Schließung des Amtsgerichts Butzbach durch die Landesregierung

Die Landesregierung plant unter anderem die Schließung des Amtsgerichts in Butzbach. Als Grund für dieses Vorgehen trägt sie regelmäßig vor, dass hierdurch Synergieeffekte erreicht und Kostenersparnisse erzielt würden.

Tatsächlich ist sie den konkreten Nachweis dieser Behauptung jedoch bislang schuldig geblieben.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

Die Landesregierung hat mittlerweile in der Beantwortung des Berichtsantrags Drucks. 16/2240 zu Synergieeffekten und Kostenersparnissen betreffend das Amtsgericht Butzbach Zahlen mitgeteilt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Welche Einsparungen erzielt das Land Hessen hinsichtlich der Durchführung von Gerichtsverfahren durch eine Schließung des Amtsgerichts Butzbach und die Verlagerung der Gerichtsaufgaben nach Gießen und/oder Friedberg und wie begründet sich diese Annahme?

Durch die Aufgabe des Standorts des Amtsgerichts Butzbach sind nach vorsichtigen Schätzungen Einsparungen in Höhe von knapp 98.000 p.a. zu erwarten. Die Summe errechnet sich aus den im Bereich der Verwaltung einzusparenden Personalkosten und den entfallenden Kosten für die Bauunterhaltung des Gebäudes des Amtsgerichts Butzbach.

Frage 2. In welchem Umfang müssen - bei dem das Personal des Amtsgerichts Butzbach aufnehmenden Amtsgerichts - zusätzliche räumliche Kapazitäten geschaffen werden und welche Kosten sind hiermit für das Land Hessen verbunden?

Das Amtsgericht Butzbach wird vollständig in das Amtsgericht Friedberg (Hessen) eingegliedert. Die dortigen räumlichen Kapazitäten erlauben die Übernahme von Personal und Aktenbestand. Insofern werden sich voraussichtlich nur geringe Kosten für die Eingliederung des Gerichts in das Amtsgericht Friedberg ergeben.

Frage 3. In welchem Umfang kommt nach einer Schließung des Amtsgerichts Butzbach auf das aufnehmende Amtsgericht die Verpflichtung zu, Notariatsakten von geschlossenen bzw. künftig wegfallenden Notariaten zu archivieren?

a) Ist das aufnehmende Amtsgericht räumlich in der Lage, dies zu leisten?

b) Welche Kosten sind mit einer solchen Ausweitung der Archivmöglichkeiten verbunden?

Das Amtsgericht Friedberg (Hessen) ist in der Lage, die Notariatsakten von geschlossenen bzw. künftig wegfallenden Notariaten zu archivieren.

Soweit die Verwahrung der bisher beim Amtsgericht Butzbach angefallenen Akten ausgeschiedener oder künftig ausscheidender Notare beim Amtsgericht Friedberg (Hessen) entgegen der derzeitigen Prognose räumliche Probleme mit sich bringt, kann der Präsident des Landgerichts Gießen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Anordnung zur Regelung der Zuständigkeiten nach der Bundesnotarordnung vom 4. Februar 1999 (GVBl. I S. 183), geändert durch Anordnung vom 25. September 2000 (GVBl. I S. 504), die Verwahrung einem anderen Amtsgericht oder einem Notar übertragen.

Durch die Verwahrung der Akten werden somit keine Kosten entstehen.

Frage 4. Welche Pläne hat die Landesregierung hinsichtlich der weiteren Verwendung des im Eigentum des Landes Hessen stehenden denkmalgeschützten Gebäudes in Butzbach?

Die Nutzungs- und Verwertungsfragen hinsichtlich des Butzbacher Gerichtsgebäudes werden vom Hessischen Immobilienmanagement zu klären sein. Es wird davon ausgegangen, dass wirtschaftlich sinnvolle Verwendungen möglich sind.

Frage 5. Welche Kosten wurden in der Vergangenheit vom Land Hessen aufgewandt, um das Amtsgerichtsgebäude baulich und technisch zu modernisieren bzw. den Bedürfnissen eines Amtsgerichts entsprechend zu gestalten?

Das Amtsgericht Butzbach wurde als Teil des Landgerichtsbezirks Gießen im Jahr 2001 einheitlich mit allen anderen Gerichten des Bezirks modernisiert. Die Gesamtkosten dieser Modernisierungsmaßnahmen bei dem Amtsgericht Butzbach betrugen ca. 115.000. Der weit überwiegende Teil dieser Investitionen ist damals in die Möblierung und EDV-Ausstattung geflossen, die problemlos auch in dem aufnehmenden Amtsgericht Friedberg Verwendung finden werden.

An Bauunterhaltungskosten wurden im Jahr 2002 21.400, im Jahr 2003

12.180 und im Jahr 2004 11.000 aufgewandt.

