Asylbewerber

Umwelt- und Verbraucherschutz Mobilität und Teilhabe sind Grundrechte - Ein landesweites Sozialticket ist eine Notwendigkeit Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 15/1682

Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration sowie des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr am 8. November 2011

Stellungnahme der Stadt Münster

Zu den Einzelfragen unter Ziffer 7 des Fragenkatalogs:

In Münster ist das Sozialticket-Programm Bestandteil des Mit dem Münster-Pass können seit 1. September 2010 Personen, die in Münster wohnen, vergünstigte Fahrkarten des ÖPNV und weitere Angebote zu ermäßigten Konditionen in Anspruch nehmen, sofern sie

Leistungen nach dem SGB II, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII,

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB XII,

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten.

Für die Gestaltung des Angebotssegments vergünstigter Fahrkarten konnte die Stadt Münster auch auf Erfahrungen eines im Juni 1998 gestarteten Vorgängerprogramms zurückgreifen, das zum Jahresende 2001 eingestellt wurde. Im Rahmen des damaligen Programms konnten Personen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG oder nach dem erhielten, neben einigen weiteren Vorteilen sowie einer vergünstigten Fahrkarte für Kinder übertragbare Monatskarten mit Verkehrszeitbeschränkung im Einzelverkauf (9 Uhr-Karte) zum halben Preis erwerben; der wachsende Finanzierungsbedarf infolge der Dynamik der damaligen Nachfrageentwicklung veranlasste den Rat, den Ermäßigungsumfang mit Wirkung ab Juli 2000 auf 25 % des regulären Kaufpreises zu reduzieren. Die verringerte Vergünstigung führte zu einem Nachfragerückgang nach ermäßigten 9 Uhr-Karten um ca. ein Drittel.

Das damalige Programm wurde zum Jahresende 2001 eingestellt.

Der heutige Münster-Pass berechtigt seine Inhaberinnen bzw. Inhaber zur Inanspruchnahme nicht übertragbarer vergünstigter Fahrkarten, jeweils im Abonnement:

Zum berechtigten Personenkreis gehören knapp 24.000 Personen, ca. 8,5 % der Wohnbevölkerung. Um den Berechtigten einen möglichst unkomplizierten Zugang zum Passangebot zu ermöglichen, erhalten die, die eine der oben genannten Leistungen vom Jobcenter oder von der Stadt Münster (Sozialamt) beziehen, die Pässe jeweils persönlich mit der Post. Bei erstmaliger Leistungsbewilligung werden die Pässe in den betreffenden Sachgebieten ausgehändigt. Wer in Münster wohnt und eine der genannten Leistungen von einem anderen Sozialleistungsträger bezieht, erhält den Münster-Pass gegen Vorlage des aktuellen Bewilligungsbescheids in den Kundenzentren des Jobcenters bzw. des Sozialamts. Informationen über die Zusammensetzung des berechtigten Personenkreises nach Alter, Geschlecht und Migrationsvorgeschichte enthält der Geschäftsbericht des Sozialamts.

Im Umfang der in Anspruch genommenen Vergünstigungen leistet die Stadt Münster Ausgleichszahlungen an den Verkehrsbetrieb (Stadtwerke Münster sowie an den Zoo (Differenz zwischen regulärem und ermäßigtem Preis pro Fahr- bzw. Eintrittskarte). Für die übrigen Anbieter fallen keine Ausgleichszahlungen an.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Münster-Pass gibt die Stadt Münster zu den weiteren im Fragenkatalog angesprochenen Gesichtspunkten folgende Hinweise:

1. Ein Vergünstigungsangebot wie der Münster-Pass ist grundsätzlich geeignet, Personen, die auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, ein Mehr an Mobilität und Teilhabe im Alltag zu ermöglichen. Dabei ist der Bezugsraum eines kommunalen Programms i. W. auf das Gebiet der betreffenden Kommune begrenzt.

2. Das Passangebot steuert, gemessen an der Intention verbesserter Mobilität und Teilhabe im Alltag, indirekt: Gegenstandsspezifische Preisnachlässe setzen finanzielle Anreize, vergünstigte Angebote in Anspruch zu nehmen. Berechtigte haben grundsätzlich die Wahl, die Vergünstigung in Anspruch zu nehmen oder nicht. Die Freiheit der Inanspruchnahme begegnet damit der individuellen Freiheit, den eigenen Alltag zu gestalten. Andererseits kann eine indirekte Programmsteuerung Mitnahmeeffekte nicht ausschließen. Gültige Aussagen über die Kausalität zwischen Vergünstigungen auf der einen sowie verbesserter Mobilität und Teilhabe auf der anderen Seite lassen sich daher mittels Nachfragebeobachtung allein nicht treffen.

3. Bewertungen des Münster-Passes durch Berechtigte werden nicht systematisch erhoben. Nahezu alle Berechtigte, die sich gegenüber städtischen Dienststellen, dem Jobcenter oder Trägern sozialer Dienste äußern, bewerten den und die mit ihm verbundenen Vorteile allerdings regelmäßig ausdrücklich positiv. Mit fast 20 % der Berechtigten über 14 Jahren liegt die Nachfrage nach vergünstigten Fahrkarten im oberen Bereich der vor Wiedereinführung des Münster-Passes angenommenen Inanspruchnahme. Insgesamt erfreut sich der Münster-Pass in Münster heute einer zunehmend breiten Akzeptanz.

