Beifall von der SPD von den GRÜNEN und von der LINKEN Vizepräsident Oliver Keymis Vielen Dank Frau Ministerin

Landtag 21.07. darum, wie wir dafür sorgen können, dass die Hochschulen ihre gesellschaftliche Verantwortung auch wahrnehmen können. Das bisherige Gesetz enthält ganz offensichtlich viele Punkte, die wir nachbessern müssen und die wir verändern können. Diesen Weg werden wir ganz ruhig und unaufgeregt miteinander gehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran beteiligten, statt immer nur darüber zu diskutieren, ob es ein Protokoll gab und ob Brötchen gereicht wurden. ­ Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von der LINKEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. ­ Damit sind wir am Ende der Debatte.

Es gibt auch keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat hat Überweisung des Antrags Drucksache 15/2366 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie empfohlen. Wer stimmt dem zu? ­ Stimmt jemand dagegen? ­ Gibt es Enthaltungen? ­ Das ist einstimmig überwiesen.

Jetzt steht zur Debatte Tagesordnungspunkt 3 Gesetz zur Abschaffung der Hochschulräte Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE erste Lesung

Für die antragstellende Fraktion hat Frau Böth das Wort.

Gunhild Böth (LINKE): Danke, Herr Präsident. ­

Meine Damen und Herren! Wir reichen heute einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Hochschulräte ein. Wir sehen bezüglich der Abschaffung der Hochschulräte eine Fortsetzung der Debatte, die wir gerade geführt haben.

Die Frage, wozu diese Hochschulräte eingeführt worden sind, ist eine, die man wahrscheinlich mit Bertelsmann diskutieren müsste unter dem Aspekt, was diese Hochschulräte für die Hochschulen bringen sollen, wenn man sie vor allem nicht mehr mit denen besetzt, die in der Hochschule vorhanden sind, wenn man nicht mehr die akademische Selbstverwaltung machen lässt, sondern denen noch andere Menschen zur Seite stellt.

Beim Hochschulfreiheitsgesetz ist durch diese Hochschulräte die akademische Selbstverwaltung in ihrem Kern erschüttert worden. Die Kompetenzen wurden dem Senat entzogen und an den neu konstruierten Hochschulrat übertragen. Alles, was dazu vorher diskutiert worden ist, ist sehr bedenklich gewesen. Das hätte auch zu Bedenken führen können. Bedenken hat das aber nicht hinterlassen, sondern das Hochschulfreiheitsgesetz ist verabschiedet worden.

Ich will einige Bedenken, die damals schon in der Anhörung zum Hochschulfreiheitsgesetz am 24. August 2006 vorgetragen worden sind, noch einmal Revue passieren lassen. Ich meine jetzt nicht die ganzen politischen Bedenken, die es gab.

Von Professor Hellermann von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld wurden vor allem verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen.

Dieser Verfassungsrechtler hat in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass er mehrere Probleme sieht. Zum einen handelt es sich dabei um die Stärkung der Leitungsorgane, die mit einer entsprechenden Schwächung der Funktionen der bisherigen Selbstverwaltungsorgane verbunden ist; denn wenn man Hochschulrat und Hochschulleitung stärkt, nimmt natürlich die Funktion des Selbstverwaltungsorgans ab.

In Bezug darauf hatte er erhebliche Bedenken, die die Entscheidungszuständigkeit des ganz oder überwiegend extern besetzten Hochschulrats in Bezug auf Ziel- und Leistungsvereinbarungen betreffen, die bis hin zu konkreten Leistungszielen reichen können. Dass die Gruppe der Professorinnen und Professoren über das Organ des Senats maßgebliche Mitbestimmungsrechte hat, hat auch schon einmal das Bundesverfassungsgericht festgestellt.

Insofern gab es gar keinen Grund, daran irgendetwas zu ändern.

