NRW-Bäuerliche Landwirtschaft stärken

Stellungnahme der Landwirtschaftskammer NRW im Rahmen der Anhörung zu Intensivmastanlagen belasten ländliche Regionen in NRW-Bäuerliche Landwirtschaft stärken (Landtagsdrucksache 15/2357 vom 12.07.2011).

A) Anmerkungen zum Bereich des Bau- und Immissionsschutzrechts:

1. Ausgangslage:

Aufgrund der besonderen Anforderungen landwirtschaftlicher Betriebe, insbesondere mit Tierhaltung, werden Bauvorhaben solcher Betriebe im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch geprüft und genehmigt. Im Außenbereich ist ein Vorhaben zulässig, wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient, öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Voraussetzung für eine landwirtschaftliche Tierhaltung i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 ist, dass über die zum Betrieb gehörenden Flächen eine überwiegend eigene Futtergrundlage (über 50 %) gegeben ist. Betriebe, die nicht über die nach § 201 geforderte Futtergrundlage verfügen, fallen nach der Rechtsprechung als sogenannte gewerbliche Tierhaltung unter die Regelungen des § 35 Abs. 1 Nr. 4 Unabhängig von den baurechtlichen Genehmigungsmöglichkeiten gelten für Tierhaltungsanlagen ab einer bestimmten Größenordnung die Bestimmungen des und die der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), abgestuft in UVP-Vorprüfung und obligatorischer UVP-Pflicht. Die Durchführung eines UVP-Verfahrens erfolgt grundsätzlich unter Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die nachfolgenden Tierplatzzahlen geben die Schwellenwerte nach der 4. bzw. dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz wieder. Dabei bilden die ersten Werte die Schwelle für ein vereinfachtes Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und zugleich auch für eine standortbezogene UVP-Vorprüfung. Die zweiten Werte geben die Schwelle für eine obligatorische UVPPrüfung wieder. Über eine UVP-Vorprüfung (untere Grenze) kann sich in Abhängigkeit vom Standort ergeben, dass Anlagen im Einzelfall auch bei den unteren Tierplatzzahlen UVP-pflichtig sind:

500 oder 3 000 Mastschweine / Jungsauenaufzucht oder 900 Sauen

500 oder 9 000 Aufzuchtferkel

000 oder 85 000 Masthähnchen / Junghennen

000 oder 60 000 Legehennen

000 oder 60 000 Truthühner bzw. 800 Rinder bzw. 1 000 Kälber (gemeint sind Mastkälber).

Für Rinder gibt es keine obligatorische UVP-Pflicht, d. h. beide Schwellenwerte stehen für UVP Vorprüfung.

In den zurückliegenden Jahren hat auch in einigen Regionen von NRW die Konzentration von Tierhaltungsbetrieben durch den Bau neuer Ställe zugenommen. Dabei erfolgt in einigen Kreisen bei flächenknappen Betrieben zur Umsetzung betrieblicher Wachstumsschritte in der Veredlung teilweise eine Genehmigung auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 4 als gewerbliche Tierhaltung. Die Anwendung dieses

Privilegierungstatbestandes beschränkt sich bislang fast ausschließlich auf Vorhaben der Geflügelhaltung und Schweinemast.

Bei dieser Regelung ist darauf hinzuweisen, dass hier die Stallgröße bzw. die Anzahl der Tierplätze ebenso wie in § 35 Abs. 1 Nr. 1 keine Rolle spielt. Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist die genehmigungsbedürftige Anlage selbst und ihre Auswirkungen auf die Umgebung. Davon nicht umfasst ist eine Verbindung der Zahl der gehaltenen Tiere mit einer naheliegenden Futter- oder Düngeausbringungsfläche. Der fehlende Flächenbezug hat mit dazu beigetragen, dass in einigen Regionen (z. B. im Raum Cloppenburg/Vechta) die Tierhaltung stark ausgedehnt wurde. Gestiegene Anforderungen an den Nachweis und auch an die Kontrolle der zur Futtergewinnung und zur Nährstoffverwertung zur Verfügung stehenden Flächen, sowohl im baurechtlichen Verfahren als auch im Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, haben zwar an Bedeutung zugenommen, beides steht jedoch auch für den Fall nicht betriebsnah vorhandener Flächen dem Rechtsanspruch auf Genehmigung nicht entgegen.