4. Die konkrete Ausgestaltung des Passangebots muss auf der einen Seite, um eine nennenswerte Inanspruchnahme zu ermöglichen, Vergünstigungen vorhalten, die aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer (erstens) wesentlich sind und (zweitens) einen Restpreis (Eigenanteil) übrig lassen, den zu bezahlen sie willens und in der Lage sind. Auf der anderen Seite muss der Umfang des Restpreises im Verhältnis zu den eigenen Mitteln potentielle Nutzerinnen und Nutzer veranlassen, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen; anderenfalls wäre ein solches Programm weder administrativ noch finanziell tragbar. Die Beschränkung auf um bis zu 50 % (aber nicht weniger als 44 %) ermäßigte, nicht übertragbare Fahrkarten im Abonnement begegnet diesen Maßgaben. Die Konditionen der ermäßigten Abonnements sind, abgesehen von der kürzeren Laufzeit, mit denen der regulären Jahresabonnements identisch; dazu gehört auch eine Kundenkarte mit weiteren Vorteilen (Stadtwerke Ungeachtet monatlicher Schwankungen bewegt sich die Entwicklung der Mittelabflüsse bisher stetig innerhalb der kalkulierten Bandbreite. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem ersten ließe die Einbeziehung übertragbarer Fahrkarten eine solide Kostenplanung und -kontrolle nicht zu; das gilt erst recht für eine Erweiterung des ermäßigten Fahrkartenangebots um Tickets aus dem Barsortiment.

5. Der Kreis der Berechtigten umfasst in Münster die Personen, die auf Leistungen zur grundständigen Existenzsicherung angewiesen sind. Erweiterungen des berechtigten Personenkreises erzeugten, bei unverändertem Angebot, höhere Kosten. In Münster müsste das zurzeit praktizierte Vertriebssystem der Pässe, das ohne zusätzliches Personal für Berechtigungsprüfungen und Passausstellungen auskommt, im Fall einer wesentlichen Erweiterung des Berechtigtenkreises um neue Ausgabestellen ergänzt werden; Gleiches gilt für den Vertrieb der ermäßigten Fahrkarten. Überdies ist die Annahme, dass Personen mit, gegenüber den zurzeit Berechtigten, etwas höheren verfügbaren Budgets häufiger bereit wären, die vergünstigten Fahrkartenangebote zu nutzen, jedenfalls nicht von vornherein abwegig. Schließlich könnte auch eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises das generelle Problem legitimer Begrenzung des Berechtigtenkreises nicht aufheben, sondern nur verschieben.

6. Unmittelbar nach der Einführung des Münster-Passes hat ein Marktforschungsinstitut im Auftrag der Stadtwerke Münster eine Kundinnen- und Kundenbefragung unter Inhaberinnen und Inhabern des Münster-Passes durchgeführt, die ein ermäßigtes Abonnement erwerben wollten. Das Untersuchungsinteresse betraf Antworthinweise auf die Fragen, ob und ggf. in welchem Umfang die mit dem Münster-Pass verbundenen Vergünstigungen dem ÖPNV zu mehr Fahrgästen verhelfen, zu erhöhten Umsätzen des Verkehrsbetriebs und darüber hinaus möglicherweise zu höheren Erträgen führen. Zu klären war insbesondere, wie viele Kundinnen und Kunden mit Münster-Pass vor dem Kauf des vergünstigten Abonnements Angebote des lokalen ÖPNV bereits genutzt haben, wie häufig sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sind und welche Fahrkarten sie gekauft haben. Auf der Grundlage von 1.710 Interviews hält die Studie insbesondere folgende Befunde fest:

Mehr als 60 % aller Befragten gaben an, bisher an 5 oder mehr Tagen pro Woche den ÖPNV genutzt zu haben; nur 10 % antworteten, nur einmal pro Woche oder weniger bzw. nie mit Bus oder Bahn gefahren zu sein.

Jeweils etwa die Hälfte der Personen, die sich für das ermäßigte 9 entschieden, nutzte vorher Bartickets (überwiegend das 9 oder Zeitkarten (überwiegend das im Abonnement).

Etwa ein Viertel der Personen, die das ermäßigte kauften, nutzte zuvor das im Freiverkauf, weitere 20 % besaßen ein im Jahresabonnement. Mehr als 30 % gaben an, zuvor Fahrkarten aus dem Barsortiment überwiegend das genutzt zu haben. Die übrigen Antworten verteilen sich auf andere Fahrkartenangebote.

Die Nutzerinnen und Nutzer des ermäßigten haben auch vorher überwiegend genutzt (knapp 50 %) Von den Bartickets nannten die Befragten am häufigsten das Ungeachtet neuer Fahrgäste, die bisher den ÖPNV selten oder gar nicht genutzt haben, verweisen die Befunde der Studie vor allem darauf, dass bisherige Nutzerinnen und Nutzer den ÖPNV mithilfe der vergünstigten Abonnements häufiger nutzen möchten. Eine nennenswerte Zahl der Befragten nutzte den ÖPNV auch zuvor mit Abonnements zum regulären Preis.

Einen Mehrertrag aus dem Verkauf vergünstigter Abonnements zugunsten des Verkehrsbetriebs konnte die Studie nicht nachweisen.