Wohlfahrt

Stellungnahme der BAGIV

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung NRW v. 05 10. 2011

Drucksache 1572944

Die Bundesarbeits-Gemeinschaft der Immigranten-Verbände (BAGIV) begrüßt die Initiative der Landesregierung, mit diesem Gesetzesentwurf, ein Integrationspolitisches Arbeitsprogramm aufzustellen mit dem Anspruch, die Einwanderungswirklichkeit systematisch zu gestalten, das Versäumte nachzuholen und Maßnahmen zu einer nachhaltigen Integration hin auf gesetzlicher Basis zu normieren.

Für uns, die BAGIV, stellt sich die Frage: Welche Normen sind das? Wo finden in diesem Zusammenhang die Betroffenen selbst und ihre statt?

Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die aus dem Zuwanderungsgesetz übernommene Bezeichnung von den Unionsbürgern und Ausländern, weil wir der Auffassung sind, dass im Prozess des Gesetzgebungsverfahrens soziologische Fachtermini wie Menschen mit Migrationshintergrund nicht den Kern der Sache treffen. Allein die hier Anwesenden mögen sich fragen, ob sie nicht irgendwo auch ihr eigener Migrationshintergrund zu entdecken ist.

Wenn -wie dieses Gesetz für sich in Anspruch nimmt- die vorhandene integrationspolitische Infrastruktur zu sichern und weiter zu optimieren, wenn Integration als bedeutendes Ziel der Landesregierung verankert werden soll, dann muss die Landesregierung und die Behörden in NRW mit den MSOs enger zusammenarbeiten und deren Strukturen fördern.

Die Arbeit der der Migranten erfährt eine immer stärker werdende Anerkennung. Der Gesetzentwurf selbst hebt hervor ihre wesentliche Bedeutung für die Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Eingewanderten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist für uns aber nicht ausreichend, um das formulierte und postulierte Ziel zu erreichen. Im allgemeinen Teil der Begründung dieses Gesetzentwurfes wird davon ausgegangen, dass es leistungsfähiger Integrationsstrukturen bedarf. Zur lange versäumten systematischen Unterstützung der Integration von Eingewanderten gehört die Unterstützung der Arbeit der d.h. für uns vornehmlich die Unterstützung und Förderung ihrer Strukturen. Integration als gesamtgesellschaftlichen Prozess zu betrachten, was sie ja auch ist, bedeutet auch die MSOs zu unterstützen. Sie sind diejenigen Agenturen par excellence, die Begegnungen im weitesten Sinne des Wortes in dieser Gesellschaft organisieren, Leben und Kultur der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund einander näher bringen können. Sie besitzen unbestritten auch die erforderliche interkulturelle Kompetenz. Zu formulieren dass: für die Integration im Aufnahmeland Frauen eine Schlüsselrolle zukommt, oder es soll künftig... die integrationsfördernde Kinder- und Jugendarbeit aufgenommen werden (S. 63), oder junge Menschen mit Migrationshintergrund sollen in ihrem Prozess unterstützt werden, sich individuell eine neue Identität in der Auseinandersetzung sowohl mit Ihrer Herkunftskultur als auch der Aufnahmekultur zu schaffen, wie im besonderen Teil des Gesetzentwurfes auf Seite 43 begründet wird, heißt zugleich die Frage beantworten, ob dies ohne die aktive Beteiligung der Eingewanderten und ihrer Selbstorganisationen geleistet werden kann. In der Begründung des Gesetzentwurfes (S. 51) ist die Rede von Instrumenten zur Stärkung der auch von Begleitung und Unterstützung der MSOs in Fragen der Eigenorganisation und Qualifizierung. Das ist nicht ausreichend. Das ist eine Neuauflage, eine staatliche Version STELLUNGNAHME 15/1061

Alle Abg der längst aufgegebenen Ausländersozialberatung, sprich Bevormundung, durch Charitas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt. Das lehnen wir als überholt und nicht zukunftsorientiert kategorisch ab.

Unsere Forderung, die aus dieser Analyse resultiert, ist daher, die Förderung der Strukturen der MSOs in das Teilhabe- und Integrationsgesetz festzuschreiben.

