Diese Privilegierung zersiedelt den Außenbereich und führt zu einer ungeordneten gewerblichen

Dr. jur. Heinz Janning 4. November 2011

Anhörung am 9. November 2011 zur Landtagsdrucksache 15/2357 Intensivmastanlagen belasten ländliche Regionen in NRW ­ Bäuerliche Landwirtschaft stärken hier: Thesen zur planungsrechtlichen Steuerung von gewerblichen Intensivtierhaltungsbetrieben im Außenbereich

1. Die uneingeschränkte Privilegierung gewerblicher Intensivtierhaltungsbetriebe im Außenbereich auf Grund der Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 durch die Rechtsprechung ist nicht mehr zu verantworten.

Diese Privilegierung zersiedelt den Außenbereich und führt zu einer ungeordneten gewerblichen bzw. industriellen Entwicklung im Außenbereich infolge einer bauleitplanerisch ungesteuerten Ansiedlung auch von großen, industrieähnlichen Tierhaltungsbetrieben ohne jeglichen Bezug zur lokalen Landwirtschaft.

Dies widerspricht der Funktion des § 35 den Außenbereich durch möglichst weitgehendes Freihalten von baulichen Entwicklungen zu schonen und die städtebauliche Entwicklung auf der Grundlage der Bauleitplanung zu sichern. Damit entspricht die derzeitige Genehmigungspraxis nicht der Intention des Gesetzes.

Durch die planerisch nicht gesteuerte Zulassung gewerblicher Anlagen der Massentierhaltung wird die Erholungseignung des Außenbereiches tlw. massiv beeinträchtigt. Hierfür sind neben der Störung des Landschaftsbildes vor allem großflächige Geruchsbelästigungen ursächlich, die von solchen Betrieben ausgehen.

Die planerisch nicht gesteuerte Zulassung der Massentierhaltungsanlagen als privilegierte Außenbereichsvorhaben engen zudem die Potenziale für die Wohn- und Gewerbeflächenentwicklung in den Gemeinden erheblich ein.

Auch die Entwicklungsmöglichkeiten der in dem jeweiligen Bereich vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe werden nicht selten massiv eingeschränkt.

2. Die Möglichkeiten der Gemeinden, die von gewerblichen Massentierhaltungsbetrieben ausgehenden städtebaulichen Fehlentwicklungen im Außenbereich zu verhindern, sind sehr beschränkt. Solche Planungen erfordern zumeist einen unverhältnismäßig hohen Aufwand und sind überdies bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit erheblichen Risiken behaftet.

Um die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 Nr. 4 für derartige Großbetriebe auszuschließen, kann die Gemeinde zwar Sondergebiete für eine derartige gewerbliche Tierhaltung ausweisen. Dies erfordert aber eine gemeindeweite Suche nach geeigneten Flächen und eine zumeist konfliktbeladene Bestimmung für die gewerbliche Tierhaltung reservierter Bauflächen.

Die Gemeinden können ferner im Flächennutzungsplan Konzentrationszonen für gewerbliche Massentierhaltungsanlagen mit der Wirkung ausweisen, dass solche Anlagen nur innerhalb dieser Konzentrationszonen privilegiert zulässig sind und außerhalb dieser Zonen in der Regel auf Grund dieses Planvorbehaltes gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 abzulehnen sind. Die Ausweisung solcher Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan setzt aber ein gemeindeweites Entwicklungskonzept mit flächendeckender Bestandserfassung und sachgerechter Bestimmung geeigneter Flächen voraus. Dies erfordert in der Regel einen sehr hohen Aufwand. In welchem Umfang Standorte für gewerbliche Tierhaltungsbetriebe bestimmt werden müssen, um der von der Rechtsprechung angenommenen Privilegierung der gewerblichen Tierhaltung im Außenbereich Rechnung zu tragen, ist nur eine der risikobehafteten Fragen im Falle gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Des Weiteren haben die Gemeinden die (mehr theoretische) Möglichkeit, im Flächennutzungsplan Nutzungsbeschränkungen und Grenzwerte für Geruchsimmissionen für Tierhaltungsanlagen nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 festzulegen. Auch diese Planungsmöglichkeit ist mit erheblichem Aufwand und großen Risiken verbunden.

