Grundsätzlich geht es darum die Region OWL aufzuwerten

Landtag 29.09. muss durch andere Maßnahmen erfolgen, wie zum Beispiel eine stärkere Zusammenarbeit der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen im Medizinbereich oder eine Absenkung der Kriterien bei der Aufnahme von Medizinstudenten.

Grundsätzlich geht es darum, die Region OWL aufzuwerten. Dazu gehört sehr viel. Man kann da viel machen, auch im Verkehrsbereich, um meine Rede damit abzuschließen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass junge Leute durch eine gute Verkehrsinfrastruktur angezogen werden und sich in OWL niederlassen. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass der eine oder andere Hausarzt seine Hausbesuche mit dem Fahrrad erledigt, lieber Herr Papke.

Leider ist er gerade nicht da. Eventuell kann man es ihm ausrichten.

Also: Es gehören viele Maßnahmen zusammen. Die Schaffung einer neuen Fakultät ist aus meiner Sicht wenig realistisch. Deswegen sollten wir uns auf andere Maßnahmen konzentrieren. ­ Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD) Vizepräsidentin Gunhild Böth: Danke, Herr Klocke. ­ Für die Fraktion. Die Linke spricht Herr Zimmermann.

Wolfgang Zimmermann (LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Eben haben wir uns mit einem völlig überflüssigen Antrag beschäftigt. Jetzt befassen wir uns mit einem Antrag, der eigentlich eine Wiederholung vom 10. November letzten Jahres ist. Da haben Sie schon einmal einen etwas abgewandelten Antrag gestellt und auch dazu aufgefordert, in Ostwestfalen eine Medizinische Fakultät aufzubauen, um gegen den Ärztemangel vorzugehen.

Bereits damals haben wir Ihnen vorgerechnet, dass von den 52 Gemeinden, in denen nach Auskunft des Gesundheitsministeriums eine akute Gefährdung der hausärztlichen Versorgung droht, gerade einmal acht in OWL zu finden sind. Zum Vergleich:

Im Regierungsbezirk Münster sind es 13, im Regierungsbezirk Arnsberg 14 und im Regierungsbezirk Köln 16 Gemeinden. Lediglich im Regierungsbezirk Düsseldorf, was auch kein Zufall ist, gibt es nur drei und damit weniger. Das zeigt deutlich, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Ärztemangel in ländlichen Regionen und Medizinischen Fakultäten in der Nähe gibt. Den gab es nie, den wird es auch durch noch so viele Anträge, die Sie hier stellen, nicht geben.

Eben hat Ihnen Kollege Klocke schon deutlich gemacht, dass die Absolventinnen und Absolventen nicht automatisch in der Region bleiben, wenn es dort eine Universität oder Fakultät gibt.

Wir haben nach wie vor weniger einen Ärztemangel, sondern vor allem eine Ungleichverteilung der vorhandenen Ärzte auf Stadt und Land. Während die Ärztedichte in den Städten in Gegenden mit Gutsituierten sehr hoch ist, ist sie in schwach besiedelten Gebieten niedriger ­ vor allem deshalb, weil es dort weniger Privatpatienten gibt.

(Beifall von Dennis Maelzer [SPD])

Das müsste man noch genauer untersuchen; ich sage das mal so. Für die meisten Ärztinnen und Ärzte ist es nicht so lukrativ, sich in diesen Gegenden niederzulassen. Das heißt, Ärztemangel hat in erster Linie mit der völlig unsinnigen Privilegierung der Privatversicherten zu tun und nicht mit zu wenig Ausbildungsplätzen.

Wenn Sie den Ärztemangel in diesen Gemeinden wirklich etwas nachhaltiger bekämpfen wollen, sollten Sie ­ da appelliere ich an Sie ­ dafür sorgen, dass Ihre Bundestagsabgeordneten ­ hier spreche ich CDU und FDP an ­, endlich dazu kommen, eine angemessene Bürgerinnen- und Bürgerversicherung zu beschließen und einzuführen, und zwar eine richtige und nicht eine solche ­ eine kleine Bemerkung zur SPD und ihrem Landesparteitag ­, die noch nicht einmal vorsieht, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben.

Eine richtige Bürgerinnen- und Bürgerversicherung würde die Beitragsbemessungsgrenze und die Beitragspflichtgrenze zumindest anheben, wenn nicht sogar abschaffen. Dann hätten wir das Kostenproblem auch nicht. Das müssten Sie tun und sich von den Vorstellungen der jetzigen Finanzierung verabschieden. Eine solche solidarische Bürgerversicherung würde eine Ansiedlung von Hausärzten in Regionen mit vielen gut verdienenden Menschen genauso attraktiv machen wie in strukturschwächeren Regionen.