2. Änderungsvorschläge:

Derzeit wird in einzelnen Bundesländern und auch auf Bundesebene zur Steuerung von Stallbauten sowohl hinsichtlich der Anzahl, als auch in Bezug auf die Größe einzelner Anlagen eine Änderung des § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch diskutiert. Zum Teil spricht man sich gegen eine Änderung aus und plädiert dafür, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten stärker zu nutzen. Nach Vorstellung einiger Bundesländer und auch des Bundesbauministeriums soll eine Änderung des § 35 Abs 1 Nr. 4 erfolgen.

Für landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 soll es nach dem Referentenentwurf des Bundesbauministeriums aber keine Änderungen geben.

Derzeit werden für eine Änderung des § 35 Abs 1 Nr. 4 die folgenden Vorschläge diskutiert:

1. Einschränkung der Privilegierung im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 durch die Koppelung an die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung.

Nach Pressemeldungen sollen danach zukünftig nur noch solche gewerblichen Tierhaltungsbetriebe unter die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 fallen, die keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.

2. Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 durch Kopplung an einen maximalen regionalen GV-Besatz.

3. Erteilung von Genehmigungen für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 nur bei einem räumlich funktionalen Zusammenhang mit einem bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1

3. Fachliche Beurteilung der einzelnen Vorschläge

Die einzelnen alternativen Ansätze verfolgen unterschiedliche Ziele und haben nach den Erfahrungen der Landwirtschaftskammer NRW in der praktischen Umsetzung unterschiedliche Konsequenzen:

Zu 1) Einführung von Größenbegrenzungen bzw. UVP-Grenzen) im § 35 Abs. 1 Nr. 4.

Durch die Einführung einer Größenbegrenzung für Tierhaltungsbetriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 können Großprojekte ­ wie sie derzeit überwiegend in den neuen Bundesländern entstehen ­ eingeschränkt werden. Für viele landwirtschaftliche Familienbetriebe mit begrenzter Flächenausstattung ermöglicht eine solche Regelung eine Entwicklungsperspektive. Eine Begrenzung der Tierhaltung in einzelnen Regionen lässt sich damit jedoch voraussichtlich nicht erreichen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei einer Teilung von größeren Anlagen die bzw. UVPGrenzen nicht in allen Fällen greifen.

Grundsätzlich bedeutet das Überschreiten der UVP-Grenzen nicht zwangsläufig eine bodenrechtliche oder eine umweltrechtliche Unverträglichkeit, die eine Beschränkung der Privilegierung rechtfertigt.

Letztlich kann auch ein möglicher Regelungserlass aus Gründen örtlicher Bürgerwiderstände mit dieser Regelung nicht einer Lösung zugeführt werden, weil Bürgerinitiativen sich gegen Anlagengrößen auch unterhalb der UVP-Pflicht wenden.

Zu 2) Kopplung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 an einen maximalen regionalen GVBesatz

Aus Niedersachsen kommt der Vorschlag, eine Genehmigung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 vom regionalen GV-Besatz abhängig zu machen. Dabei soll die Grenze bei 2 GV je Hektar liegen.

Eine flächenbezogene Begrenzung ist ein Ansatz, die regionale Viehhaltung in viehintensiven Regionen zu beschränken. Dadurch würden sich auch positive Effekte für den Immissions- und Gewässerschutz ergeben.

Eine GV-Kopplung hat jedoch keinerlei Einfluss auf die Größe der einzelnen Tierhaltungsanlage, sondern lediglich auf die Konzentration in einer Region.

Diese Reglung wird tendenziell zu einer Verlagerung der Tierhaltung in viehärmere Regionen führen. Dies wäre unter den Gesichtpunkten des Umweltschutzes und der Kreislaufwirtschaft wünschenswert. Allerdings stoßen schon heute in genau diesen Kreisen Stallbauvorhaben allein aufgrund ihrer Größe auf mindestens die gleichen Widerstände wie in den Regionen mit intensiverer Tierhaltung.

Zu 3) Genehmigungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 nur in räumlich funktionalem Zusammenhang mit einer bestehenden landwirtschaftlichen Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1

Durch die Bindung an eine bestehende landwirtschaftliche Hofstelle soll erreicht werden, dass nur noch Landwirte eine gewerbliche Außenbereichsprivilegierung bei Tierhaltungsanlagen bekommen. Bei der Diskussion dieser Alternative sollte berücksichtigt werden, dass mehr als 95 % aller Bauvorhaben in NRW von genau diesem Personenkreis beantragt werden. Der außerlandwirtschaftliche Anteil von Investoren