Im § 10 Vertretung auf Landesebene heißt es unter Punkt 1: Das Land fördert die Arbeit der von den kommunalen Integrationsräten und Integrations-Ausschüssen gebildeten Vertretung der Menschen mit Migrationshintergrund auf Landesebene durch finanzielle Zuwendungen.

Unter Punkt 2 heiß es dann weiter: Das Land hört die Vertretung der Menschen mit Migrationshintergrund auf Landesebene bei der Erfüllung der Integrationsaufgaben an.

Allein die Wortexegese zeigt uns, dass die Arbeit und Funktion der MSOs zur Erreichung des Zieles der Integration nicht ausreichend und nicht sichtbar wertgeschätzt wird. Der Entwurf bleibt einer Mentalität verhaftet: Ihr seid die zu Integrierenden, die staatlichen Stellen werden die Integrationsaufgaben erfüllen. Ihr Migranten könnt die staatlichen Stellen höchstens beraten. Das aber steht im eklatanten Widerspruch zu dem Anspruch des Gesetzentwurfes Integration nicht als einseitige und rasch abzuschließende Aufgabe zu verstehen, sondern als einen Prozess von zentraler gesamtgesellschaftlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung.

Zu § 3 Verwirklichung der Ziele ist in Bezug auf Kinder und Jugendliche ohne jeglichen Aufenthaltsstatus von bildungsfördernden Leistungen und Sicherung zu einem ungehinderten Bildungszugang. Das begrüßen wir ausdrücklich. Dass hingegen ihre gesundheitliche Versorgung nur angestrebt werden soll, bedauern wir und bitten stattdessen, dass auch ihre gesundheitliche Versorgung gesichert sein soll. Dies ist das Minimum, das eine zivilisierte Gesellschaft, wie die deutsche, Flüchtlingen und Flüchtlingskindern entgegenbringen soll.

Die Integrationsbeauftragten bei den Bezirksregierungen sollen nach dem Gesetzentwurf nur Angehörige der ministeriellen Bürokratien sein können. Wir denken, es braucht nicht besonders begründet zu werden, dass die Einschränkung auf diesen Personenkreis als nicht zweckdienlich aufgegeben werden sollte.

Zu § 8 Integration durch Beruf und Arbeit. Die Feststellung, dass mit den Einflüssen zweier oder mehrerer Kulturen aufgewachsen zu sein, Potenziale birgt, können wir nur bestätigen und nachdrücklich unterstreichen. Genauso dass die Förderung der Zwei- und Mehrsprachigkeit die beruflichen Chancen von Menschen mit Miigrationshintergrund verbessert. Daraus resultiert aber auch die Verpflichtung, Zwei- und Mehrsprachigkeit im Schulsystem zu fördern, statt die Stunden für den muttersprachlichen Unterricht zu verringern. Auch diese Forderung der BAGIV sollte ihren Niederschlag im Gesetz finden.

Zum im öffentlichen Diskurs aufgestellten Forderung nach einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, hat die BAGIV zu erklären: Die in unseren Organisationen beteiligten Menschen sind Verfassungspatrioten. Die BAGIV achtet darauf, dass keine Organisationen aufgenommen werden, die nicht Migrantenpolitik und Integrationspolitik betreiben, sondern als verlängerter Arm der Regierungen ihrer Herkunftsländer fungieren. Nicht zuletzt, weil dies über die Jahrzehnte als integrationsstörend erwiesen hat.

Im Gesetzentwurf ist keine Formulierung zu finden, die in der Nähe des Begriffs von der Leitkultur zu sehen wäre. Das begrüßen wir ausdrücklich, weil für uns Integration eben nicht bedeuten soll: Anpassung an eine Leitkultur

In der BAGIV sind zusammengeschlossen folgende Dachorganisationen: -Bundesverband spanischer sozialer und kultureller Vereine in Deutschland e.V.

- Verband der Griechischen Gemeinden in Deutschland (OEK) e.V.

- KOMKAR- Verband der Vereine aus Kurdistan e.V.

- Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD)

- Zentralrat der Serben in Deutschland

- Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland (ZAVD)

- Bundesverband der Portugiesischen Vereine in Deutschland e.V.