Insbesondere die Verstärkung der gesellschaftlichen Außensteuerung in Gestalt des Hochschulrats hat er als unglaublich problematisch angesehen, und zwar deshalb, weil einerseits dem Hochschulrat ganz gewichtige Entscheidungsbefugnisse zustehen ­ damals wurde es so diskutiert; es ist dann auch so gekommen ­ und andererseits die Regeln über die Besetzung und das Zustandekommen dieses Organs defizitär sind ­ defizitär mit Blick auf eine wissenschaftsadäquate Organisation; und dazu gehören eben nicht nur Professorinnen und Professoren.

Auch in der nötigen demokratischen Legitimation dieses Organs hat er ein gravierendes Problem gesehen.

Alles das ist in der Zwischenzeit eingetreten. Damals konnte man natürlich noch sagen: Vielleicht passiert das ja gar nicht. Dort werden sich ganz viele Professorinnen und Professoren wiederfinden; die haben alle Ahnung davon. ­ Interessant sind in diesem Zusammenhang aber die damals festgelegten Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Hochschulrat. So hat der ehemalige Minister Pinkwart einmal formuliert, dass die zu bestellenden Persönlichkeiten Landtag 21.07. in verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft, insbesondere der Wissenschaft

­ das wäre ja noch einigermaßen systemkompatibel ­, Kultur oder Wirtschaft tätig sind oder waren und auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Hochschule leisten können.

So weit, so gut ­ oder so weit, so schlecht. Was ist passiert? Der Anteil der Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter unter den Hochschulratsvorsitzenden liegt bei 47 %. 80 % von ihnen sind Aufsichtsratsoder Vorstandsmitglieder in irgendwelchen Wirtschaftsunternehmen. Studierende, akademischer Mittelbau und nichtwissenschaftliche Angestellte sind nur zu einem Anteil von 9 bis 14 % als interne Mitglieder vertreten. Das repräsentiert überhaupt nicht das, was den Wissenschaftsbetrieb ausmacht.

Es ist also genau das eingetreten, was alle Welt vorher gefürchtet hat, wenn man diese Hochschulräte einsetzt.

Insofern kann man nur zu dem Schluss kommen, dass man die Autonomie von Wissenschaft und Forschung, die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, nur dann wieder sicherstellen kann, wenn man die Hochschulräte abschafft und den Senat an deren Stelle setzt.

(Beifall von der LINKEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Böth. ­ Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kuhmichel.

Manfred Kuhmichel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der linke Gesetzentwurf ist ­ das sei in aller Deutlichkeit gesagt ­ rückwärtsgerichtet. Ich will das Wort reaktionär vermeiden; das gehört mehr zu Ihrem Sprachschatz.

Wir gehen mit diesem Gesetzentwurf ins Verfahren.

Aber natürlich kann ich jetzt schon voraussagen ­ es wird auch dabei bleiben ­, dass die CDU ihm nicht zustimmen wird. Das ist einfach nicht möglich.

Außerdem sehe ich das linke Ansinnen durch die vorhergehende Debatte über den ausgezeichneten Antrag von CDU und FDP bereits eingehend abgearbeitet. Ich kann noch einmal darauf hinweisen, dass dort deutlich gemacht wurde, dass das Hochschulfreiheitsgesetz in den fünf Jahren seines Bestehens wirklich Erfolge gezeigt hat.

(Beifall von der CDU und von Dietmar Brockes [FDP])

Ich möchte in aller Deutlichkeit meinem CDUKollegen Dr. Michael Brinkmeier danken, der zu Recht auf den konstitutiven Anteil der CDU bei der Urheberschaft des geltenden NRW-Hochschulrechts hingewiesen hat.

(Gunhild Böth [LINKE]: Das wissen wir ja!)

­ Das sollten Sie auch immer beherzigen. ­ Erwachsen ist dieser Anteil nicht nur in den Jahren unserer Regierungsverantwortung, sondern auch in vielen Jahren zuvor, in denen wir immer wieder versucht haben, die Hochschulfreiheit nach vorne zu bringen, allerdings an den falschen Mehrheiten gescheitert sind.