Den Gemeinden ist nicht mehr länger zuzumuten, wegen der uneingeschränkten Privilegierung selbst größter Massentierhaltungsanlagen zur Abwehr negativer Auswirkungen solcher Anlagen derartige Planungen zur Regulierung der baulichen Nutzung des Außenbereichs vornehmen zu müssen, nur weil die Regulierungsfunktion des § 35 durch die angenommene Privilegierung aller gewerblichen Tierhaltungsanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 außer Kraft gesetzt wird. Diese generelle Privilegierung verstößt also sowohl gegen die Funktion des § 35 als auch gegen die Kernfunktion der Bauleitplanung, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1

3. Eine Korrektur der einschlägigen Rechtsprechung kann nicht abgewartet werden.

Es ist nicht absehbar, ob und wann diese verhängnisvolle uneingeschränkte Privilegierung gewerblicher Tierhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 durch eine Grundsatzentscheidung des aufgehoben und korrigiert wird. Es ist daher eine gesetzliche Änderung unumgänglich.

92639_Landtagsdrucksache 15-2357_Intensivmastanlagen (3).doc Seite 3/3

4. Eine sach- und interessengerechte Lösung ist durch eine selbständige Regelung zur beschränkten Privilegierung der gewerblichen Tierhaltung im Rahmen einer eigenen Ziffer im Privilegierungskatalog des § 35 Abs. 1 möglich.

Diese Regelung sollte alle gewerblichen Tierhaltungsbetriebe von der Privilegierung ausschließen, die der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen. Des Weiteren sollten auch die nicht UVP-pflichtigen gewerblichen Anlagen von der Privilegierung ausgeschlossen werden, die nicht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einer vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebsstätte stehen.

Eine totale Entprivilegierung jeglicher gewerblichen Tierhaltung würde zwar den Gemeinden entgegenkommen, weil ihnen dann der Zwang zu Abwehrplanungen gegen städtebauliche Fehlentwicklungen genommen würde.

Eine derartige totale Entprivilegierung würde aber nicht den Interessen der Landwirtschaft gerecht. Viele bäuerliche Familienbetriebe sind nämlich wegen des Fehlens ausreichend großer, als Futtergrundlage dienender eigener Flächen darauf angewiesen, ihren landwirtschaftlichen Betrieb um Elemente der gewerblichen Tierhaltung zu ergänzen.

Diesen Betrieben kann durch die Beibehaltung der Privilegierung für die gewerbliche Tierhaltung geholfen werden, die in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu der jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebsstätte steht.

Um aber eine planerisch nicht gesteuerte und städtebaulich bedenkliche Zulassung auf Grund dieser Privilegierung zu verhindern, sollen nur die Betriebe privilegiert bleiben, die von ihrer Größenordnung her nicht die Grenze zur UVP-Pflichtigkeit überschreiten.

Befürchtet eine Gemeinde auch innerhalb dieser beschriebenen Grenzen der Privilegierung noch städtebauliche Fehlentwicklungen in ihrem Außenbereich, bleibt es ihr unbenommen, von dem Planvorbehalt im Flächennutzungsplan gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 Gebrauch zu machen.

Die nicht mehr privilegierten gewerblichen Tierhaltungsbetriebe können nach der vorgeschlagenen Gesetzesänderung nur noch angesiedelt werden, wenn die Gemeinde zuvor nach Abwägung aller Belange über die Bauleitplanung das notwendige Baurecht schafft. Zu einer solchen Planung ist die Gemeinde aber nicht verpflichtet.