorgang mehrere Wochen bis zu einigen Monaten dauern.