Vizepräsidentin Gunhild Böth: Herr Zimmermann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abruszat zu?

Wolfgang Zimmermann (LINKE): Aber sicher. Bitte, Kollege.

Kai Abruszat (FDP): Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege Zimmermann. ­ Vielleicht können Sie mir noch einmal helfen. Ich habe den Zusammenhang noch nicht verstanden, warum eine Bürgerversicherung den Hausärztemangel im ländlichen Raum in Ostwestfalen-Lippe bekämpft.

Wolfgang Zimmermann (LINKE): Das beantworte ich Ihnen gerne, Kollege Abruszat. Es geht um Folgendes: In eine Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, wie wir sie als Linke anstreben, zahlen alle Menschen ein ­ Selbstständige, 29.09. nen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte ­, damit die Privatversicherung endlich abgeschafft wird. Dann verdienen Ärztinnen und Ärzte nicht in erster Linie an Privatpatienten, sondern es gibt im Gesundheitswesen eine wirkliche Gleichbehandlung. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall von der LINKEN)

Ich bin eh fast am Schluss. Es gibt auch nicht viel mehr zu sagen als vor einem Jahr. Dieser Antrag wird an den Wissenschaftsausschuss sowie den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration überwiesen. Dort können wir das gerne vertiefen. ­ Danke schön.

(Beifall von der LINKEN) Vizepräsidentin Gunhild Böth: Danke, Herr Zimmermann. ­ Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält eine wirkliche Überraschung, die wir im Parlament würdigen sollten: CDU und FDP bewegen sich offensichtlich auf die Landesregierung zu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann mich noch gut erinnern, dass Herr Laumann im Sommer sehr lautstark angekündigt hat, dass die CDU ein eigenes Konzept für eine Uniklinik in OWL vorlegen wird. Den heutigen Antrag verstehe ich so, dass Sie sich auf die Linie der Landesregierung zubewegen. Das finde ich gut, und das will ich ausdrücklich würdigen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Es würde uns sehr helfen, wenn Sie uns auch auf der Berliner Bühne gegenüber Daniel Bahr und Frau Schavan unterstützen würden. Ich habe in der GWK dafür gestritten, dass wir im Bereich der Medizin mehr tun. Frau Schavan hat mir ganz eindeutig erklärt, dass wir überhaupt kein Problem hätten und auch zukünftig nicht mehr Ärzte brauchen würden.

Es gibt einen interessanten Zahlenspiegel von ihr zu diesem Thema. An der Stelle müssen wir die Überzeugungsarbeit leisten. Die Bundesregierung ist sich da offensichtlich noch nicht einig.

Herr Abruszat, es ist nicht so, als würden wir von Berlin aus bei der Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen in der Medizin unterstützt. Das Gegenteil ist der Fall. Der Bund war nicht bereit, bei den fast 1.000 zusätzlichen Plätzen, die wir schaffen, die höheren Kosten zu übernehmen, die bei einer Medizinerausbildung entstehen. Das mussten wir ganz allein stemmen. Dadurch, dass wir in diesem Bereich jetzt mehr Plätze schaffen, können wir in anderen Bereichen nicht so viele Studienplätze einrichten, wie wir wollen. Bei dieser Entscheidung, die wir hier auf Landesebene getroffen haben, war der Bund überhaupt nicht hilfreich ­ ganz im Gegenteil.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Gunhild Böth: Frau Minister, verzeihen Sie die Unterbrechung. ­ Herr Dr. Brinkmeier würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Gerne.

Dr. Michael Brinkmeier (CDU): Vielen Dank, Frau Ministerin. Entschuldigung, dass ich Sie so früh unterbreche. ­ Herr Laumann hat angekündigt, dass wir diesbezüglich noch einmal initiativ werden. Gerne legen wir auch vor Ihnen ein Konzept vor.

Stimmen Sie der Meinung von Herrn Kollegen Klocke zu, dass es aufgrund des fehlenden Klebeeffekts nicht notwendig ist, mittelfristig oder langfristig eine Medizinische Fakultät in Bielefeld anzustreben? Wann kommt Ihr Konzept?

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Dr. Brinkmeier, Sie haben mehrfach gesagt, dass dieses Thema sehr dringend wäre und wir unglaublich schnell etwas tun müssten, und haben zur Begründung den doppelten Abiturjahrgang angeführt. Ich habe jetzt deutlich gemacht, dass wir für den doppelten Abiturjahrgang etwas tun. Das hätten Sie auch tun können. Haben Sie aber nicht. Das hat diese Landesregierung angestoßen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Warum haben Sie, wenn es so unglaublich dringend ist, Ihre fünf Jahre Regierungszeit nicht genutzt, um ein Konzept auf den Tisch zu legen?