Das NRW-Hochschulrecht, das Hochschulfreiheitsgesetz, wie es zu Recht heißt, hat bundesweit Vorbildcharakter. Ich bin froh, dass ich selbst daran mitwirken konnte ­ vorbereitend und umsetzend.

Meine Damen und Herren, ich darf auf den beim letzten Tagesordnungspunkt behandelten Antrag zurückkommen und noch einmal deutlich feststellen: Die CDU-Fraktion bekennt sich weiterhin zur Hochschulfreiheit und zur geschaffenen Autonomie für die Hochschulen. Wir weisen jeden Versuch zurück, über eine politische Einflussnahme in Form von sogenannten Leitplanken ­ egal wer die Urheberschaft für diesen Begriff hat ­ (Gunhild Böth [LINKE]: Darum geht es hier gar nicht! Sie reden am Thema vorbei!) die Freiheit von Wissenschaft und Forschung wieder einzugrenzen oder abzuschaffen. So ist es in unserem gerade behandelten Antrag auch niedergelegt.

Der linke Gesetzentwurf ist nicht nur eine Leitplanke, sondern sogar eine Art Vollsperrung für Hochschulfreiheit in unserem Land.

(Beifall von Dr. Michael Brinkmeier [CDU]) Getreu Ihrer politischen Genetik setzen Sie weiterhin auf staatliche Bevormundung und Linientreue.

Dieses werden wir nicht unterstützen.

(Beifall von Dr. Michael Brinkmeier [CDU] ­ Gunhild Böth [LINKE]: Wenn ich den Senat dafür einsetze?)

Meine Damen und Herren, wir von der CDU-Fraktion wollen, dass die wissenschaftliche Evaluation des Hochschulfreiheitsgesetzes, wie im Gesetz vorgesehen, im Jahr 2012 durchgeführt wird. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass die Überarbeitung des Hochschulfreiheitsgesetzes erst auf der Grundlage der Erkenntnisse der Evaluation beginnt.

Damit sind sicherlich auch die Hochschulräte im Gespräch. ­ Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und von Marcel Hafke [FDP]) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kuhmichel. ­ Für die SPD-Fraktion spricht Herr Schultheis.

Landtag 21.07.

Karl Schultheis (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Herr Kuhmichel, in Richtung Ihrer Fraktion und auch der FDP-Fraktion sei nochmals festgehalten: Sie haben weder ein Abonnement für noch ein Patent auf Hochschulfreiheit und Hochschulautonomie. Die hat es auch vor 2005 hier in Nordrhein-Westfalen und in allen Bundesländern gegeben.

Die Autonomie der Hochschulen ist landesverfassungsrechtlich garantiert und in Nordrhein Westfalen auch immer gelebt worden.

Frau Ministerin hat eben noch einmal darauf hingewiesen, dass im Hochschulrecht hier gerade die von der Sozialdemokratie ausgehende Debatte zur Umsetzung verbesserter autonomer Strukturen Eingang gefunden hat. Da brauchen Sie also bei uns und mit uns nicht in einen Wettbewerb zu treten, wenn es um Hochschulfreiheit geht.

Hier stellt sich doch die zentrale Frage: Hochschulfreiheit für wen? Ich habe eben schon einmal unter dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt deutlich gemacht, dass es bei der Entwicklung des letzten Hochschulgesetzes eine Konzentration der Freiheit, die Sie hier propagieren, auf ganz kleine Personengruppen gegeben hat.

(Gunhild Böth [LINKE]: Ja!)

Das ist von allen bemängelt worden, gerade auch ­ und das ist der Kern des Gesetzentwurfs. Der Linken ­, was die Funktion des neuen Hochschulorgans Hochschulrat angeht. Dieses neue Organ ist von vornherein sehr umstritten gewesen, auch bei den Anhörungen, selbst bei denjenigen, die ansonsten Ihren Gesetzentwurf unterstützt haben. Herr Prof. Hellermann hat ja eine durchgängige Kritik formuliert, die Frau Kollegin Böth ausgeführt hat.