Frage 6. Welche Kosten hat das Land im letzten Jahr insgesamt aufgewandt, um im Amtsgericht Butzbach die Umstellung auf das elektronische Grundbuch einzuführen?

Im Jahr 2003 wurden im Rahmen der Umstellung auf das EGB insgesamt 14.919,84 für Hardware und Software sowie ca. 2.500 für Möbel aufgewandt.

Frage 7. Wie hoch beziffert die Landesregierung die Kosten, die mit einem Umzug der Einheiten des Amtsgerichts Butzbach zum Amtsgericht Gießen und/oder Friedberg verbunden sind?

Die Umzugskosten werden nach vorsichtigen Schätzungen ca. 25.000 betragen.

Frage 8. Wie beurteilen die Rechtsanwälte und Notare aus dem Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Butzbach die Schließungspläne der Landesregierung?

Die Anwälte und Notare Butzbachs äußerten in einem offenen Brief im Januar 2004 Bedenken gegen die Schließung. Diese konnten, da sie aus fachlicher Sicht der Justiz unbegründet waren, mit einem Antwortschreiben vom Februar 2004 entkräftet werden.

Frage 9. a) Wie viele Gefangenenvorführungen aus den Justizvollzugsanstalten Butzbach und Rockenberg bearbeitet das Amtsgericht durchschnittlich pro Jahr?

b) Durch wen wurden diese Vorführungen, je nach Vorführungsgrund, durchgeführt und mit welchem personellen Aufwand geschah dies jeweils?

Aus der Justizvollzugsanstalt Butzbach wurden im Jahr 2003 insgesamt 90

Gefangene dem Amtsgericht Butzbach vorgeführt. Hierin enthalten sind jene erwachsenen männlichen Gefangenen, die aus anderen Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen beim Amtsgericht Butzbach im Wege des Gefangenensammeltransports zunächst in die Justizvollzugsanstalt überstellt und von dort dem Amtsgericht Butzbach vorgeführt wurden. Im gleichen Zeitraum wurden aus der Jugendanstalt Rockenberg zehn Jugendliche dem Amtsgericht Butzbach vorgeführt.

Danach wurden im Jahr 2003 100 Gefangene unmittelbar aus dem Justizvollzug dem Amtsgericht Butzbach durch Beamtinnen und Beamte des Justizvollzuges unter Nutzung von Gefangenentransportfahrzeugen vorgeführt.

Im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung übernimmt der bestehende Fahrdienst der Justizvollzugsanstalt Butzbach derzeit auch die Vorführung der Gefangenen beim Amtsgericht Butzbach.

Wie stark sich die Zahl der von der Polizei vorzunehmenden Vorführungen erhöhen wird, bleibt abzuwarten: Grundsätzlich führt die Polizei Gefangene aus der Justizvollzugsanstalt vor, wenn die Vorführung ein außerhalb der gleichen Stadt/Gemeinde liegendes Gericht zum Ziel hat. Dies träfe vor allem für Vorführungen aus der Untersuchungshaft beim Strafgericht zu, wenn das Amtsgericht Butzbach aufgelöst wird. Dazu ist allerdings relativierend anzumerken, dass Butzbach in Strafsachen nur für Einzelstrafrichtersachen zuständig ist - die zuständigen Strafkammern haben ihren Sitz in Gießen, das Schöffengericht in Friedberg.

Erkenntnisse darüber, wie viele Gefangene dem Amtsgericht Butzbach in originärer Zuständigkeit durch die Polizei vorgeführt wurden, liegen hier nicht vor.

Frage 10. a) Welches Gericht soll nach der Vorstellung des Justizministers nach einer Schließung des Amtsgerichts Butzbach künftig die in Frage 9 angesprochenen Vorführungen bearbeiten?

b) Wer wird dann diese Vorführungen durchführen und mit welchem Personalaufwand wird dies dann zu betreiben sein?

Die Vorführungen werden künftig durch das Amtsgericht Friedberg (Hessen) bearbeitet. Soweit diese Termine der Justizvollzugsanstalt rechtzeitig bekannt gegeben werden, dürften die Vorführungen einschließlich gegebenenfalls anfallender Mehrkosten im Rahmen des üblichen Haushaltsvollzugs liegen. Genaue Kostenangaben (Personal- und Sachmittelanteile) können gegebenenfalls nach endgültiger Einführung der Kosten-Leistung-Rechnung gemacht werden.

Frage 11. In welchem Umfang erhöhen sich die Kosten für das Land Hessen bei der Durchführung von Gefangenenvorführungen nach einer Schließung des Amtsgerichts Butzbach?

Auf die Antwort zur Frage 10 wird verwiesen.