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Als ich ins Wissenschaftsministerium kam, habe ich dort kein Konzept vorgefunden, wie man eine Medizinische Fakultät aufbauen kann. Ich habe auch keine finanzielle Vorsorge dafür gefunden. Sie haben nicht einfach einmal 140 Millionen als Invest irgendwo eingestellt. Die Diskussionen um ein Konzept für OWL haben in Wirklichkeit erst mit dem Regierungswechsel begonnen. Das müssen Sie einfach einmal zugeben.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Es wundert mich ein bisschen, dass nicht schon die letzte Regierung aktiv geworden ist, denn nach meiner aus dort geführten Gesprächen gewonnenen Kenntnis stoßen wir in der Region auf sehr offene Ohren. Es wird da nicht nur Schwarz und Weiß ­ Landtag 29.09.

Medizinische Fakultät oder gar nichts ­ diskutiert. Es wird vielmehr sehr differenziert darüber diskutiert, wie wir es schaffen können, mehr Ärzte für die Versorgung im ländlichen Raum zu bekommen. Die Diskussion geht weit über die Frage einer Medizinischen Fakultät hinaus.

In der Region selbst hat eher die Frage Brisanz, wie es uns gelingen könnte, die vielen Ärztinnen ­ 52 % der Absolventen sind heute Absolventinnen ­ zu motivieren, eine Praxis im ländlichen Raum zu übernehmen. Da werden mir Probleme geschildert, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben, sondern zum Beispiel damit, dass die Kassenärztliche Vereinigung es nicht zulässt, eine Zweidrittelpraxis zu führen. Zulässig seien nur halbe Praxen. Davon kann eine Ärztin aber nicht leben, und das schon gar nicht, wenn sie auch noch Kinder haben möchte. Da gibt es praktische Probleme, über die wir sehr gut ins Gespräch gekommen sind.

Ich habe in der Region eine riesige Bereitschaft und große Kreativität vorgefunden. Man will sich diesbezüglich wirklich auf den Weg machen. Es wundert mich ein bisschen, dass Sie die vorhandenen Chancen in den letzten fünf Jahren nicht genutzt haben.

Es wundert mich auch Ihre stetig wiederholte Forderung, alles müsse viel schneller gehen. ­ Sie müssten die Wissenschaftslandschaft eigentlich so gut kennen, dass Sie wissen, dass wir den Wissenschaftsrat beteiligen müssen, wenn wir eine solche Strukturveränderung wie die Schaffung einer weiteren Medizinischen Fakultät vornehmen wollen. Sie wissen, dass das ein langwieriger Prozess ist und dass man, wenn man sich wirklich auf ihn einlässt, ein solides Konzept braucht, das eine Chance hat, den wissenschaftlichen Kriterien zu genügen.

Herr Brinkmeier, bei aller Liebe: Hätte ich bei meiner Amtsübernahme ein bisschen mehr vorgefunden, wären wir vielleicht schon einen Schritt weiter.

Aber wir beginnen gerade erst mit der Fachdiskussion. Das geht nicht so schnell, wenn es wirklich solide sein soll.

(Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Ein Jahr!)

­ Ja, immerhin haben wir nach einem Jahr eine erste Skizze. Was haben Sie denn in fünf Jahren vorgelegt? ­ Gar nichts! In fünf Jahren haben Sie nichts gemacht!

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN ­ Widerspruch von der CDU und von der FDP)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich hatte den Eindruck, dass Sie jetzt abrüsten und wir uns auf einen vernünftigen Kurs zubewegen, dass wir ernsthaft darüber diskutieren, was wir für die Ärzteversorgung in der Region tun können. Daran wäre mir gelegen.

(Vorsitz: Präsident Eckhard Uhlenberg)

Es nützt nichts, hier im Parlament Showanträge zu stellen. Vielmehr müssen wir eine ernsthafte Debatte führen. Da kommen Sie mit Maximalforderungen nicht weiter.

Ich kann Ihnen aber eins versichern: Diese Landesregierung wird den Prozess in aller Ruhe und Sorgfalt fortsetzen. Wir haben im Koalitionsvertrag zugesagt, dass wir etwas gegen den Ärztemangel in dieser Region unternehmen wollen und dass wir auch die Einrichtung einer Medizinischen Fakultät prüfen. ­ Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN) Präsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. ­ Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 15/2854 ­ Neudruck ­ an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie ­ federführend ­ sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer der Überweisungsempfehlung seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. ­ Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? ­ Wer enthält sich? ­ Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt. Doch welcher Kraftakt oft hinter den Arbeitsabläufen steckt und welcher Stress die Einhaltung der vorgeschriebenen Zeiten für diese Arbeitsabläufe bedeutet, wird oft ignoriert.