Aber auch Frau Prof. Wintermantel als Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz hat sehr deutliche Kritik an der Verfassung dieses Hochschulorgans Hochschulrat geübt, insbesondere was die Aufsichtsfunktion gegenüber dem Präsidium oder dem Rektorat angeht. Da geht es nicht um irgendwelche Peanuts, sondern um die Grundsätze der autonomen Hochschulorganisation.

Im Verlaufe der Wahlperiode, die wir hier zur Grundlage der Bewertung machen müssen, hatten wir ständig irgendwelche Punkte zu beraten, die eben mit dem Nichtfunktionieren des Hochschulrates zu tun hatten. Es ging beispielsweise darum: Wer haftet überhaupt? Haften die Hochschulratsmitglieder für ihre Entscheidungen, wie das ja Aufsichtsratsmitglieder in Unternehmen selbstverständlich tun und tun müssen? Dann gab es die Frage: Wie werde ich jemanden los ­ ich will die Person jetzt nicht nennen ­, der sich nicht an den Interessen der Hochschule orientiert? Diese Fragestellung haben wir hier auch sehr intensiv diskutiert. Ich könnte die Liste der Mängel erweitern. Das Ergebnis würde sein: In der Debatte, in der Analyse, in der Bewertung dieser Struktur spielt der Hochschulrat eine ganz zentrale Rolle.

Nun verstehe ich natürlich, dass. Die Linke jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht hat. In der letzten Wahlperiode haben die Grünen, wenn ich mich recht entsinne, auch einmal einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem es um die Hochschulräte ging.

Aber das ist natürlich nur ein Teilaspekt. Von daher werden Sie verstehen, dass wir der Meinung sind, dass wir die Fragen, welche Kompetenzen und welche Funktion ein Hochschulrat hat und ob es überhaupt einen Hochschulrat geben soll, schlussendlich nur im Gesamtkontext bewerten wollen. Aber klar ist für uns ­ für die SPD-Fraktion darf ich das sagen ­, dass das Organ in seinen Kompetenzen, die jetzt zugewiesen sind, und auch in der Zusammensetzung so kein Zukunftsmodell ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hafke?

Karl Schultheis (SPD): Sehr gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett. ­ Bitte schön, Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Schultheis.

Ich habe in Vorbereitung auf diese Sitzung die verschiedenen Wahlprogramme studiert. Sie haben jetzt ausgeführt, dass Sie sich grundsätzlich mit einer Diskussion über eine andere Ausgestaltung der Hochschulräte einverstanden erklären könnten.

Mich würde nun interessieren, wie Sie persönlich ­ oder die SPD-Fraktion ­ zu Ihrem Wahlprogramm stehen. In Ihrem Wahlprogramm steht: Deshalb werden wir die Hochschulräte wieder abschaffen. ­

Bei den Grünen steht das Gleiche: Die Hochschulräte wollen wir abschaffen. ­ Hat das, was Sie im Wahlprogramm geschrieben haben, Bestand oder nicht?

Karl Schultheis (SPD): Das hat insofern Bestand, als wir uns mit dem, was wir formulieren, nie im Endzustand der Geschichte befinden. Denn es geht ja auch darum, das, was in diesem offenen Dialogprozess von allen beteiligten Gruppen an Meinungen und Positionen formuliert wird, zu bewerten.

Was es nach meiner Überzeugung nicht mehr geben kann, ist ein Hochschulrat mit diesen Kompetenzen und mit dieser Zusammensetzung, wie wir sie im Moment vorfinden.

Was ich mir sehr wünsche ­ und das gehört seit Jahrzehnten zur sozialdemokratischen Vorstellung von Hochschul- und Wissenschaftspolitik ­, ist, dass es eine Einbindung in das gesellschaftliche Umfeld unserer Hochschulen geben muss.