Frage 12. a) Welches Amtsgericht soll nach einer Schließung des Amtsgerichts Butzbach zuständig werden für die bisher in Butzbach verhandelten Jugendstrafsachen?

b) Was bedeutet dies für den personellen und finanziellen Aufwand der Jugendgerichtshilfe in Friedberg?

Nach Schließung des Amtsgerichts Butzbach ist für sämtliche Jugendstrafsachen das Amtsgericht Friedberg zuständig. Die Jugendgerichtshilfe ist nicht im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz angesiedelt, sondern ist Teil der Kreisverwaltung. Der personelle und finanzielle Aufwand der Jugendgerichtshilfe dürfte von der Schließung des Amtsgerichts Butzbach nicht betroffen sein, da beide Gerichtsstandorte zum selben Landkreis (Wetterau) gehören.

Erkenntnisse darüber, welcher zusätzliche personelle und finanzielle Aufwand durch die Jugendgerichtshilfe in Friedberg zu erbringen ist, liegen hier nicht vor. Die zu erwartende künftige Zuständigkeit der Jugendgerichtshilfe für mehrere Gerichte ist an anderen Orten Alltag und mit zumutbarer Anstrengung auch zu bewältigen.

Frage 13. Welcher zusätzliche und sächliche Aufwand sowie welche zusätzlichen Kosten entstehen für das Land Hessen, wenn Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgrund von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen der Polizeiautobahnstation Butzbach nicht mehr in Butzbach, sondern künftig in Gießen und/oder Friedberg verhandelt werden müssen?

Erkenntnisse darüber, welcher zusätzliche sächliche und finanzielle Aufwand durch die Verhandlung von Ordnungswidrigkeitsverfahren aufgrund von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen der Polizeiautobahnstation Butzbach bei dem Amtsgericht Friedberg entsteht, liegen hier nicht vor.

Frage 14. Aus welchen Gründen geht die Landesregierung davon aus, dass eine Schließung des Amtsgerichts Butzbach und eine damit einhergehende Verlagerung in das nicht zum Wetteraukreis gehörende Gießen und/oder zum mehr als 40 Kilometer entfernten Friedberg dem Grundsatz einer bürgernahen Justiz entspricht?

Die Eingliederung des Amtsgerichts Butzbach in das Amtsgericht Friedberg (Hessen) beruht auf der Empfehlung des Hessischen Rechnungshofs, der im Sommer 2003 in einem Gutachten die Unwirtschaftlichkeit der kleinsten hessischen Amtsgerichte festgestellt hat. Hierzu gehört das Amtsgericht Butzbach mit zwei Richterstellen und rund 20 Bediensteten ohne Zweifel - es ist eines der kleinsten Gerichte in Hessen.

Hauptargumente des Rechnungshofs für seinen Vorschlag sind einerseits die in den letzten Jahrzehnten erheblich verbesserten Verkehrsanbindungen und die erhöhte Mobilität der Bürger und Rechtsvertreter. Andererseits stellt der Rechnungshof völlig zutreffend fest, dass die hessische Justiz in einem bereits viele Jahre andauernden Prozess wichtige Aufgaben der Amtsgerichte zentralisiert und konzentriert hat. Dies betrifft die Bereiche Mahnverfahren (zentrales Mahngericht Hünfeld), Familiensachen, Insolvenzsachen, Handelsregister, Schöffen- und Jugendschöffensachen. Hinzu kommt die zunehmende Verlagerung eines für die Bürger wichtigen amtsgerichtlichen Zuständigkeitsbereichs in eine "E-Justice-" oder "E-Government"-Anwendung:

Das Grundbuch wird flächendeckend auf die Computeranwendung des "elektronischen Grundbuchs" umgestellt und damit dezentralen Zugriffen angeschlossener Notare u.a. zugänglich gemacht, sodass die örtliche Präsenz des Grundbuchs an Bedeutung sehr verloren hat. Die Grundüberlegungen des Rechnungshofs sind in die Entscheidung zur Optimierung der Struktur der Amtsgerichte in Hessen weitgehend eingeflossen.

Die Effektivität der Rechtspflege für die Bevölkerung der Gemeinden des bisherigen Amtsgerichtsbezirks Butzbach wird durch die vorgesehene Maßnahme - auch im Hinblick auf die nur geringe Entfernung zum Amtsgericht Friedberg (Hessen) von 15 km - keinen Schaden erleiden.

Frage 15. Wie beurteilt die Landesregierung, dass künftig insbesondere einkommensschwache Rechtssuchende, die eine persönlich bei Gericht zu beantragende Beratungshilfe beantragen wollen, erheblich weitere Wege zurückzulegen und Kosten aufzuwenden haben werden, wenn der Justizminister die vorgelegten Schließungspläne für Butzbach realisiert?

Auf die Antwort zur Frage 14 wird verwiesen.